Dossier

Untersuchungsausschuss Tag 1: Das Ibiza-Video ist ein Blick hinter die Kulissen der schwarz-blauen Politik

Tag 1 des Ibiza- Untersuchungsausschuss: Florian Klenk garantiert, dass das Video authentisch und durchaus stellvertretend für eine politische Praxis unter Schwarz-Blau ist: Gesetzeskauf. HC Strache weist alle Anschuldigungen von sich und wittert eine jahrelange Verschwörung gegen seine Person.

Am ersten Tag des Ibiza-Untersuchungsausschusses gab es nur eine Person, die das Ibiza-Video in voller Länge kannte: Falter-Chefredakteur Florian Klenk, der deshalb als Auskunftsperson geladen war. Er hatte gemeinsam mit Kollegen der Süddeutschen Zeitung und des Spiegel Zugang zum Video. Anders die Abgeordneten im Parlament, denn dort ist das Video nicht angekommen, obwohl es Innenminister Nehammer bereits seit 21. April vorliegt. Eigentlich hätte es spätestens zwei Wochen später auch dem U-Ausschuss zur Verfügung stehen müssen. Doch das ist nicht passiert.

Ibiza-Video ist „Destillat“ der Politik

HC Strache entschlägt sich der meisten Antworten. Doch auch ohne Antwort bieten die Fragen und Aktenauszüge der Abgeordneten tiefe Einblicke in die politische Praxis der FPÖ und der schwarz-blauen Regierung.

Es geht um große Geldsummen von Großspendern an Parteien, Postenschacher und ob sich reiche und enge Bekannte Gesetze von der schwarz-blauen Regierung wünschen konnten. Strache bestätigt, dass ÖVP und FPÖ sich die Besetzung von Aufsichtsräten und Vorständen in staatsnahen Betrieben im Schlüssel 2:1 ausgemacht haben: Bei Betrieben, die in das Ressort des schwarzen Finanzministers fallen, gehen zwei Posten an die ÖVP, im Ressort des blauen Infrastrukturministers ist es umgekehrt.

Zur Causa Privatklinik Währing und PRIKRAF gibt Strache an, dass es ein „gemeinsames Anliegen von FPÖ und ÖVP gewesen“ ist, die Privatklinik in den Fonds der Krankenkasse aufzunehmen und die Mittel für die Privatkliniken auf 145 Mio. im Jahr aufzustocken. Zahlungen der Privatkliniken an FPÖ und ÖVP im Wahlkampf sorgten für Aufregung im Ausschuss. 

Zur Causa Casinos Austria schweigt Strache; die „medialen Anschuldigungen“ seien falsch. Mit der Familie Glock sind er und seine Familie befreundet, bestätigt er. Milliardär René Benko ist ein guter Bekannter von Kurz uns Strache.

„Das Ibiza-Video hat uns gezeigt, dass sich Superreiche in Österreich sich Politiker kaufen wollen. Einige wenige Milliardäre wollen es sich richten. Und vor allem: keine Steuern zahlen. Sie glauben, Gesetze einfach bestellen und bar bezahlen zu können. Und genau das ist unter Türkis-Blau passiert: Die Spender haben bestellt, Kurz, Strache und Co. haben geliefert“, sagt Krainer im Vorfeld des Ausschusses.

„Kottan, Sackbauer und Pulp Fiction“

Strache erfuhr erst auf Ibiza von dem geplanten Treffen in der Villa. Er sei mit keiner bestimmten Intention zu dem Treffen gegangen, sagt HC Strache. Laut Klenk sind die öffentlichen Szenen das „Destillat, das für die Republik relevant ist“. Neben den öffentlich bekannten Szenen kommt es zuerst zum Kennenlernen: Strache stellt sich als „Red Bull Brother from Austria“ vor. Der Ausweis der angeblichen Oligarchennichte wird nicht kontrolliert.

Zu Beginn, auf der Terrasse und im Garten gibt es Geplänkel, Politisierung, vorsichtige Annäherung bei Champagner, Vodka und Sushi. Daneben wir die „Dekadenz des Westens“ angeprangert. Strache gibt an: Orban hebt ab, wenn er anruft.

Klenk beschreibt die Szenen als  „Mischung aus Kottan Ermittelt, Edmund Sackmüller und Pulp Fiction“.  Momente mit Spannung und hektischer Übersetzung wechseln sich ab mit „Hausmeister-Atmopshäre“: Alle lümmeln auf der Couch, kauen Fingernägel, trinken.

Jan Krainer (SPÖ) will volle Aufklärung.

Korruptionstanz

Die Gruppe wechselt nach dem Abendessen ins Wohnzimmer.

Zuerst geben allerdings alle ihre Handys ab. Erst dann redet man Klartext.

Was nun auf dem Video zu beobachten ist, beschreibt Florian Klenk als „Korruptionstanz“. Einerseits betont Strache, dass alles rechtmäßig sein muss. Auf der anderen Seite kommt es immer wieder zur Verhandlung über Dinge, die eindeutig nicht legal sind: Der Kauf der Kronen-Zeitung im Tausch gegen öffentliche Aufträge. Wenn sie eine Firma gründe, würde sie im Tausch für positive Berichterstattung in der Kronen Zeitung alle Aufträge bekommen, die jetzt die STRABAG kriegt.

Nach dem ungarischen Vorbild will man so die Medienlandschaft unter Kontrolle bringen. Immer wieder fällt der Name Heinrich Pecina, Chef der Unternehmensberater Vienna Capital Partners, der beim Aufkauf und der Bündelung ungarischer Medien für Orban geholfen habe.

Wenn man die Krone hat, muss man nicht mehr korrupt sein, so Strache. Diese Idee bringt er aufs Tapet, die Nichte fragt nur nach.

Immer wieder hakt der Begleiter der Oligarchin nach: Was bringt mir das? Was bietet ihr mir an? Strache und Gudenus sprechen vom Verkauf von Wasser-Lizenzen nach norwegischem Vorbild, von Kasernen-Immobilien, Hochbau- und Straßenbau-Aufträgen. Auch diese Themen werden von der FPÖ selbst angesprochen. Auch von Überpreisen, also sogenannten Kickback-Zahlungen, die Rede ist.

„Da hätte Strache aufstehen und gehen müssen“

Die Nichte gibt sich schlecht gelaunt: Wann kommen die endlich zum Punkt? Hier wird nur geredet. Aber „zum Punkt“ kommt es nicht. Die Verhandlungen werden erst später, zurück in Wien, weitergeführt. „Mach das klar, Joschi“, weist Strache Gudenus in der Küche an.

Die Falle ist laut Klenk darauf ausgelegt, zu schauen, wie weit die Politiker gehen. Sie werden nicht dazu gedrängt, Deals anzubieten. Es ist Gudenus, der Strache auffordert, ihr System zu erklären:

Es gibt Geld nicht direkt an die Partei, sondern an Vereine. Man könne über staatliche und staatsnahe Aufträge sprechen. Gleichgesinnte wünschen sich Gesetze in ihrem Interesse. In direkten, kausalen Zusammenhang bringt Strache das allerdings nie.

„Die Verlockungen werden nicht von der Oligarchennichte angesprochen, sondern von der FPÖ“, erklärt Klenk auf Nachfrage. 

Strache selbst entschlägt sich zu alle diesen Fragen einer Antwort. Dabei verweist er auf das Recht, Aussagen erst dann zu tätigen, wenn ihm alle Ermittlungsakten vorliegen. „Ich kann nur soviel sagen, dass ich mich immer auf dem Boden des Rechtsstaates bewegt habe, keine rechtswidrigen Angebote gemacht habe.“ Er habe nur erläutert, wie man in Österreich spenden kann.

Strache „angetschechert“, aber zurechnungsfähig

Dass HC Strache und Gudenus – wie es Strache oft suggeriert – unter Drogen gesetzt wurden, schließt Klenk aus: Die Menschen auf dem Video reden konzentriert, reflektieren am Ende des Abends das Erlebte, hinterfragen die Authentizität der Oligarchin. Anschießend geht man nich in eine Disko tanzen. Niemand lallt oder wirkt allzu illuminiert. Laut einem Gerichtsgutachten ist auf dem Video kein Hinweis auf Drogenmissbrauch erkennbar.

Teurer Wodka mit zuckerfreiem Red Bull sei allerdings in rauhen Mengen geflossen. Auf Wienerisch sind sie angetschechert, aber es gibt keine Vollräusche, sagt Klenk aus.

Strache stellt das erwartungsgemäß anders dar. Er will nichts von dem bestätigen, was er behauptet habe: Der FPÖ spendet fast niemand, weil die Menschen Angst hätten, Nachteile daraus zu beziehen. Allerdings kann er nicht ausschließen, dass er Spenden für Vereine „mit gutem Zweck“ beworben hat.

Still aus dem Ibiza-Video

Die ÖVP und die Medienfreiheit

Wolfgang Gerstl, Fraktionsführer der ÖVP, interessiert sich hingegen nicht für den Inhalt des Videos, sondern vielmehr für die journalistische Arbeit des Chefredakteurs: Warum Klenk in seinem Newsletter es als „kurios“ bezeichnet, dass er als Zeuge geladen werde, ist die brennendste Frage der ÖVP in der Causa Ibiza. Klenk bleibt gelassen: Er sei eben verwundert, dass er als Zeuge herhalten muss – nachdem die Soko Tape das Video sechs Wochen lang hat, aber nicht an die WKStA weitergibt.

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