Das Arbeits- und Sozialgericht in Steyr wird der Frage nachgehen, ob die geplanten Kündigungen des MAN-Konzerns in Steyr rechtswidrig sind. Der Betriebsrat wird eine diesbezügliche Klage einreichen. Außerdem mehren sich Stimmen, die zukünftige öffentliche Beauftragungen an den Konzern in Frage stellen. Im Bundesvergabegesetz ist festgehalten, dass öffentliche Aufträge nur an “zuverlässige Bieter” gehen dürften. Dies sei bei Missachtung der Standortgarantie im fall MAN zu berücksichtigen.
Das Management der VW-Tochter MAN in Steyr plant, die LKW-Fabrik nach Polen zu verlagern und 2.300 MitarbeiterInnen zu kündigen. Dort verdienen die Beschäftigten ein Drittel der österreichischen KollegInnen. Doch MAN hat die Sicherung des Standortes in Steyr per Vertrag bis 2030 zugesichert – die Belegschaft hat im Gegenzug auf Pausen verzichtet und einen LKW pro Schicht mehr gefertigt. Die Belegschaft besteht daher auf die Gültigkeit des Vertrags.
Beim Gericht in Steyr wird Klage eingebracht
Das Arbeits- und Sozialgericht im oberösterreichischen Steyr wird sich demnächst mit der Frage beschäftigen müssen, ob die MAN-Kündigungen rechtmäßig sind. Die Klage ist jetzt eingebracht, sagt Alois Stöger, der für die Gewerkschaft ProGe mit MAN verhandelt. “Wir sind nicht mehr bereit, unsere Zeit mit nutzlosen Verhandlungen totzuschlagen. Wir verhandeln natürlich, aber es muss sich auch etwas bewegen”, erklärt Stöger.
Wegen dieser Standortgarantie könnte der Konzern die Löhne der Beschäftigten in Steyr bis 2030 weiterzahlen müssen, es geht um rund eine Milliarde Euro. Zuletzt hat auch der Zivilrechtsexperte und Rektor der Johannes Kepler Universität (JKU), Meinhard Lukas dem Vertrag “verbindlichen Charakter” attestiert, weil die Beschäftigten ihren Teil der Vereinbarung bereits vollzogen haben.
Rechtswidrige Kündigungen stellen öffentliche Aufträge in Frage
Aber nicht nur das. Im Ringen um den Erhalt der 2.300 Arbeitsplätze in Steyr sind auch die öffentlichen Aufträge ein Druckpotenzial. Die öffentliche Hand ist einer der wichtigsten Auftraggeber des LKW-Konzerns. Aufträge im Wert von 180 Mio. Euro gab es seit März 2018 von der öffentlichen Hand. Die rechtliche Vertretung der MAN-Gewerkschafter, die Kanzlei Jarolim Partner, ist der Meinung: Wenn der Konzern die Standortgarantie einseitig bricht, könnten laut Vergaberecht die öffentlichen Aufträge entzogen werden müssen.
Im Bundesvergabegesetz ist festgelegt, dass öffentliche Aufträge nur “an befugte, leistungsfähige und zuverlässige Bieter” vergeben werden dürfen. Diese Zuverlässigkeit ziehen die Juristen bei MAN nun in Zweifel. Konkret geht es um den Abschnitt im Vergaberecht, in der bei “schwerer beruflicher Verfehlung” die “vergaberechtliche Zuverlässigkeit” infrage steht. Wenn sich die betriebsbedingten Kündigungen als rechtswidrig herausstellen, könnten demnach nicht nur eine Milliarde Lohnersatz auf MAN zukommen, sondern auch ein wichtiger Abnehmer der MAN-Fahrzeuge wegfallen.
Die Anwältin der Kanzlei, Nadia Kuzmanov, nimmt dabei Bezug auf ein Gutachten des Grazer Uni-Professors Gert-Peter Reissner. Dieser hatte die Standortgarantie als “echte Betriebsvereinbarungen im Sinne des Arbeitsverfassungsgesetzes” eingestuft und befindet die betriebsbedingten Kündigungen deshalb für nicht rechtswirksam. Dann wäre im Fall der Abwanderung die Zulässigkeit der Vergabe von öffentlichen Aufträgen infrage gestellt.