Der Chef aller Märkte, vom Viktualienstand bis zur Wallstreet ist ein agiler Gesell. Er heisst nicht Nasdaq, nicht Nikkei, nicht Dax, Hang Seng oder Dow Jones. Er trägt weder Greißlertracht noch Brookerkluft und auch keinen Slimfit-Anzug sondern schlicht und einfach gar nichts. Der oberste Marktschreier ist nackt bis über die Augenbrauen. Auf dem Kopf trägt er den Petasos, einen schlappkrempigen Seppelhut aus Filz. Aussergewöhnlich an der Bauernmütze sind allenthalben die daran angebrachten Asterixflügel. Der Name des Unbekleideten: Merkur.
Als Häuptling allen Kommerzes ist Merkur, der Götterbote der römischen Mythologie, ein ganz und gar weltlicher Jüngling. Der Sohn von Maia Maiestas (der Frühlingsgöttin Fauna) und dem Chef aller Chefs, Jupiter, ist zwar nackt und stets in Eile, aber von Berufswegen Gott des Handels, des Profits und des Reisens. Für die bildliche Vorstellung, die sich die Antike von ihm machte, brauchte der Märkte-Führer Flügel am Hut.
Für die alten Römer und alle lateinkundigen Zeitgenossen war klar, woher Merkur seinen Namen hatte. Von merx, der Ware.
Der Platz, wo solche merces, Waren getauscht wurden, hieß folglich mercatus, Markt. Merx, mercatus, Markt und andere indoeuropäische Begriffe für das, was die Orientalen als Basar kennen, kommt vermutlich von den Preisbezeichnungen auf den Merces, Waren. Die darf man sich in frühen merkantilen Kulturen nicht wie unsere heutigen, mit Strichcodes versehenen Papierkleberchen vorstellen. Die merces, Waren waren merces, weil sie markiert waren. Die Waren waren also etwas Markiertes. Güter aller Art, von ihren Produzenten und Händlern mit einer Marke ausgestattet.
In den meisten indoeuropäischen Sprachen klingt indes auch die Wurzel für “Rand” oder für “Abteilung” wie “Marke”, “Mark” nämlich. Das Wort steckt heute noch in den Namen der Randgebiete des ehemaligen Heiligen Römischen Reichs (Deutscher Nation), in der Dänemark, der Mark Brandenburg, der Steiermark und bezeichnenderweise auch in der früheren Währung unserer deutschen Nachbarn. Die „Mark“ war usprünglich eine im nordeuropäischen Handel gebräuchliche Gewichtseinheit gewesen, die ähnlich dem Pfund zu einer Währung wurde.
Weil Mercurius, der Gott des Handelns schnell unterwegs war, von Markt zu Markt, wie sich vermuten lässt, stand er auch Pate für alchemistische Konnotationen. So heißt der sonnennächste und schnellste aller Planeten, der in einem Jahr von nur 88 Tagen um unser Zentralgestirn läuft, ebenfalls Merkur.
Nicht genug damit. Quecksilber, jenes silbrigglänzende Metall, nannten die mittelalterlichen Alchemisten wegen seiner Quirligkeit – und vermutlich auch wegen seiner edlen Farbe ebenfalls nach dem Götterboten. Und ganz viel später wird der indisch-parsische Sänger Farrokh Bulsara den Namen des Planetengottes aufgreifen und sich als Frontman der Glamrock-Gruppe Queen „Freddie Mercury“ nennen.
In der Wirkgeschichte des Marktgottes Merkur finden wir noch mehr Bekanntes. Den Mittwoch zum Beispiel. Empfiehlt sich dieser Tag doch als günstiger Tag für alle Arten von Termingeschäften, Börsenspekulationen, Firmenmerger und Blumenkäufe, für eBay-Deals, Flohmarktbesuche, Supermarktvisiten und sonstige Tauschhändel. Bevor wir nämlich zu unserem mundanen “Mittwoch” fanden, nannten wir den mittleren Tag der Woche, ähnlich wie beim englischen Wednesday nach dem Germanengott Wotan. Altenglisch hiess der handelnde Wüterich „woden“, woher „wodnesdæg“ also „wednesday“, „Wotanstag“ kommt. „Merkurtag“, die romanische Entsprechung des germanischen „Wotanstag“ lebt weiter in den romanischen Wochentagen, dem französischen „mercredi“ oder dem italienischen „mercoledi“.
Allen guten Geschäften zum Trotz galt der Mittwoch im Volksglauben als Unglückstag. Er war der Tag für „stille Hochzeiten“ (zum Beispiel für gefallene Mädchen). Das hatte Gründe: Nach der Lehre der orthodoxen Kirche war der Mittwoch der Tag, an dem Judas Ischariot Jesus Christus verkaufte.
Für die Hutmacherzunft war Merkur, der oberste Hutträger überhaupt ein todbringender Gesell. Um properes Filz für Hüte herzustellen, arbeiteten die Hutmacher in früheren Zeiten mit Quecksilbersalzen. Über die toxischen Qualitäten von „mercurium“, also Quecksilber gab es damals nur unzureichende Erkenntnis. Die Symptome von Quecksilbervergiftungen, unkontrollierte Nervenzuckungen, Zittern und Halluzinationen trugen terminal vergifteten englischen Hutmachern jedenfalls den bösen Spitznamen “mad hatter” ein – verrückte Huterer. Ob Merkurius, der oberste Marktmeister und passionierter Filzhutträger auch unter Visionen und verrückten Zuckungen litt?
Seine postmoderne Entsprechung erfährt Merkur in jeder Hinsicht im Typus des überagilen Terminbörsenfuzzi. Nur den Hut hat der Marktmaniker von heute abgelegt. Seine Krempe würde den Blick auf die Anzeige-Tafeln erschweren. Der kurze Slogan „Jetzt. Oder nie“ ist sein trügerisches Credo. Können hochfliegende Kurse doch auch rasch wieder fallen.
Mir fehlt lediglich, dass Merkur auch der Gott der Diebe ist.
Wird bedacht, dass die Summe über alle Konten IMMER Null ist, bedeutet erfolgreiches Handeln (vereinfacht), dass Handelspartner das Geld verlieren, das den eigenen Gewinn darstelt.
Bei Dieben ist dieses Prinzip optimiert.
Erstklassig in der Mythologie recherchiert und die Astrologie spielt mit . Merkur hat wesentlichen Einfluss astrologisch und esoterisch. Es gäbe da noch viel zu sagen zum Schutzherrn der Handlungsreisenden Geschäftsleuten aber auch denen die Lügen und Betrügen. Die Gegenseite der Begabung etwas anderen aufzuschwatzen und zu verhökern.Lesen Sie doch noch bei Paracelsus nach was dieser zu Merkur und seinen entsprechenden Pflanzen und Quecksilber zu sagen hat. Gruss W. Musil
Ich mag solche Betrachtungen, sie erweitern mein Bild vom Heute in die Vorzeit.
sagt die faketrulla , schleich dich um die häuser du schiaches gfrast