Sicherheit & Justiz

Volksbegehren gegen Korruption: „Unser Rechtsstaat beginnt zu kippen“

12 namhafte Persönlichkeiten aus Justiz und Politik haben ein Volksbegehren für Rechtsstaatlichkeit und gegen Korruption gestartet. Präsentiert wurde es am Dienstag in Wien von Verfassungsrechtler Heinz Mayer, Ex-ÖVP-Justizsprecher Michael Ikrath, der LIF-Gründerin Heide Schmidt, der ehemaligen Korruptionsstaatsanwältin Christina Jilek und Martin Kreutner, dem früheren Leiter der internationalen Antikorruptionsakademie. Erste Unterstützungserklärungen können in ein bis zwei Wochen abgegeben werden.

„Ich habe in den letzten Jahren Dinge gesehen, die ich nicht für möglich gehalten hätte. Dinge, die mich dazu gebracht haben, mich für dieses Volksbegehren einzusetzen“, sagt Christina Jilek bei der Präsentation des Volksbegehrens. Sie ist als Staatsanwältin in der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) zurückgetreten, weil ihre Arbeit durch politische Interventionen und schikanöse Berichtspflichten gestört wurde. „Befreien Sie die Korruptionsstaatsanwaltschaft aus ihrem politischen Korsett“, sagte Jilek im Februar im parlamentarischen U-Ausschuss. Eine Forderung, die auch beim Volksbegehren wichtig ist:

„Politik kann nicht die Korruptionsermittlungen kontrollieren. Die Menschen müssen darauf vertrauen können, dass im Gerichtssaal alle gleich behandelt werden. Wir brauchen ein System, in dem es keinen Sinn mehr macht, für einen Politiker zu intervenieren“, sagt Jilek.

Christina Jilek, ehemalige Staatsanwältin im Ibiza-Verfahren, fordert, die Korruptionsstaatsanwaltschaft vom Zugriff der Politik zu befreien. (c) Zerbes

Das Volksbegehren fordert daher, die WKStA verfassungsrechtlich abzusichern. Ihre Tätigkeit soll ausschließlich von Gerichten kontrolliert werden und keiner politischen Kontrolle unterliegen. Sie soll außerdem personell besser ausgestattet werden.

Heinz Mayer: „Hier ist Sand im Getriebe“

Verfassungsrechtler Heinz Mayer kritisiert die massiven Angriffe des Bundeskanzlers auf die Justiz, aber auch die Angriffe auf die Gewaltentrennung. „Das sieht man in der Unterminierung der Arbeit im U-Ausschuss, wo ein befangener Vorsitzender in einer nie da gewesenen Rüpelhaftigkeit Abgeordnete unterbricht und zurückweist“, sagt Mayer zu Kontrast. Aber auch daran, dass das Finanzministerium dem U-Ausschuss die Unterlagen nicht vorlegte, obwohl es einen Spruch des Verfassungsgerichts dazu gab. „Hier ist Sand im Getriebe“, sagt Mayer.

Denn der U-Ausschuss ist die wichtigste Kontrollfunktion des Parlaments und der Ibiza-Ausschuss hat gezeigt, was ein U-Ausschuss leisten kann, wenn dort qualifizierte und konsequent arbeitende Abgeordnete am Werk sind. Das Volksbegehren will daher des Parlaments stärken und öffentliche Bestellungen transparent machen.

Die Bevölkerung kann erwarten, ohne Korruption regiert zu werden

In den meisten EU-Staaten sind 67 Prozent der  Bevölkerung der Meinung, dass man etwas gegen Korruption machen kann. In Österreich sind es weniger als die Hälfte, betonen die Initiatoren. Ihr Anliegen ist es daher, eine Debatte anzustoßen und zu zeigen, dass die Bevölkerung sehr wohl erwarten kann, ohne Korruption regiert zu werden. „Wir müssen den Bürgern klar machen, in welchem System sie leben. Wie stark die Demokratie und der Rechtsstaat sind, ist unmittelbar für die Lebensqualität entscheidend. Ich habe den Eindruck, dass hier in Demokratie- und Rechtsstaatlichkeitsfragen vieles rutscht“, sagt die LIF-Gründerin und ehemalige 3. Nationalratspräsidentin Heide Schmidt. „Es geht um ein qualitatives Ziel, wir wollen einen Diskussionsprozess auslösen“, sagte Martin Kreutner, früherer Leiter der internationalen Antikorruptionsakademie. Es gehe auch darum, die Bevölkerung dabei zu unterstützen, dass sie nicht ihren Anspruch an die Politik aufgibt, sagt Schmidt zu Kontrast.

Heide Schmidt: „Wie stark die Demokratie und der Rechtsstaat sind, ist unmittelbar für die Lebensqualität entscheidend.“ (c) Zerbes

„Die Verdachtsfälle der jüngeren Vergangenheit zeigen, dass wir jetzt zum Kipppunkt gelangt sind“, sagt der ehemalige Justiz-Sprecher der ÖVP, Michael Ikrath. In Österreich sollte die Bekämpfung von Korruption endlich ganz oben auf der Agenda stehen. Die Bestechlichkeit von politischen Kandidaten und der Mandatskauf müssten endlich ins Korruptionsstrafrecht aufgenommen werden. Auch das Lobbying-Gesetz muss nachgeschärft werden, um öffentliche Kontrolle von Lobbyismus zu ermöglichen.

Das Volksbegehren ist in fünf Themenblöcke gegliedert, in denen es um mehr Anstand und Integrität in der Politik, Stärkung der Rechtsstaatlichkeit, Stärkung der Unabhängigkeit der Justiz, eine moderne und umfassende Antikorruptions- und Transparenzgesetzgebung sowie um Pressefreiheit, Medienförderung und Bekämpfung der Inseratenkorruption geht. Finanziert wird es von den Einreichenden aus eigenen Mitteln, deutlich weniger als 100.000 Euro sollen ausgegeben werden. Auch Crowdfunding ist geplant. Die Forderungen sind hier nachzulesen: www.antikorruptionsbegehren.at.

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