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100% erneuerbare Energieversorgung wäre möglich – ohne Öl-Lobby

Solarenergie, Erneuerbare Energie, Photovoltaik, Energiewende, Klimaschutz, Solarschafe, Sonnenenergie

© Wien Energie/Michael Horak

Lena Krainz Lena Krainz
in Energie
Lesezeit:5 Minuten
15. März 2022
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Österreich könnte in 20 Jahren sämtliche Energie aus erneuerbaren Quellen beziehen, sagt der Energieexperte Dr. Fritz Binder-Krieglstein. Verhindert wird das vor allem durch die Lobbyarbeit der Öl- und Gaskonzerne, erklärt der Experte im Kontrast-Interview.

Die Energiepreise sind derzeit so hoch wie schon lange nicht mehr. Überall diskutieren Expert:innen die Ursachen und Maßnahmen gegen die hohen Kosten. Kontrast hat dazu mit dem Energieanalytiker Marc Hall  über die Abhängigkeiten von russischem Gas und der Schwierigkeit der Energiewende gesprochen. Der Energieexperte Binder-Krieglstein widerspricht seinen Einschätzungen.

Kontrast: Könnte Österreich in den nächsten 30-40 Jahren in Sachen Energieverbrauch klimaneutral werden?

Erneuerbare Energieversorgung Österreich
Energieexperte Fritz Binder-Krieglstein

Binder-Krieglstein: Ich bin seit mehr als zwei Jahrzehnten in dem Bereich tätig und beschäftige mich hauptberuflich mit der Energiewende. Und ich würde auf die Frage mit einem klaren „Ja“ beantworten. Es wäre sogar in 20 Jahren möglich. Auch wenn das einige überraschen wird.
Den Welt-Jahresenergiebedarf schickt die Sonne in 3 Stunden. Wir haben kein Energieproblem, was das Angebot an erneuerbarer Energie betrifft.
Dazu kommt noch Wind, Wasser, Biomasse, Geothermie/Erdwärme.
Eine Studie der Energywatchgroup und der LUT-Universität in Helsinki von 2019 kommt zu dem Ergebnis, dass die Wende zu 100 Prozent erneuerbarer Energie in wenigen Jahrzehnten weltweit vollziehbar wäre.
Eine andere Studie von der University of Irvine hat sich das in Bezug auf den Weltstrombedarf angesehen. Auch sie kommt zu dem Schluss, dass über 90 Prozent des weltweiten Strombedarfs aus Wind und Sonne abgedeckt werden könnte.

Ist das denn finanzierbar? Die Alternativenergie-Erzeugung ist doch viel teurer als aus Öl, Gas und Kohle?

Binder-Krieglstein: Nein, aus mehreren Gründen rentiert sich das auch ökonomisch. Der letzte Weltjahresenergiebericht der IEA – einer Organisation der UNO – zeigt, dass die billigste Stromerzeugung Wind- und Solarenergie ist. Es handelt sich demnach um eine Energiewende von fossil-atomar hin zu effizient und erneuerbar.
Die Primärenergiequellen Öl, Gas und Kohle sind nicht gratis. Die Primärenergie bei Sonne und Wind hingegen schon. Natürlich kostet die Ernte etwas, aber die primäre Energiequelle wird immer kostenlos sein. Auch die Preis-Schwankungen sind viel geringer. Bei Heizöl etwa sind die Schwankungen in den letzten 15 Jahren sehr stark gewesen.


Die Preise für Heizöl unterlagen in den letzten Jahren starken Schwankungen. (Quelle: Propellets)

Die Energiewende ist zugleich eine Stromwende. Wenn wir uns die Stromversorgung ansehen, zeigen sich auch effizientere und damit günstigere Möglichkeiten. Seit 15 Jahren vollzieht die Wärmepumpe einen Siegeszug, auch weil sie sehr effizient ist. Die funktioniert wie ein umgekehrter Kühlschrank – erzeugt also mit Strom Wärme. Damit geht ein Rückgang von Ölheizungen in Wohnungen einher.

Auch die Wende in der Automobilität von Verbrennungsmotoren hin zu Elektroautos ist effizient. Ich kann mit einer Kilowatt-Stunde aus einer Batterie dreimal weiter fahren als mit einer vergleichbaren Menge Benzin.

Ein wesentlicher Schritt in Richtung Energiewende ist natürlich auch die energetische Gebäudesanierung, also gut gedämmte Häuser. Da sind wir nach wie vor hoch verschwenderisch. Wenn wir hier investieren, würde das auch einen Effizienz-Schub auslösen und sich ökonomisch mehr als rentieren. Wenn ich zum Heizen der Wohnung nicht einmal mehr die Hälfte der Energie brauche als vorher, ist das hoch ökonomisch.

Hinzu kommen die Nachteile fossiler Energien, die damit abnehmen würden. Denn diese sind gesundheitsschädlich bis lebensgefährlich, was beispielsweise Lungenschäden und Luftverschmutzung betrifft. Die Lebensqualität in den Städten und auch in vielen Dörfern würde stark zunehmen.

Als Argument kommt oft, dass die Sonne nicht immer scheint und der Wind nicht immer weht. Wäre die Energieversorgung damit nicht instabil?

Binder-Krieglstein: Ja, Wind und Sonne gibt es nicht immer. Also muss ich Speichertechnologien finden und anwenden. Doch wir übersehen dabei oft, dass wir schon sehr gute Speichermöglichkeiten haben. Häuser haben fast alle einen Warmwasserboiler – das ist nichts anderes. Hinzu kommen die enormen Fortschritte in der Batterietechnologie. Der Preis für Batterien ist in den letzten Jahren um 80 Prozent gesunken und wird auch in Zukunft immer billiger werden.

Warum sind wir dann noch nicht weiter?

Binder-Krieglstein: Die Energiedebatte wird von den Konzernen dominiert, die die konventionelle Energie in der Hand haben. Dort liegt die Problematik. Die zwei Seiten fossil-atomar und erneuerbar-effizient sind inkompatibel, die passen nicht zusammen. Deshalb haben die großen fossilen Energiekonzerne die Energiewende torpediert, weil man ihnen damit etwas wegnehmen würde. Denn jede Kilowatt-Stunde, die ich über eine PV-Anlage auf meinem Dach beziehe, muss ich nicht mehr bei einem konventionellen Stromanbieter kaufen.
Deshalb arbeitet die fossil-atomare Seite intensiv gegen die Energiewende. Sie hatte in den letzten Jahren quasi ein Monopol auf die Energieversorgung. Sie haben über Jahrzehnte hinweg die Energieversorgung geleistet und haben in dieser Zeit sehr viel Geld und Macht angesammelt, zum Beispiel in Form gesetzlicher Privilegien. Bis heute fließen mehr Subventionen in den fossilen Sektor als in den erneuerbaren Sektor.

Aber immer mehr Energiekonzerne investieren auch in nachhaltigere Energiequellen – wie etwa die OMV in Windkraft.

Binder-Krieglstein: Das Lobbying ist sehr subtil geworden. Sie können nicht mehr behaupten, dass sie die Guten sind. Sie stehen mit dem Rücken zur Wand. Jetzt sind sie gezwungen, auch was im erneuerbaren Sektor machen. Eigentlich wollen sie das nicht, weil sie dann nicht mehr das Monopol haben. Denn die Sonne gehört allen, das ist sehr demokratisch und eine existenzielle Bedrohung für die Konzerne. Sie sind also nur gerade so erneuerbar, wie sie gerade müssen.

Wasserstoff ist ein solches Beispiel. Das wird von manchen als grüne Alternative gefeiert. In der OMV-Raffinerie wird in größerer Menge Wasserstoff produziert – aus Erdgas. In Österreich gibt es fünf Wasserstoff-Tankstellen. Die gehören alle der OMV. In Deutschland gibt es 100, davon sind 80 Prozent im Eigentum von Shell und dem französischen Pendant Total. Doch für einen flächendeckenden Einsatz für Autos und Heizen ist Wasserstoff viel zu teuer. Es ist der „Champagner unter den Energieträgern“, wie Energieökonomin Claudia Kemfert treffend sagte
und sollte nur dort eingesetzt werden, wo er wirklich gebraucht wird, wie etwa in der Stahlindustrie. Dass Wasserstoff so bekannt ist, liegt nur daran, weil das die Energiekonzerne wie verrückt propagieren.

Defacto schaut das Ergebnis so aus: Wir haben 2021 weltweit so viel CO2 in die Atmosphäre ausgestoßen wie noch nie zuvor. 60 Prozent davon kommt von den Energiekonzernen durch das Verbrennen von Öl, Gas und Kohle. Die verdienen aber damit so gut, dass sie damit nicht aufhören wollen.

Der Energieanalyst Johannes Benigni hat anklingen lassen, dass durch die geänderten Investitionen von Energiefirmen auch die Preise für Öl und Gas steigen, weil es dadurch weniger Angebot gibt. Das sehen Sie anders?

Binder-Krieglstein: Benigni ist Öl-Broker, er verdient sein Geld mit dem Kauf und Verkauf von Öl. Das hat nichts mit der Energieversorgung zu tun. Es stimmt schon, sie geben weniger für die Suche nach neuen Ölfeldern aus und steigen mit ihrem großen Budget in die Finanzierung von Windparks ein. Aber das tun sie, weil sie es tun müssen und mit dem Rücken zur Wand stehen. Und wenn sie das nutzen, um Wasserstoff zu produzieren, bringt uns das gar nicht weiter. Denn wir brauchen erneuerbare Energieträger und keinen Champagner.

FAKTEN ZUM ENERGIEVERBRAUCH IN ÖSTERREICH
  • Zu erneuerbarer Energie zählt Photovoltaik, Wasserkraft, Verbrennung von Biogas und Biomasse, Windkraft und sowie Geothermie.
  • 20 Prozent vom Energieverbrauch ist Strom
  • 80 Prozent vom Stromverbrauch ist erneuerbarer Strom – alleine 50 Prozent besteht aus Wasserkraft
  • 30 Prozent des Energieverbrauchs ist erneuerbar
Parlament Das Thema "Klimaschutz" im Parlament

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Klaus Brandhuber
Klaus Brandhuber
1. April 2022 23:29

Seit über 12 Jahren macht meine Fotovoltaik-Anlage über ein Drittel mehr Strom, als wir verbrauchen. Trotzdem hab ich im Winter ein Minus von – je nach Jahr – 350 bis 750 kWh. Der Speicher, mit dem ich dieses Minus überbrücken könnte, kostet wieviel? Und hält wie lange?

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rudolf
rudolf
23. März 2022 13:47

Österreich könnte in 20 Jahren sämtliche Energie aus erneuerbaren Quellen beziehen, sagt der Energieexperte Dr. Fritz Binder-Krieglstein. Wir würden sofort eine Solaranlage auf`n Dach machen, nur die restlichen 12 000€, nach der Förderung, ist noch immer GEWALTIG. Pensionisten bleibt kein Geld über.

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rudolf
rudolf
Reply to  rudolf
23. März 2022 13:53

Es sollte das ganze Projekt,für Ein+Zweifamilienhäuser, gefördert werden. Der restliche Strom wird für die ALLGEMEINHEIT,GRATIS, zur Verfügung gestellt.Das gäbe eine längere anhaltente Wirkung für die Umwelt!

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Seit Beginn von Donald Trumps zweiter Amtszeit als US-Präsident erlebt die amerikanische Demokratie eine Krise. Radikale Gruppierungen gewinnen zunehmend Einfluss. Im Interview spricht die Journalistin und Autorin Annika Brockschmidt über die Entwicklung der Republikanischen Partei, die rechten Strömungen, die sie geprägt haben, und darüber, warum es innerhalb der Republikaner heute kaum noch eine Grenze zwischen konservativen Positionen und offenem Rechtsextremismus gibt. Zitat: Rechtsradikale und Rechtsextreme geben bei den Republikanern jetzt den Ton an. Sie streiten sich zwar, welches inhaltliche Sub-Thema sie betonen, aber insgesamt ist diese Partei fest in der Hand von Extremisten. Auch unabhängig davon, wie sich die Partei personell weiter entwickelt - das wird sich so bald nicht ändern. Annika Brockschmidt

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