Seit sieben Wochen bleiben wir zu Hause – aber was ist mit allen, die kein Zuhause haben? Die belgische Hoteldirektorin Tina Wjins durfte aufgrund der Pandemie keine Touristen mehr aufnehmen. Sie sperrte ihr Hotel in Brügge trotzdem auf. Die neuen Gäste: Die Obdachlosen der Stadt.
“Wir müssen drinnen bleiben und diese Menschen leben auf der Straße. Sie können ja gar nirgends rein. Das ist doch ein Widerspruch! Für diese Menschen müssen wir doch eine Lösung finden!” Die Hotelmanagerin Tina Wijns sah in ihrer Heimatstadt Brügge Handlungsbedarf: Wegen Corona darf sich niemand auf der Straße aufhalten, und aufgrund der Abstandsregeln kann das lokale Obdachlosenheim nur mehr zehn Betten zur Verfügung stellen.
Hotel für Obdachlose: “Jeden Tag kommen neuen Menschen zu uns”
Die Menschen ohne festen Wohnsitz wissen nicht, wohin. Es ist erst März, den Menschen ist kalt. Die Polizei verjagt sie immer wieder aus den Parks und von den Plätzen. Da will Wijns nicht länger wegschauen. Ihr 3-Stern-Hotel t’Putje in Brügge steht – ebenso wegen Corona – leer. Und so entsteht schnell eine Idee: Sie setzt sich mit der Obdachlosen-Schlafstelle in Verbindung.”Im Moment sind 25 unserer 37 Zimmer belegt. Jeden Tag kommen Menschen zu uns.”
„Die Menschen haben gefroren. Es waren welche darunter, die hatten ganz lila Hände. Man kann das nicht beschreiben. Mich hat das so berührt. Ich habe ihnen gesagt, nehmt ein Bad und wärmt Euch auf.“
Die neuen Hotelgäste bleiben allerdings nur über Nacht. Den Tag müssen sie – wie es auch bei Notschlafstellen der Fall ist – draußen verbringen. Das geht dank der städtischen Obdachlosenhilfe. Hier gibt es einen Garten, in dem sie bleiben können. Halten sich die Obdachlosen auf der Straße auf, dann geht das nur in Bewegung. Die Polizei straft – ähnlich wie in Österreich – rigoros. Fuer die ca. 150 Obdachlosen der Stadt eine besonders harte Zeit.
Teamwork im Hotel t’Putje
Es ist eine Win-Win-Situation für alle. Denn die regulären Hotelgäste – Wochenend-Touristen und Geschäftsreisende – bleiben aus. Die Stadtverwaltung bezahlt 30-40 Euro pro Zimmer und Nacht. So ist das t’Putje das einzige Hotel in der ganzen Stadt, das geöffnet hat.
Das meiste Personal ist während der Krise freigestellt. Aber das vier-köpfige Team, das noch im Dienst ist, kommt gut zurecht: Alle helfen zusammen, bringen ihr Geschirr in die Küche. Einige Gäste machen sogar den Abwasch.
https://www.facebook.com/Weltspiegel/videos/261792924868288/
Die Reinigungskraft im Hotel hat nicht viel zu tun, erzählt die Direktorin: “Die Besucher in ‘t Putje verlassen ihre Zimmer alle sauber. Keine Klischees über Armut, Verunreinigung und Verwahrlosung. Diese Menschen zeigen Wertschätzung und packen mit an.”
“Ich arbeite seit 46 Jahren in der Hotelbranche. Und ich habe noch nie eine solche Dankbarkeit gesehen. So viel bekommt man von den Touristen nicht zurück. Dank ihnen kann das Hotel auch offen bleiben”, so die Direktorin noch.
Auch umliegende Restaurants und Bäckereien helfen mit und spenden Frühstück und Abendessen für die Hotelgäste. Diese Art der Solidarität findet sich nicht nur in Brügge, sondern auch in London oder Stuttgart.
Mit nur wenigen Häusern können alle Städte ihre Obdachlosen versorgen. Wird Zeit, dass mit dem Bau in ganz Europa begonnen wird.