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Macron gegen Le Pen: Warum konnte die Rechte in Frankreich so stark werden?

Macron gegen Le Pen: Warum konnte die Rechte in Frankreich so stark werden?

Lea Fauth Lea Fauth
in Europa
Lesezeit:6 Minuten
10. April 2022
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In Frankreich ist der erste Wahlgang der Präsidentschaftswahl zu Ende, in der Stichwahl am 24. April werden sich die gleichen Kandidaten gegenüberstehen wie schon bei der Stichwahl 2017: Der bürgerlich-liberale Emmanuel Macron und die rechtsextreme Marine Le Pen. Doch diesmal dürfte der Ausgang noch knapper werden als in letzten Wahlgängen. Die „Normalisierung rechtsradikaler Ideen“ in französischen Medien, die mehrheitlich milliardenschweren Medienmogulen gehören, dürfte eine Ursache dieser Entwicklung sein. 

Es ist schon wieder so weit: Bei den Präsidentschaftswahlen in Frankreich wird die rechtsextreme Marine Le Pen in die Stichwahl gegen Emmanuel Macron kommen. Zum dritten Mal hat es die Le Pen-Partei damit in die zweite Runde der Präsidentschaftswahlen geschafft. 2002 war es noch ihr Vater, Jean-Marie Le Pen, der gegen Chirac in der Stichwahl antrat – und dann haushoch verlor. Bei der Wahl 2017 hatte seine Tochter der Partei, damals noch unter dem Namen „Nationale Front“, heute „Nationale Versammlung“, ein neues und salonfähiges Image gegeben. Emmanuel Macron gewann die Wahl schließlich mit 66,1 gegen 33,9 Prozent deutlich knapper als 2002 noch Chirac.

Macron nur 4 Prozentpunkte vor Le Pen

Das Ergebnis der kommenden Stichwahl könnte noch knapper werden. Bei einer voraussichtlich historisch hohen Wahlenthaltung könnte es sein, dass viele Menschen in der Stichwahl nicht mehr „strategisch“ zwischen Macron und Le Pen wählen, um das schlimmste zu verhindern, sondern gar nicht erst zur Wahl gehen. Umfragen sehen Macron in einer Stichwahl nur 4 Prozentpunkte vor der rechtsextremen Konkurrentin Le Pen.

Wie konnte es so weit kommen? Da ist zum einen die Politik gegen den Sozialstaat in den letzten Jahrzehnten, die die Wut auf das „Establishment“ geschürt und Marine Le Pens Populismus in die Hände gespielt hat. Da ist zum anderen ihre eigene Strategie, sich als gemäßigt und bürgerlich zu präsentieren. Daneben sticht in Frankreich aber noch eine andere Entwicklung ins Auge: Die zunehmend katastrophale Situation der französischen Medien.

Medien in den Händen von Milliardären

Fast alle Tageszeitungen, Fernseh- und Radiosender sind mittlerweile in den Händen einiger weniger Milliardäre. Bernard Arnaut etwa, der reichste Mann Frankreichs, ist Inhaber auflagenreicher Tageszeitungen wie „Les Échos“ und „Le Parisien“. Dann wäre da noch die Familie Bouygues, Inhaberin des gleichnamigen Telefonie-Anbieters und des größten Fernsehsenders in Frankreich, TF1. Beide haben enge Verbindungen zumindest ins konservative Lager, sowohl Bernard Arnaut als auch Martin Bouygues waren Trauzeugen bei der Hochzeit des konservativen Ex-Präsidenten Nicolas Sarkozy. Neben ihnen und anderer Medienmogule ist aber vor allem ein Name hervorzuheben: Vincent Bolloré, Milliardär und Unternehmer, erzkonservativer Katholik mit rechtsextremen Neigungen. Bolloré hat im vergangenen Jahrzehnt nach und nach Fernseh- und Radiosender unter seine Kontrolle gebracht, darunter die TV-Sender Canal+ und CNews, sowie Europe1 im Hörfunk. Politische Satiresendungen wie „Les guignols de l‘info“, meistens mit linker Ausrichtung, wurden in der Folge ersatzlos gestrichen.

„Französische Medien: Wer besitzt was?“ Grafik der Monatszeitschrift Le Monde diplomatique – eine der wenigen Zeitungen, die noch niemandem gehören.

Bolloré sitzt im Aufsichtsrat der Canal+ Gruppe und ist bekannt dafür, sich inhaltlich einzumischen. Als wäre das Imperium nicht schon groß genug, übt er auch Einfluss auf andere Zeitungen aus, die ihm nicht gehören. Wie der investigative Dokumentarfilm „Media Crash“ zeigt, besitzt Bollorés Sohn die Firma Havas, die unter anderem Anzeigen in der Presse platziert. Nachdem die berühmte Tageszeitung Le Monde eine Recherche über Bolloré und seine unsauberen Geschäfte in afrikanischen Ländern veröffentlicht, kommt die „Strafe“ prompt. Mit einem Mal werden keine Anzeigen mehr in der Zeitung geschalten – ein wichtiges finanzielles Standbein auch für Le Monde. 16 Millionen Euro Schaden sollen der französischen Tageszeitung entstanden sein. Wenige Monate später veröffentlicht Le Monde ein Dossier über Bolloré und seine Arbeit, wo er in höchsten Tönen hofiert wird. In „Media Crash“ streitet die Chefredaktion einen Zusammenhang ab. Klar ist trotzdem: Der finanzielle Druck durch Mächtige wie Bolloré ist so erheblich, dass er selbst für große Medien existenziell sein kann.

Rechtsextremer Kandidat im Fernsehen hofiert

Es ist kein Geheimnis, dass Bolloré den rechtsextremen Kandidaten Éric Zemmour unterstützt und groß gemacht hat. 2019 bekommt der mehrfach für Rassismus verurteilte Zemmour bei der TV-Abendsendung Face à l‘info auf CNews zwischen 19 und 20 Uhr als Journalist und Kolumnist einen festen Sendeplatz – eine Stunde täglich. Damals ist noch nicht klar, dass er für die Präsidentschaftswahlen kandidieren wird. Fest steht aber: Seine trumpsche Art hat Erfolg. Die Einschaltquoten der Sendung verdreifachen sich. „Alle jungen Leute, so wie der Rest der Eingewanderten“ müssten Frankreich verlassen, sagte Zemmour 2021 in ebendieser Sendung. „Doch nicht alle?“, fragt da sogar die Moderatorin nach. „Alle! Alle!“, ruft Zemmour echauffiert. „Sie haben hier nichts zu suchen. Sie sind Diebe, Mörder, Vergewaltiger. Man muss sie zurückschicken.“ Ein Statement, das die Justiz auf den Plan rief. CNews musste sich nur deshalb nach zweijähriger Zusammenarbeit von Zemmour trennen – nicht aus eigener Entscheidung.

Halb so schlimm. In zahlreichen anderen Talkshows, und insbesondere solchen auf Fernsehsendern von Bolloré, erhielt der 63-Jährige mit über 44 Prozent einen Monsteranteil an Redezeit aller Kandidat:innen. Wo Marine Le Pen sich jahrelang Mühe gegeben hatte, von dem grobschlächtigen Image ihres Vaters loszukommen und ihre Partei stubenrein zu machen, kam auf einmal der noch viel grobschlächtigere Zemmour daher. Der Name seiner Partei, „Rückeroberung“, ist eine direkte Anspielung auf die faschistische Theorie des großen Bevölkerungsaustauschs. Sie suggeriert, dass Frankreich bereits „besetzt“ oder „erobert“ sei von fremden Kräften.

Zemour und Le Pen haben sich inhaltlich verstärkt

Auch wenn sie faktisch Konkurrenten sind, haben Zemmour und Le Pen sich insofern gegenseitig gestärkt, als sie gemeinsam mehr rechtsextreme Inhalte in die Öffentlichkeit getragen haben – jeder auf seine Weise. Zemmour mit dem Vorschlaghammer, Le Pen charmant-intelligent. Sie sei nicht gegen den Islam, sondern gegen Islamismus. Nicht gegen Einwanderer, sondern gegen Einwanderung. Das hat in der Praxis zwar nichts zu bedeuten – wie Zemmour ist auch Le Pen etwa für die Ausweisung von ausländischen Straftätern und solchen, die länger als ein Jahr arbeitslos sind. Faktisch schafft eine solche Rhetorik aber das Image einer Parteichefin, die um Differenzierung bemüht ist. Auch in TV-Debatten gibt sie sich besonnen.

Die Zeit, die den Präsidentschaftskandidat:innen in der Talkshow „Touche Pas à mon Poste“ auf CNews jeweils gewidmet wurde, in Prozent. Zwischen September und Dezember 2021. Erhebung durch Médias Election 2022, Claire Sécail

Das Zusammenspiel dieser beiden unterschiedlichen Strategien hat offenbar zu einer  „Normalisierung rechtsradikaler Ideen“ in der französischen Medienlandschaft beigetragen, wie es eine Studie der Jean-Jaurès Stiftung formuliert. Doch auch Moderator:innen sind daran nicht unschuldig. Gerade im Fernsehen hat sich zunehmend eine Mentalität des Unkritischseins ausgebreitet.

Auf Wunsch von Macron keine TV-Konfrontation

Am 14. März läuft auf TF1, dem größten französischen Fernsehsender und auf dem ersten Programm einschaltbar, eine Sendung mit acht der zwölf Präsidentschaftskandidat:innen. TF1 ist jener Sender, der der Unternehmerfamilie Bouygues gehört. Ganz auf die Wünsche des Präsidenten Macron zugeschnitten, gibt es in dieser über zweistündigen Sondersendung keine Debatte oder Konfrontation unter den Kandidat:innen. Stattdessen werden alle einzeln vorgelassen und von zwei Moderator:innen befragt. Die erste Person, die auftritt: Marine Le Pen. Es wird nicht transparent gemacht, wie es zu dieser Reihenfolge kommt. Sie ist jedenfalls weder alphabetisch noch mit  Prozentzahlen in Umfragen begründbar.

Vor allem aber wird die 53-jährige nicht etwa journalistisch in die Mangel genommen. Da kommt mal die pseudoprovokative Frage, ob sie mit ihrer Nähe zu Putin nicht komplett falsch gelegen habe. Ein Vorwurf, den sie souverän wegwischt: Diplomatie sei auch heute notwendig, um den Krieg zu beenden. Sie ist rhetorisch so gewandt und ihre Gegenüber derart uninformiert, dass es zu keinem scharfen Wortwechsel kommt.

Vor allem aber gibt es keine einzige Frage oder Bemerkung darüber, dass ihr Programm rassistisch ist, dass ihre Partei antidemokratische Werte vertritt. Ihre Hetze gegen Ausländer:innen und den Islam – nichts davon kommt vor. Genauso passiert es auch mit Zemmour, der später auch einen Auftritt hat.

Als Zemmour am 30. November 2021 seine Kandidatur für die Präsidentschaftswahlen bekannt gibt und mit viel medialem Tamtam einen pathetischen Werbespot dazu veröffentlicht, wird er zur Primetime in den 20-Uhr-Nachrichten auf TF1 großformatig interviewt. Es handelt sich um eine der meist eingeschalteten Sendungen in Europa, vergleichbar mit der Tagesschau in Deutschland oder der ZIB 1 in Österreich. Die Fragen des Moderators beginnen fast alle mit den Worten: „Herr Zemmour, wenn Sie Präsident wären, würden Sie dann…?“. Ein Konjunktiv mit hoher Suggestivkraft. Die „kritischen Nachfragen“ in diesem Gespräch beschränken sich wiederum auf reine Formalien und Geplänkel. Dass Zemmour einem Mann den Mittelfinger gezeigt hat, der ihn beschimpft – ob sich das wohl mit dem Staatsmännischen vereinen ließe, will der TF1-Moderator wissen. Oder: Dass er in seinem Werbespot Bilder verwendet hat, für die ihm die Lizenzen fehlen. Es geht um Zemmours Auftreten und um coypright-Lappalien.

Was nicht zur Sprache kommt: Dass der 63-Jährige die Theorie des Völkeraustauschs unterstützt, arabische Nachnamen verbieten will oder dass er die NS-Kollaboration des Vichy-Regimes verharmlost hat.

Auf diese Art hat nicht nur Le Pen, sondern haben auch einflussreiche Medien rechte Ideen zunehmend salonfähig gemacht. Hinzu kommen einige medienpräsente Intellektuelle, die teilweise ähnliche Ideen vertreten, wie etwa die Philosophen Alain Fienkelkraut oder Michel Onfray, die Schriftsteller Michel Houellebecq oder Renaud Camus – letzterer hat mit seiner Theorie des „großen Bevölkerungsaustauschs“ die rassistischen Terroranschläge von Christchurch in Neuseeland inspiriert.

Kurz vor der ersten Wahlrunde versuchen Linke in den sozialen Medien noch einen Endspurt hinzulegen: Wählt jetzt Mélenchon, um Le Pen in der Stichwahl zu verhindern, lautet der Aufruf. Mélenchon hat es immerhin auf 22 Prozent geschafft, gereicht hat es dennoch nicht.

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Axel
Axel
15. April 2022 12:55

Hätte Hidalgo statt aussichtslos zu kandidieren für Melenchon aufgerufen, wäre wohl dieser in der Stichwahl. Dann wäre es keine Wahl zwischen neoliberal & rechtsradikal, was für viele Menschen wenig Unterscheid macht, sondern zwischen einem Linken und Macron. Ein politisches Erdbeben in der EU!

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Privatstiftungen sollten ursprünglich einem gemeinnützigen Zweck dienen, etwa in den Bereichen Soziales, Bildung oder Kultur. Doch heute sind sie vor allem ein beliebtes Werkzeug, um Vermögen zu sichern und Steuern zu vermeiden. Sie sind besonders beliebt bei den Reichsten der Reichen – auch weil sie kaum von den Steuerbehörden kontrolliert werden. Zitat: Privatstiftungen sind eine Rechtsform, die beinahe ausschließlich von den Reichsten der Reichen genutzt wird. 40 Prozent aller Privatstiftungen befinden sich im unmittelbaren Umfeld der 60 reichsten Familien. Sie werden von Superreichen benutzt, um ihr Vermögen vor Steuerbehörden zu verschleiern. Auch deshalb weil drei Viertel aller Privatstiftungen überhaupt noch nie von den Steuerbehörden kontrolliert worden sind. Stephan Pühringer
Privatstiftungen sollten ursprünglich einem gemeinnützigen Zweck dienen, etwa in den Bereichen Soziales, Bildung oder Kultur. Doch heute sind sie vor allem ein beliebtes Werkzeug, um Vermögen zu sichern und Steuern zu vermeiden. Sie sind besonders beliebt bei den Reichsten der Reichen – auch weil sie kaum von den Steuerbehörden kontrolliert werden. Zitat: Privatstiftungen sind eine Rechtsform, die beinahe ausschließlich von den Reichsten der Reichen genutzt wird. 40 Prozent aller Privatstiftungen befinden sich im unmittelbaren Umfeld der 60 reichsten Familien. Sie werden von Superreichen benutzt, um ihr Vermögen vor Steuerbehörden zu verschleiern. Auch deshalb weil drei Viertel aller Privatstiftungen überhaupt noch nie von den Steuerbehörden kontrolliert worden sind. Stephan Pühringer

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