Es ist amtlich: Der Finanzminister hat einen Beschluss des VfGH vorsätzlich nicht befolgt, indem er zwei Monate lang der Anordnung, Mails vorzulegen, nicht nachgekommen ist. Das ist ein Verstoß gegen Verfassungsrecht. Noch nicht amtlich ist, dass er mit der Vorlage von Ausdrucken ein zweites Mal seine verfassungsrechtliche Pflicht verletzt. Verfassungsexperte Manfred Matzka kommentiert.
Vorweg: Man darf sich vom Vernebelungsversuch nicht verwirren lassen, dass der Datenschutz und die Fürsorgepflicht des Ministers hier von Relevanz wären. Es gibt einen eindeutigen Beschluss, und der ist umzusetzen. Es ist ja auch egal, warum ich meine Steuer nicht bezahlen konnte – wenn exekutiert wird, muss ich zahlen. Der Minister hatte nicht zu prüfen, ob man da vielleicht irgendwie rauskommen oder was uminterpretieren könnte.
Man darf sich auch nicht vom türkis-grünen Spin täuschen lassen, „das Bundesministerium“ sei zur Aktenlieferung verpflichtet gewesen, „das BMF“ habe zunächst nicht geliefert, nach Exekutionsandrohung aber ganz rechtskonform gehandelt. Das verantwortliche Organ ist immer der Minister, und nur er. Und eine verspätete Lieferung ist nicht mehr rechtskonform.
Weigern sich die Obersten, die Verfassung zu befolgen, wankt die Demokratie
Wenn der Finanzminister gegen die Verfassung verstößt, wiegt das schwerer als ein Gesetzesverstoß eines Bürgers, denn ein Minister ist ausdrücklich und feierlich auf die getreuliche Beachtung der Verfassung vereidigt. Und dieser Eid bedeutet nicht, dass er keinen Widerstand leisten wird, wenn man ihn bei einem Gesetzesbruch ertappt und Exekution führt, sondern er hat gelobt, gar keinen Gesetzesbruch zu begehen.
Eine Verfassung lebt davon, dass die Staatsorgane immer und aus freien Stücken das tun, was ihnen das Recht befiehlt. Das ist vor allem für oberste Organe wichtig. Wenn sich nämlich diese nicht an die Regeln halten, droht ein Zusammenbruch des gesamten Systems. Ein Nationalrat, der nicht zusammentritt, ein Bundespräsident, der keinen Kanzler ernennt, ein Kanzler, der den Wahltermin nicht kundmacht – solche Konstellationen können blitzartig eskalieren und das ganze Gefüge zum Einsturz bringen. Man hat 1933 gesehen, wie schnell das gehen kann.
Die jetzt angewendete Exekutionsbestimmung ist ja nur mehr die Notbremse, die allerletzte Antwort auf eine Konstellation, die es im Rechtsstaat gar nicht geben darf. Nämlich, dass sich ein oberstes Organ nicht verfassungstreu verhält. Es war gewissermaßen ein Glücksfall, dass es diese Exekutionsbestimmung bei den Entscheidungen des Verfassungsgerichtshofs (VfGH) gibt. Bei vielen anderen denkbaren Verfassungsbrüchen gibt es eine solche nicht und dort kommt es dann durchaus darauf an, dass sich die Staatsorgane strikt an das Recht halten.
Blümel bricht die Verfassung erneut
Die Nichtbefolgung eines VfGH-Entscheids durch einen Minister ist ein Verfassungsbruch, nichts weniger als das. Und sie bleibt ein Verfassungsbruch, auch wenn der Minister angesichts einer bevorstehenden Exekution nachbessert. Und es ist – wenn man diese „Nachbesserung“ genauer ins Auge fasst – wieder ein Verfassungsbruch, wenn der Entscheidung des VfGH in nicht adäquater Weise nachgekommen wird. Um beim oben strapazierten Bild zu bleiben:
Wenn der säumige Steuerzahler kein Geld einzahlt, sondern seine Rolex ans Finanzamt schickt, beseitigt das seine Steuerschuld nicht.
Nun hat der Finanzminister (wenn die publizierten Statements des VfGH korrekt sind), einige Mail-Postfächer vorzulegen. Wie jeder weiß, ist ein Mail ein elektronischer Vorgang und kein Papier; man kann einen elektronischen Ordner zur Gänze oder nur teilweise ausdrucken, ohne dass man aus den Ausdrucken erkennen kann, ob er vollständig ausgedruckt wurde; man kann ein Mail vor dem Ausdrucken verändern, ohne dass eine solche Veränderung aus dem Ausdruck erkannt werden kann. Übersendung von Papier ist evident nicht die Übermittlung elektronischer Postfächer. Es scheint daher durchaus so, als habe jemand die Uhr statt dem Geld geschickt.
Ministeranklage verpflichtend
Damit wären wir aber beim nächsten Verfassungsbruch. Die Verfassung hat für einen solchen Verstoß vorgesehen, dass die Verantwortlichkeit eines Ministers für eine im Amt erfolgte schuldhafte Rechtsverletzung durch Ministeranklage geltend gemacht werden kann. Diese erfolgt durch Beschluss des Nationalrates, der da eigentlich nicht einmal den Ermessensspielraum hat, nicht anzuklagen. Die Voraussetzungen für eine Anklage sind gegeben, wenn ein Minister einer VfGH-Entscheidung schuldhaft nicht Folge leistet, bei einem wiederholten Verstoß wird man geradezu eine Verpflichtung zu einer Anklage annehmen müssen.
In der Verfassungsrealität spielt hier allerdings nicht nur die Rechtslage, sondern auch die Mehrheitskonstellation im Nationalrat eine Rolle. Es entspräche daher dem Geist der Verfassung, dass der Nationalrat dazu die Abstimmung geheim durchführt, um den politischen Druck des Fraktionszwangs zu neutralisieren.
Dr. Manfred Matzka war ab 1999 bis 2016 Präsidialchef des Bundeskanzleramtes und zuletzt persönlicher Berater der Bundeskanzlerin Brigitte Bierlein. Der promovierte Jurist war seit 1980 im Bundesdienst und für Personal, Recht, e-Government, Verwaltungsreformprojekte und die Koordinierung des Bundeskanzleramts ebenso zuständig wie für ressortübergreifende Organisation. Derzeit ist Matzka Aufsichtsratsvorsitzender der Bundestheater-Holding und Vizepräsident von Austrian Standards. Für Kontrast kommentiert er das Corona-Management und das innenpolitische Geschehen.
Und warum schreitet hier der Bundespräsident nicht ein? Der müsste nach den bisherigen Vorfällen die Regierung sofort entlassen!!!
tja das stimmt leider, langsam gerät die Demokratie wirklich in Gefahr, wir müssen uns gegen die Partie wehern, anfangen kann man zB hier : https://mein.aufstehn.at/p/thomas-schmid-ist-untragbar bitte unterschreiben, danke!
Schon erledigt und mehrfach geteilt!
Aber bitte, schaut einmal wie unschuldig und treu er da steht. Christlich sozial eben und der Familie treu. Darf eh alles tun. Order von ganz oben.