Wer sich in Österreich keine:n Privatärzt:in leisten kann, wartet oft lange auf einen Termin bei einem/einer Kassenärzt:in. Skandinavien zeigt, wie es anders gehen könnte: Schweden, Dänemark und Norwegen garantieren per Gesetz einen zeitnahen Termin bei Fachärzt:innen. Eine solche Facharzt-Garantie könnte auch in Österreich die medizinische Versorgung verbessern.
Das österreichische Gesundheitssystem ist in einer Krise. Patient:innen warten oft wochen- oder monatelang auf einen Termin bei Fachärzt:innen, selbst bei starken Beschwerden. Viele Kassenärzt:innen nehmen keine neuen Patient:innen mehr auf. Selbst bei Schmerzen wird man vertröstet oder muss auf teure Wahlarztpraxen ausweichen.
Diese langen Wartezeiten und die unzureichende ärztliche Versorgung, besonders auf dem Land, führen zu Problemen. Ein möglicher Ansatz wäre eine Behandlungsgarantie nach skandinavischem Vorbild: Per Gesetz werden dort Patient:innen innerhalb einer fixen Zeit behandelt. Sollte die Wartezeit bei Kassenärzt:innen zu lang sein, kann die Behandlung in privaten Krankenhäusern auf Staatskosten erfolgen.
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Norwegen: Mit dem Patientenrechtegesetz kurzfristige Termine und flexible Arztbesuche
In Norwegen gibt es eine besonders fortschrittliche Regelung, die den schnellen Zugang zu Fachärzt:innen sichert: Innerhalb von zehn Tagen müssen Krankenhäuser und Fachärzt:innen über die Behandlung entscheiden. Diese Verpflichtung ist im “Patientenrechtegesetz” verankert. Zudem können Ärzt:innen festlegen, ob der Besuch digital oder in Präsenz stattfindet. Das bietet zusätzliche Flexibilität.
In Norwegen spielen Hausärzt:innen eine zentrale Rolle, indem sie Patient:innen bei Bedarf schnell zu Fachärzt:innen weiterleiten. Um die Effizienz zu steigern und Wartezeiten zu verringern, treibt Norwegen die Digitalisierung im Gesundheitswesen voran. Dazu gehören elektronische Gesundheitsdienste wie E-Rezepte und Online-Terminvereinbarungen. Insbesondere in ländlichen Gebieten können Patient:innen über Videoanrufe mit Ärzt:innen und Apotheker:innen sprechen.
Obwohl die Gesundheitsversorgung in Norwegen großteils durch Steuern finanziert wird, fallen allerdings für einige Leistungen Kosten an. Patient:innen zahlen in der Regel Gebühren für Konsultationen bei Haus- und Fachärzt:innen, sowie für bestimmte Behandlungen und Untersuchungen wie Röntgenaufnahmen. Es gibt jedoch Ausnahmen, wie für Kinder unter 16 Jahren und Schwangere.
In Schweden gibt es nach drei Tagen eine medizinische Ersteinschätzung
In Schweden legt das „Gesetz über Zugang zur Gesundheitsversorgung“ fest, dass Patient:innen innerhalb von drei Tagen nach der Kontaktaufnahme eine Einschätzung durch eine:n Hausärzt:in erhalten müssen. Das läuft so ab: Bei Beschwerden können Schwed:innen die zentrale Hotline 1177 anrufen, die rund um die Uhr verfügbar ist – vergleichbar mit der Gesundheitsnummer 1450 in Österreich, nur weit besser ausgebaut. Diese Hotline ist die erste Anlaufstelle und bietet sofortige medizinische Beratung durch medizinisches Personal.
Neben der telefonischen Beratung gibt es auch die Möglichkeit, Termine online zu vereinbaren, elektronische Rezepte zu erhalten und Videoanrufe zu machen. Schweden ist ein Vorreiter in der Telemedizin, wobei viele Teile der Gesundheitsversorgung digitalisiert sind. Arztbesuche und Krankschreibungen können beispielsweise über Videoanrufe abgewickelt werden.
Für die anschließende fachärztliche Beratung, Diagnose und den Beginn der Behandlung gilt eine Frist von 90 Tagen. Das bedeutet, dass Patient:innen innerhalb von drei Monaten nach der ersten Einschätzung durch die Hotline eine weiterführende Behandlung durch Fachärzt:innen erhalten müssen. Dabei ist jede Kommune dafür verantwortlich, die eigenen Gesundheitsangebote zu verwalten, was besondere Flexibilität bietet.
Dänemark garantiert Behandlung binnen 30 Tagen
Dänemark hat eine ähnliche Regelung: Sollte die notwendige Behandlung im öffentlichen System nicht innerhalb von 30 Tagen erfolgen können, bezahlt der Staat die Behandlung in einer privaten Einrichtung. Das bedeutet, dass du als Patient:in die Behandlung ohne zusätzliche Kosten erhältst, auch wenn du zu einer privaten Einrichtung wechseln musst.
Søren Brostrøm, Generaldirektor der dänischen Gesundheitsbehörde, erklärte die Behandlungsgarantie: „Die Behandlungsgarantie stellt sicher, dass, wenn das öffentliche Gesundheitssystem keine rechtzeitige Versorgung bieten kann, Patienten das Recht haben, auf Kosten des Staates eine Behandlung im privaten Sektor in Anspruch zu nehmen. Dieses System hilft, Wartezeiten zu verkürzen und den Zugang zu notwendigen medizinischen Leistungen zu verbessern.“
Um Wartezeiten zu reduzieren, fördert auch Dänemark die Digitalisierung im Gesundheitswesen: Eine digitale Infrastruktur ermöglicht es Patient:innen, sich online über Wartezeiten und Behandlungen zu informieren. Dazu zählen etwa elektronische Patient:innen-Akten, E-Rezepte, Online-Terminvereinbarungen, Telemedizin und Patient:innen-Portale.
Skandinavier sind zufrieden mit ihren Gesundheitssystemen
Umfragen und Studien wie der Euro Health Consumer Index belegen, dass die Bürger:innen in den skandinavischen Ländern ihre Gesundheitssysteme schätzen: 88 % der Schwed:innen bewerteten ihr System als gut oder sehr gut. Norwegen und Finnland sind führend bei Behandlungsergebnissen und der Vorsorge.
Österreich trennt stark zwischen Kasse und Privat: Zu oft braucht man Bankomatkarte statt e-Card
In Österreich gibt es immer mehr Wahlärzt:innen, aber die Anzahl der Kassenärzte bleibt gleich. Fast die Hälfte der Allgemeinärzt:innen arbeitet ohne Kassenvertrag. Dadurch gibt es längere Wartezeiten und die medizinische Versorgung ist ungleich verteilt, weil immer mehr Menschen auf immer weniger Kassenärzt:innen kommen. In einigen Regionen sind oft nicht einmal die Hälfte der Bereitschaftsdienste besetzt.
Die SPÖ schlägt deshalb auch in Österreich eine Facharztgarantie vor: Patient:innen sollen innerhalb von 14 Tagen einen Facharzttermin bekommen. Wenn nach einer Überweisung durch den Hausarzt kein Termin gefunden wird, könnte die Hotline 1450 dabei helfen – ähnlich wie in Schweden. Privatärzt:innen sollen bis zu 10 Prozent ihrer Termine zum Kassentarif anbieten. Das würde etwa 200.000 zusätzliche Konsultationen pro Jahr ermöglichen. Falls das nicht ausreicht, könnte eine gesetzliche Verpflichtung eingeführt werden. Zudem sollen mehr Medizinstudienplätze geschaffen werden, insbesondere für jene, die im kassenärztlichen Gesundheitssystem arbeiten möchten.
Kassenärzt:innen sind Teil des öffentlichen Gesundheitssystems, ihre Leistungen werden großteils von den Krankenkassen abgedeckt. Sie erhalten fixe Beträge für jede spezifische Behandlung und müssen auch Vorgaben zum Führen ihrer Praxis (z.B. Öffnungszeiten) einhalten.
Wahlärzt:innen hingegen sind nicht an Verträge mit den Krankenkassen gebunden. Sie können ihre Preise selbst gestalten, ebenso die Öffnungszeiten ihrer Praxen. Um ihre Leistungen in Anspruch zu nehmen, müssen Patient:innen die Behandlung großteils selber bezahlen. Da das in der Regel teuer ist, schließen immer mehr Menschen (mittlerweile fast ein Drittel) hierzulande eine Zusatzversicherung ab. Warum das ein Problem ist, erklärt Dr.in Miriam Hufgard-Leitner, Oberärztin im AKH, im Kontrast-Interview.
Menschen ist, dass sie immer auf andere schauen, statt dass sie selbst schüfen.