Bildung

Golfplätze und Bauhäuser öffnen. Was ist mit den Schulen?

Woche fünf des Corona-Shutdowns. Seit gestern sind kleine Geschäfte, Baumärkte und die Bundesgärten wieder geöffnet. Tausende Menschen gehen wieder in die Arbeit. Ihre Kinder können sie derweil wieder in die Schulen schicken. Für die anderen 99 Prozent der Kinder und Jugendlichen und deren Eltern heißt es: abwarten. Denn Bildungsminister Faßmann und die Bundesregierung hüllen sich über ihre Pläne in Schweigen.

Wann die Schulen wieder öffnen, ist nach wie vor unklar. Was das für Auswirkungen für die Schülerinnen und Schüler hat, auch. Die Regierung nimmt sich dieser Verantwortung nicht an. Eine Diskussion darüber findet nicht statt. Stattdessen hat die Regierung den Bildungsminister mit einer weitreichenden Vollmacht ausgestattet – wann die Schulen aufgesperrt werden und wie zwischen sozialen und gesundheitlichen Folgen abgewogen wird, das obliegt alleine ihm.

Indessen müssen die Schülerinnen und Schüler und ihre Lehrerinnen und Lehrer den Unterricht digital fortsetzen – von zuhause. Dass weder Lernende noch Lehrende darauf vorbereitet sind, dass jedes fünfte Kind in sehr beengten Verhältnissen wohnt und oft Laptops oder Tablets fehlen, das ist auch in Woche fünf des Lock-Downs noch ungelöst.

ExpertInnen warnen: Nur jene Kinder, die bereits firm sind mit neuen Medien, können diese auch nutzen. Die es bis jetzt nicht können, denen können in der Regel auch die Eltern nicht helfen.

Jedes 16. Kind meldet sich überhaupt nicht mehr bei den Lehrerinnen und Lehrern zurück – weder auf Anrufe, noch auf E-Mails, wie Bildungsminister Faßmann angibt. Das sind meistens vor allem jene Kinder, die ohnehin schon mit Schwierigkeiten in der Schule kämpfen. Allein in Vorarlberg konnten die Lehrerinnen und Lehrer 2.000 ihrer SchülerInnen nicht erreichen. Das sind bedenkliche Zahlen.

Dänemark geht andere Wege

Dass Entscheidungen auch anders getroffen werden können, zeigt Dänemark: Zwar gab es ähnlich strenge Maßnahmen bereits ab dem 11. März, jedoch hat die sozialdemokratische Regierungschefin Mette Frederiksen eine „erste vorsichtige Phase der Öffnung“ angekündigt. Und diese beginnt nicht mit der Öffnung des Handels, sondern der Bildungeinrichtungen.

Seit heute sind Kinderkrippen, Kindergärten, Volksschulen und Unterstufen wieder für den Regelbetrieb geöffnet. Die sozialdemokratische Regierung hat strenge Auflagen, wie etwa die Desinfektion des Spielzeugs oder eine Höchstzahl an Kindern, ausgegeben. Die Pausen finden versetzt statt, die Kinder sitzen versetzt im Raum.

„Die Kinder haben sich wahnsinnig gefreut, ihre Freunde und Kameradinnen wiederzusehen“, so eine Verantwortliche.

Die Kinder sind dabei sehr verantwortungsbewusst: „Ab sechs Jahren kann man das den Kindern erklären. Sie sind sehr vernünftig; vernünftiger, als wir das immer glauben.“ Um den Kindern genügend Raum zu geben, wurde die Regierung kreativ: Neben den Oberstufen-Klassenräumen lernen die Kinder nun auch in Museen, Vereinsräumen und Gemeindehäusern.

Auch Finnland folgt einem ähnlichen Zeitplan. Hier geht der Unterricht ab 20. April wieder los. Frankreich ist später dran, gibt den Eltern, LehrerInnen und Schülerinnen aber wenigstens Gewissheit: Ab 11. Mai gibt es wieder regulären Unterricht.

Faßmann will sich nicht festlegen

Österreichs Regierung lässt sich hingegen Zeit, wenn es um klare Ansagen zur Schulöffnung geht. Das einzige, was bisher sicher ist: Die Matura wird ab 25. Mai stattfinden – allerdings ohne mündlichen Teil. Zur Vorbereitung dürfen die MaturantInnen ab 4. Mai wieder zur Schule. Wann alle anderen Kinder und Jugendlichen wieder regulär lernen dürfen, sagt derzeit niemand. Auch ein Stufenplan zur schrittweisen Öffnung – wie etwa im Handel oder bei den Sportstätten bis hin zu Golfplätzen – liegt nicht vor.

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Wann die Klassenräume wieder gefüllt sind, ist bis auf Weiteres unklar.

Dafür hagelt es Kritik aus der Zivilgesellschaft und von der Opposition, wie zum Beispiel von Wiens Bildungsstadtrat:

Zweidrittel der Eltern überfordert

Laut einer Umfrage, die Bildungsminister Faßmann in Auftrag gegeben hat, stellt das Lernen zu Hause nur für ein Drittel der Eltern kein Problem dar. Für ein weiteres Drittel gibt es geringe, für das dritte Drittel erhebliche Probleme. Die Eltern hätten gern Gewissheit, wie es weitergeht. Auch das könnte die familiäre Belastung durch Heimunterricht und gleichzeitiger Arbeit reduzieren.

Obwohl die Schulen seit vier Wochen geschlossen sind, werden die Schüler das Jahr voraussichtlich regulär abschließen müssen – samt negativer Beurteilung und Sitzenbleiben. Die SPÖ-Forderung, Sitzenbleiben im Corona-Jahr auszusetzen, um Druck aus den Familien zu nehmen, hat die Regierung abgelehnt.

Nur 1 Prozent nutzt Betreuungsmöglichkeit

Daher ist auch die Situation für die Lehrerinnen und Lehrer nicht leicht: Während ExptertInnen raten, „den Druck rauszunehmen“, fordern Schulleitung und Bildungsministerium weiterhin im Stoff voran zu kommen, so eine Volksschullehrerin aus Wien-Meidling gegenüber der APA: „Ihr werdet weiter bezahlt, ihr müsst leisten“, sei die Devise.

Sie fürchtet, eine Verlängerung der Schulsperren nach Ostern werde die Eltern vielfach an die Grenzen bringen: „Das Konfliktpotenzial wird größer, die Frustrationstoleranz geringer.“

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Nicht alle Kinder haben zu Hause jemanden, der mit ihnen lernt.

Auch die Bundesjugendvertretung mahnt in einer Aussendung, die Schulschließungen nicht überzustrapazieren. Schließlich gehe es hier auch um das Wohl der Kinder – vor allem jener Kinder, die beim Lernen auf sich gestellt sind, weil ihre Eltern sie nicht unterstützen.

„Während manche Kinder gewonnene Zeit mit ihren Eltern im Garten genießen können und Unterstützung für Home Schooling erhalten, wissen andere Familien nicht, wie sie den Alltag bewältigen sollen.“

Wien fordert die Eltern auf, ihre Kinder auch dann in die Bildungseinrichtungen zu schicken, wenn die Luft zu Hause dick wird. Doch Unterrichtsminister Fassmann urteilt anders: „Die Schule kann beurteilen, ob es sich um Abschieben seitens der Eltern handelt oder um benötigte Betreuung.“ Auch diese Haltung der Regierung könnte ein Mitgrund dafür sein, dass die Betreuungsquote an den Schulen bei unter einem Prozent liegt. Keine Familie will als die Familie dastehen, die es nicht schafft oder ihr Kind „abschiebt“.

Keine Laptops für Neue Mittelschulen

Ein großes Problem ist auch die Ausstattung mit Laptops und Internet: Die Regierung wurde hier erst nach Wochen aktiv und kam erst spät der Forderung nach, die Schülerinnen und Schüler mit Laptops und Tablets auszustatten. Die SPÖ hatte darauf gedrängt. Jedoch hat sich die Regierung nicht um alle gekümmert: Nur Schulen in Bundes-Zuständigkeit sind mit bis zu 12.000 digitalen Endgeräte versorgt. Pflichtschulen, die dem Land unterstellt sind, schauen durch die Finger.

Das betrifft gerade jene Schulen, in die oft die Kinder weniger betuchter Eltern gehen: Berufsschulen, Neue Mittelschulen und polytechnische Schulen.

Auch Volksschulen und Kindergärten hängen von der Tätigkeit der Bundesländer ab. Und die ist sehr verschieden ausgeprägt.

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PflichtschülerInnen müssen – je nach Bundesland – noch auf ihre PCs warten.

„Pflichtschulen quasi Ländersache“

Der Wiener Bildungsstadtrat hat bereits 5.000 Laptops und gratis Microsoft Office 365 für alle PflichtschülerInnen und ihre LehrerInnen und eine Ausweitung der Gratis-Lernhilfe aufgestellt. Das Land Vorarlberg hat durch eine Spendenaktion 1.000 Geräte gesammelt, die ab kommender Woche verteilt werden. Die Steiermark, Salzburg und Niederösterreich machen erst einmal eine Bedarfserhebung. Im Gegensatz zur Regierung wollen die meisten Länder die Geräte nicht verleihen, sondern verschenken, damit die bedürftigen Kinder auch nach der Krise versorgt sind.

Oberösterreich kündigte erst letzte Woche – fast einen Monat nach der Schulschließung – an, etwas zu tun, um jene Kinder zu erreichen, die bislang nicht kontaktiert werden konnten. Es handle sich bei den 586 SchülerInnen vorrangig um „rumänische Migrantenkinder“, die das Land vermutlich verlassen hätten, so die schwarz-blaue Landesregierung. Vorarlberg wurde hier weitaus früher aktiv. Man konnte die Anzahl der nicht erreichten Kinder durch den intensiven Einsatz von Betreuungspersonal von 2.000 auf 200 senken.

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Nicht alle Kinder haben einen Laptop zur Verfügung

Ministerium muss handeln

Die Länder sind überfordert und fühlen sich mit der Situation alleingelassen. Die Beschaffung der Geräte gestaltet sich fast einen Monat nach Beginn des Lockdowns schwierig. Nachdem sich viele Firmen schon zu Beginn für Homeoffice ausgestattet haben, gibt es kaum noch Geräte auf dem Markt. Der für Bildung zuständige Kärntner Landeshauptmann Peter Kaiser (SPÖ) ging bis Donnerstag davon aus, dass der Bund die Computer zur Verfügung stellt.

ÖVP-Bildungsminister Heinz Faßmann habe in seiner Pressekonferenz die Pflichtschulen „quasi zur Ländersache erklärt“. Zusammen mit Wien und dem Burgenland fordert man nun die Regierung auf, die Länder zumindest bei der Beschaffung zu unterstützen. Wer rechtlich tatsächlich zuständig ist, darüber sind sich RechtsexpertInnen nicht einig. Derweil fordern auch ElternvertreterInnen den Bildungsminister zum einheitlichen Handeln auf. Man habe nicht die Zeit zu warten, bis neun Strukturen aufgebaut sind. Das Bundesministerium sieht sich nicht in der Pflicht, für die Pflichtschulen aktiv zu werden.

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xx1xx
xx1xx
20. April 2020 07:21

Jetzt vergleicht man Scbulen bereits mit Golfplätzen und kleinen Geschäften! Die Sorge gilt dem noch ausstshenden geschenkten Laptop, nicht der Gefahr durch Ansteckungen. Zjm Glück sind solche Leute nicht in unserer Regierung.
O tempora, o mores!

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