Die österreichische Bundesregierung verhält sich auf der europäischen Ebene zunehmend skeptisch, passiv und blockierend. Das zeigt sich neben dem Bereich der Arbeitsmarkt-, Sozial- und Wirtschaftspolitik vor allem auch beim EU weiten Umwelt- und Naturschutz. Vor allem die ÖVP steht hier nicht nur auf der Bremse, sondern sogar auf der Seite der großen Agrarkonzerne. Hier eine Auswahl, wie Österreich EU-Umweltpolitik macht.
Österreich hat bis heute keinen Klimaplan eingereicht – als einziges EU-Land
Die EU-Kommission hat im Dezember 2023 ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Österreich eingeleitet, da der Nationale Klima- und Energieplan (NEKP) nach wie vor nicht vorgelegt wurde. Jedes Land muss der Kommission einen solchen Plan vorlegen, der zeigt, wie es die Klimaziele bis 2030 erreichen will. Zu diesen Zielen gehört die EU-weite Reduktion von Treibhausgasemissionen um 55 Prozent (im Vergleich zum Jahr 2005) bis 2030 und Klimaneutralität bis 2050. Für Österreich liegt das Reduktionsziel bis 2030 bei 48 Prozent, die Regierung hat sich zusätzlich das Ziel gesetzt, bis spätestens 2040 Klimaneutralität zu erreichen.
Die Wissenschaft hat aufgezeigt, welche Ziele und Maßnahmen es bräuchte, um dies zu erreichen. Österreich scheiterte bislang jedoch an einer einfachen Ausarbeitung und Übermittlung eines Nationalen Klima- und Energieplans (NEKP). Zwar hat Umweltministerin Leonore Gewessler (Grüne) einen Plan vorgelegt, doch Europaministerin Karoline Edtstadler (ÖVP) hat diesen wieder zurückgezogen. Der Grund: Dieser sei nicht die Position der gesamten Bundesregierung. Gewessler bestreitet dies und verweist auf die Einbindung aller zuständigen Ministerien. Ende Februar 2024 hat die Kommission Österreich erneut aufgefordert, den NEKP zu übermitteln – bis auf Österreich haben dies mittlerweile alle anderen 26 Mitgliedstaaten gemacht. Zum Verständnis: Mitte 2023 sollten die Entwürfe eigentlich eingereicht, dann ausgewertet werden. Bis Ende Juni 2024 sollten alle Pläne endgültig vorliegen – und vor allem: umgesetzt werden. Es ist ein Beispiel dafür, dass Österreich bei der EU-Umweltpolitik mehr als säumig ist.
Lieferkettengesetz nur gegen Widerstände der ÖVP beschlossen
Ein weiteres Beispiel für Österreichs EU-Umweltpolitik ist das Lieferkettengesetz. Im Februar 2022 hat die EU-Kommission einen Richtlinienentwurf über die Sorgfaltspflichten von Unternehmen im Hinblick auf Nachhaltigkeit, das „EU-Lieferkettengesetz“, vorgelegt. Damit sollen neben Menschenrechte und Arbeits- und Sozialstandards auch der Umweltschutz entlang globaler Wertschöpfungsketten gestärkt und Unternehmen in die Pflicht genommen werden. Konzerne sollen also auch dafür verantwortlich gemacht werden, wenn Zulieferer mit ihren Produktionen Umweltzerstörung vorantreiben.
Im Dezember 2023 erzielte schließlich das Europäische Parlament mit dem Rat eine Grundsatzeinigung. Arbeitsminister Kocher hat sich in der Folge jedoch enthalten. Und das, obwohl Österreich ausreichend Gelegenheit hatte, seine Vorschläge in dem jahrelangen Prozess einzubringen. Deswegen ist die Ablehnung eines EU weit abgestimmten, mitausverhandelten Kompromisses durch die ÖVP nicht nur demokratiepolitisch bedenklich, sondern in diesem Fall auch eine Stimme gegen die Umwelt.
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Diese Vorgehensweise rund um das Gesetzesvorhaben hat wenig überraschend zu massiven koalitionsinternen Verstimmungen geführt. Justizministerin Alma Zadić hat Arbeitsminister Kocher öffentlich zur Zustimmung aufgefordert – ohne Konsequenz. Schließlich konnte die Verordnung trotzdem beschlossen werden. Allerdings mit erheblichen Abstrichen. So sind nur noch rund 4.500 Konzerne betroffen – anstatt 16.400, wie ursprünglich vorgesehen.
ÖVP will EU-Verordnung zum Schutz von Wäldern verhindern
Weltweit gingen seit 1990 mehr als 420 Millionen Hektar Wald verloren – eine Fläche größer als die EU. Die EU selbst gilt mit einem weltweiten Anteil von 10 Prozent als zweitgrößte Importeurin von Produkten, die mit Entwaldung in Verbindung stehen. Die EU will dem jetzt entgegentreten: Ab 2025 soll schrittweise die Entwaldungsverordnung gelten. Demnach soll Unternehmen verboten werden, Produkte und Rohstoffe in der EU zu verkaufen, die von entwaldeten Flächen stammen. Dazu zählen etwa Holz, Kakao, Kaffee, Ölpalme, Kautschuk, Rind und Soja, aber auch Erzeugnisse daraus wie Leder, Schokolade, Zellstoff und Papier. Das wird vor allem kleinen und mittleren Unternehmen zugutekommen, die jetzt schon ökologisch und sozial verantwortlich agieren.
Doch die ÖVP mobilisiert dagegen. Gemeinsam mit Forst- und Agrarkonzerne will sie verhindern, dass die Verordnung kommt. Denn Österreich – vertreten durch den Landwirtschaftsminister Totschnig (ÖVP) – hat sich an die Spitze einer neuen Allianz aus Finnland, Italien, Polen, der Slowakei, Slowenien und Schweden gestellt. Die Allianz möchte ein Inkrafttreten der Verordnung verhindern beziehungsweise das Vorhaben aufzuweichen und wesentlich längere Übergangsfristen aushandeln. Mehr dazu und zur EU-Politik der ÖVP gegen die Umwelt kann man hier lesen.
ÖVP für Einsatz von Pflanzengift Glyphosat
Glyphosat ist das weitverbreitetste Pflanzengift in der EU. Glyphosat ist aber krebserregend und greift Erbgut sowie Nervensystem an. Aber nicht nur der Mensch leidet unter dem Pestizid, auch Umwelt und Tiere. So sind auch Insekten – besonders Bienen – von den Auswirkungen des Pflanzengifts betroffen. Studien beweisen, dass Glyphosat zum Bienensterben beiträgt. Das Pflanzengift tötet alle Pflanzen außer jene, die gegen das Gift immun sind. Praktischerweise werden diese immunen Pflanzen von dem gleichen Konzern verkauft, der auch Glyphosat vertreibt: Monsanto, heute Teil der Bayer AG. Sie haben Millionen an Gewinn mit dem Pflanzengift gemacht und Agrarkonzerne und Großbauern sparen sich hohe Kosten in der Produktion, wenn sie unerwünschte Pflanzen vergiften können.
Seit Jahren kämpfen Umweltschutz-Organisationen für ein Verbot des Pestizids. 2023 schien ein Verbot EU-Ebene in greifbarer Nähe. Denn: Für eine Neuzulassung fehlte die Mehrheit der Mitgliedsländer. Schlussendlich verlängerte die EU-Kommission im Dezember jedoch den Einsatz bis 2033. Dieser Erfolg der ÖVP und ihre konservativen Verbündeten sowie Agrarkonzerne und Großbauern auf EU Ebene – die sich jahrelang gegen ein Verbot wehrten – ist ein Schlag gegen die Umwelt.
EU-Parlament stimmt für Naturschutz- und Biodiversitätsgesetz – gegen Widerstand der ÖVP
Die EU-Umweltminister:innen haben sich im Sommer 2023 auf ein Gesetz über die Wiederherstellung der Natur in Europa geeinigt. Denn durch die zunehmende Zerstörung der Lebensräume sterben immer mehr Tierarten aus. Darunter auch Arten wie Bienen oder Hummeln, die etwa Nutz- und Wildpflanzen bestäuben. Damit sind sie ein wichtiger Bestandteil der Lebensmittelproduktion. Doch kurz vor der Abstimmung im Brüssler Parlament hatte die Europäische Volkspartei (EVP) ihre Unterstützung für das Gesetz zurückgezogen. Sie wollte das Gesetz begraben. Doch die Zurückweisung des Gesetzes ist gescheitert – das EU-Parlament stimmte dafür. Daraufhin kündigte EU-Parlamentarier Manfred Weber (EVP) damals bereits an, den Kampf den „Green Deal“ nicht aufzugeben.
In der Zwischenzeit hat das sogenannte Renaturierungsgesetz nun unter den Mitgliedstaaten im Rat plötzlich doch keine Mehrheit mehr. Das lässt auf intensivstes Lobbying global agierender Unternehmen schließen, die in den Umweltzielen der EU eine Bedrohung ihrer veralteten Form des Wirtschaftens sehen. Das Gesetz könnte somit doch noch scheitern – unter anderem Dank der ÖVP, so schaut also Österreichs EU-Politik für die Umwelt aus.
Kampf gegen Verpackungsmüll: Die ÖVP enthält sich
Weltweit ist die jährliche Plastikproduktion in den letzten Jahrzehnten nahezu explodiert: von 1,5 Millionen Tonnen im Jahr 1950 auf 359 Millionen Tonnen 2018. Damit stieg auch der Plastikmüll enorm an. Das EU-Parlament hat deshalb im November 2023 neuen Regeln für Verpackungen beschlossen. Die Abgeordneten wollen damit den ständig wachsenden Abfall bekämpfen und Wiederverwendung sowie Recycling fördern. Die Ziele zur Reduzierung von Verpackungen sind umfassend: 5 % bis 2030, 10 % bis 2035 und 15 % bis 2040. Für Plastikverpackungen sollen die Reduktionsziele noch ambitionierter sein. Darüber hinaus sprechen sie sich u.a. für ein Verbot von sogenannten „ewigen Chemikalien“ in Lebensmittelverpackungen aus und wollen den Verkauf von leichten Plastiktragetaschen verbieten. Sie schlagen vor, die Verwendung bestimmter Einwegverpackungen stark einzuschränken. Die ÖVP enthielt sich bei der Abstimmung – mit Ausnahme von Othmar Karas. Er stimmte für die neuen Regeln.
Neue Autos sollen ab 2035 emissionsfrei sein – die ÖVP ist dagegen
Der Autoverkehr ist einer der größten Emissionstreiber in der EU – Tendenz steigend. Zwischen 1990 und 2021 erhöhte sich der jährliche CO2-Ausstoß im Straßenverkehr um 21 %. Im Februar 2023 gab das EU-Parlament schließlich grünes Licht für die neuen CO₂-Reduktionsziele für neue Autos im Rahmen des Pakets „Fit für 55“. Demnach sollen neue Pkws und leichte Nutzfahrzeuge bis 2035 emissionsfrei werden. Zwischenziel bis 2030 ist, die Emissionen bei Neuwagen um 55 % und bei leichten Nutzfahrzeugen um 50 % zu senken. Die Verordnung regt so dazu an, emissionsfreie bzw. emissionsarme Fahrzeuge herzustellen und macht es für Verbraucher:innen günstiger, emissionsfreie Autos zu kaufen und zu fahren. Ab Ende 2025 wird die Kommission alle zwei Jahre einen Bericht veröffentlichen, in dem sie die Fortschritte bewertet. Die ÖVP stimmte – gemeinsam mit der Freiheitlichen Fraktion – dagegen. Nur Othmas Karas stimmte dafür.
ÖVP stimmt gegen EU-Umwelt-Strategie für gesündere und nachhaltigere Lebensmittel
Damit sich die europäischen Klimaziele erreichen lassen, müssen künftig auch nachhaltige und gesunde Lebensmittel erzeugt werden. Das EU-Parlament unterstützt deshalb die Strategie „Vom Hof auf den Tisch“, eine der wichtigsten Maßnahmen des europäischen Grünen Deals. Diese Strategie brücksichtigt alle Beteiligten – von den Höfen bis zu den Haushalten. Zu den Forderungen des Parlaments gehören: verbindliche Reduktionsziele für Pestizide, strengeren Tierschutz und mehr Fläche für ökologische Landwirtschaft.
Die ÖVP stimmte – gemeinsam mit der Freiheitlichen Fraktion – dagegen. Nur Othmas Karas stimmte dafür.
EU-Wahl 2024: Das Wichtigste zu Österreichs Kandidat:innen – in aller Kürze
Derartige Gesetzte dienen nicht mehr zum Schutz der Natur vor dem Menschen, sondern zum Schutz des Menschen vor der Natur.
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Von der nächsten Katastrophe sind auch Politiker nicht geschützt, der nächste Waldbrand kommt ebenso sicher wie das nächste Hochwasser und die nächste Dürrekatastrophe. Darüber nachdenken was aktuell in Dubai passiert, würde sicher hilfreich sein!
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Wer nicht hören will, der muss fühlen.