Die Inflation mit ihren steigenden Miet-, Energie- und Lebensmittelpreisen verschärft in Österreich das Leben für armutsgefährdete Menschen: Das sind immerhin über 1,2 Millionen Menschen, davon über 290.000 minderjährige Kinder. Sinnvoll wäre, bei den Mieten anzusetzen – zum Beispiel über eine höhere Wohnbeihilfe, schlägt das WIFO vor. Doch die Regierung verteilt stattdessen Einmal-Almosen, die angesichts der Teuerung verpuffen.
Jeder 7. Hat zu wenig Geld zum Leben – und jetzt wird sogar das weniger wert
Die Inflation liegt in Österreich bei 8 Prozent. Das ist der höchste Wert seit 40 Jahren. Eine Gallup-Umfrage zeigt, dass für 7 von 10 Österreichern die Preissteigerungen das wichtigste Thema sind, das sie im Alltag beschäftigt. Die Teuerung trifft am stärksten jene, die es ohnehin schon schwer haben.
In Österreich sind 1,22 Millionen Menschen armutsgefährdet – das sind fast 14 Prozent der Bevölkerung. Oder: Jede 7. Person. Deren Haushaltseinkommen liegt unterhalb der sogenannten Armutsgefährdungsschwelle, die 1.300 Euro für eine erwachsene Person beträgt. Ein Viertel der Armutsgefährdeten sind minderjährige Kinder: 291.000 an der Zahl.
Für jeden 7. In Österreich schmerzt die Inflation gerade besonders. Denn bei ihnen geht es nicht darum, dass man sich über höhere Rechnungen ärgert, sondern diese 1,22 Millionen Menschen müssen ihre ganze Lebensweise einschränken. Und sogar dann passiert es, dass sie sich verschulden – ein Teufelskreis beginnt.
Die ärmsten 30 Prozent der Haushalte können laufende Konsumausgaben nicht decken
Bereits 1,4 Millionen Haushalte (das sind 2,7 Millionen Menschen bzw. 35 %aller Haushalte) können laut einer Analyse des Fiskalrats ihre Ausgaben nicht mehr mit ihrem monatlichen Einkommen decken. Was erschüttert: Vor den jüngsten Preiserhöhungen war das “nur” bei einer Million Haushalte (25 %bzw. 1,8 Millionen Menschen) der Fall.
Eine Umfrage des Gallup-Instituts zeigt, dass die Menschen in Österreich angesichts der steigenden Preise ihr Verhalten ändern: Mehr als jeder Zweite plant die eigenen Ausgaben sorgfältiger. Je 50 Prozent steigen beim Einkaufen auf preiswertere Alternativen um bzw. sparen bei der Energie im Haushalt. 42 Prozent schränken sich in der Freizeitgestaltung ein.
Doch für jene, die ohnehin wenig zum Leben haben, ist der Gestaltungsspielraum gering: Wohnen muss man immer – gegen höhere Mieten, Betriebskosten, Strom- und Heizkosten kann man kaum etwas unternehmen. Die Ausgaben steigen, die Einnahmen bleiben aber gleich niedrig.
Das Wirtschaftsforschungsinstitut (WIFO) hat in einer Studie erhoben, dass im untersten Einkommens-Zehntel das Haushaltseinkommen die Konsum-Ausgaben nur zu 68 Prozent deckt. Das bedeutet: Die ärmsten Haushalte müssen jeden Monat auf Ersparnisse zurückgreifen – oder sich verschulden – um die ihre Ausgaben decken zu können.
Beim zweiten Einkommens-Dezil decken die Einnahmen nur 87 Prozent des Konsums, beim dritten Einkommens-Dezil nur 94 Prozent. Erst ab dem 4. Einkommens-Zehntel können die Haushalte mit ihren Einkommen ihre Ausgaben decken.
Preisanstiege schaden Armen gleich dreifach – und der Volkswirtschaft obendrein
Für die armen Haushalte in Österreich bedeuten die steigenden Preise Lebenseinschränkungen, Schuldenfalle und am Ende auch Schäden für die Gesundheit.
1 – Ärmere Haushalte haben schon bisher ihr gesamtes Einkommen für Fixkosten, Lebensmittel, Öffis und Co ausgegeben – ohne Chance, etwas auf die Seite zu legen, um zu sparen. Teurere Preise in vielen Bereichen bedeuten für sie direkte Konsum-Einschränkungen: Jeden Euro zwei Mal umdrehen, auf billige Produkte umsteigen – oder ganz auf Ausgaben verzichten, z.B. wenn es um Kleidung oder Freizeit geht.
2 – Auf billigere Lebensmittel und Getränke umsteigen bedeutet aber auch, bei der Qualität der Lebensmittel Einschränkungen hinzunehmen. Haltbarmilch statt Frischmilch. Sirup statt Säfte. Bio geht sich nicht aus. Das heißt auch: Mehr Aromen, mehr Zusatzstoffe, weniger Nährwerte. All das wirkt sich negativ auf die Gesundheit und das Wohlbefinden aus.
3 – Die ohnehin schon bestehende Lücke zwischen Einnahmen und Ausgaben wird noch größer. Steigende Preise können zu Verschuldung oder sogar Überschuldung führen. Im schlimmsten Fall ist nicht einmal eine Privatinsolvenz möglich, wie Clemens Mitterlehner von der Schuldnerberatung erklärt: Denn für eine Privat-Insolvenz (samt Entschuldung) müssen die eigenen Fixkosten getragen werden können – gerade das können sich überschuldete Betroffene angesichts der Teuerung nicht mehr leisten.
Wenn die Kaufkraft beim untersten Einkommensdrittel abnimmt und diese sich einschränken, heißt das auch: Schäden für die Wirtschaft. Weniger Nachfrage bedeutet weniger Wirtschaftswachstum.
Treffsicher wäre eine höhere Wohnbeihilfe
Jeder Zweite, der armutsgefährdet ist, lebt in einer Mietwohnung – laut WIFO sind es konkret 588.000 Menschen. Das WIFO geht demnach davon aus, dass eine vorübergehend erhöhte Wohnbeihilfe die Teuerung treffsicher abfedern könnte: Denn dann erreicht man jene, die ohnehin wenig Geld zum Leben haben.
Das Problem beim 150-Euro-Energiekostenausgleich ist, dass das die Teuerung bei Strom und Gas selbst nicht abdeckt. Darüber hinaus wird er erst gegen Jahresende wirksam. Unter den Preisen leiden Menschen jedoch schon jetzt.
Wofür Geld da ist: 750 Millionen für Unternehmen, damit sie weniger Gewinnsteuer zahlen
Statt strukturell bei Transferleistungen anzusetzen, reagieren ÖVP und Grüne mit Einmalzahlungen und eine Arbeitsgruppe, die nichts entscheiden, aber die Teuerung beobachten kann. Unterdessen verstreicht wertvolle Zeit.
Für das Prestigeprojekt Steuerreform hat die Regierung aber sehr wohl Geld – zum Beispiel für die Senkung der Gewinnsteuer (KöSt) für Unternehmen.
Die Körperschaftssteuer (KöSt) wird von 25 auf 23 Prozent gesenkt. Kostenpunkt: 774 Millionen Euro pro Jahr.
Kleine Unternehmen – mit niedrigen Gewinnen – bekommen wenig. Große Unternehmen hingegen sehr viel. Das „reichste“ 1 Prozent der Unternehmen bekommt ganze zwei Drittel des KöSt-Senkung.
3 von 5 Unternehmen in Österreich machen weniger als 8.000 Euro Gewinn pro Jahr. Sie zahlen kaum Gewinnsteuer – und bekommen daher auch in Zukunft kaum etwas. Die großen Unternehmen, die mehr als 2,5 Millionen Euro pro Jahr Gewinn machen, bekommen hingegen das Gros der KöSt-Senkung. 64 Prozent des 750 Millionen Euro Steuergeschenks gehen auf die Konten des einen Prozent gewinnstärksten Unternehmen.