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So leicht könnte Österreich Kinder vor Armut schützen

Hanna Lichtenberger und Judith Ranftler Hanna Lichtenberger und Judith Ranftler
in Von unten
Lesezeit:4 Minuten
20. September 2021
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Die Sozialminister der EU haben im Juni eine „Kindergarantie“ ins Leben gerufen, mit der Kinder vor sozialer Ausgrenzung und Armut geschützt werden sollen. Sozialminister Wolfgang Mückstein (Grüne) hat nun mit der Umsetzung dieser Europäischen Garantie für Kinder in Österreich begonnen. Die Volkshilfe begrüßt das Projekt, wünscht sich aber, dass Österreich die Kindergrundsicherung umsetzt – und damit ein Leuchtturmprojekt in Europa schafft. 

Schon vor der Pandemie und ihrer wirtschaftlichen Folgen war in der Europäischen Union eines von vier Kindern von Armut und Ausgrenzung betroffen. Besonders hoch waren die Zahlen 2018 in Rumänien (38, 1%), Bulgarien (33,7%) , Griechenland (33,3%) und Italien (30,6%) gewesen. In Griechenland und Italien wird bei der Kinderarmut die Kürzungspolitik („Austerität“) nach der Wirtschaftskrise 2010 deutlich. Aber auch Österreich lag 2018 mit 21,6 Prozent von Armut oder sozialer Ausgrenzung bedrohten Kindern in der EU deutlich hinter Ländern wie Slowenien (13,1 Prozent), Tschechien (13,2 Prozent), den Niederlanden (15,2), Dänemark (15,2) oder Finnland (16,0).

Gesunde Ernährung, angemessener Wohnraum und Bildung für alle Kinder

Mit der Europäischen Garantie für Kinder soll jetzt ein Instrument zur europaweiten Bekämpfung von Kinderarmut geschaffen werden. Die Kindergarantie ist Teil des Aktionsplans zur Umsetzung der Europäischen Säule “Soziale Rechte”. Deren Ziel ist es, die Armuts- und Ausgrenzungszahlen in der EU drastisch zu senken. Kurz zusammengefasst soll es darum gehen, den Zugang zu Gesundheitsversorgung und Bildung zu verbessern, aber auch gesunde Ernährung und guten Wohnraum für alle Kinder sicherzustellen.

Konkret werden die Mitgliedstaaten mit der europäischen Kindergarantie ersucht, folgende Leistungen für alle Kinder zu garantieren:

  • effektiver und kostenloser Zugang zu frühkindlicher Betreuung, Bildung und Erziehung, Bildungsangeboten und schulbezogenen Aktivitäten
  • mindestens einer gesunden Mahlzeit pro Schultag
  • Gesundheitsversorgung sowie effektiver Zugang zu gesunder Ernährung und angemessenem Wohnraum.

Kein verbindlicher Charakter

Die Kindergarantie zielt nicht alleine auf armuts- und ausgrenzungsgefährdete Kinder und Jugendliche ab, sondern auf alle Kinder der EU-Länder. Finanziert werden sollen die Maßnahmen zur Umsetzung der Kindergarantie aus dem Budget des Europäischen Sozialfonds (ESF+) und Mitteln aus dem Europäischen Fonds für regionale Entwicklung (EFRE). Jeder Mitgliedsstaat soll zumindest fünf Prozent aus dem Sozialfonds für die Kindergarantie einsetzen. Insgesamt ist der Fonds mit 88 Milliarden Euro ausgestattet, Österreich wird für die Jahre 2021-2027 rund 900 Millionen Euro zur Verfügung haben. Nur ein Teil davon wird für die Kindergarantie zur Verfügung stehen, auch viele andere Projekte (wie „Aktives Altern“ oder „Lebenslanges Lernen“) werden aus dem Topf finanziert. 

Die Europäische Kindergarantie hat keinen verbindlichen Charakter, sie ist nur eine “Empfehlung” der EU und keine Verordnung. Die österreichische Regierung hat bereits den Kinderarzt Klaus Vavrik als nationalen Koordinator für die Umsetzung der Kindergarantie nominiert. Nun muss ein konkreter Aktionsplan für die Umsetzung der notwendigen Maßnahmen bis 2030 erarbeitet werden. Die EU-Kommission überwacht die Umsetzung der Maßnahmen im Rahmen des Europäischen Semesters und gibt den Mitgliedstaaten jährlich Rückmeldungen und Handlungsempfehlungen.

Das reicht noch lange nicht im Kampf gegen Kinderarmut

Diese Initiative ist begrüßenswert und die Zielsetzungen stellen eine gute inhaltliche Grundlage zur Bekämpfung von Kinderarmut dar. Besonders für jene Mitgliedsstaaten, deren Armutsgefährdungsquoten weit über dem EU-Schnitt von 22,5 Prozent (2019) liegen, sind die Herausforderungen groß. Die Kommission fordert ihre Mitgliedsstaaten auf, angemessene finanzielle Mittel zur Bekämpfung von Kinderarmut bzw. für die Realisierung der Kindergarantie bereit zu stellen. Die Bereitschaft der Mitgliedsstaaten und deren finanzielle Möglichkeiten bilden also die Basis für den EU-Vorschlag. Das belastet gerade Staaten, deren volkswirtschaftliche Mittel geringer sind. Außerdem umfasst die Kindergarantie viele Leistungen, die für alle Kinder und Jugendlichen bereitstehen sollen –  sie orientiert sich nicht zwangsläufig an den speziellen Herausforderungen armutsbetroffener Kinder und Jugendlicher. 

In Österreich liegt das Niveau sozialstaatlicher Leistungen deutlich höher als in Ländern, in denen die Kinderarmut besonders hoch ist. Gleichzeitig leben auch in Österreich, einem der reichsten Länder der EU, mehr als 350.000 Kinder und Jugendliche unter Armuts- und Ausgrenzungsgefährdung. Armut und Ausgrenzung haben Auswirkungen auf alle Lebensbereiche und verschlechtern das Leben von Kindern. Sie brauchen kulturelle Teilhabe, dazu zählen Schulausflüge ebenso wie die Musikschule, Nachhilfe oder ein Sprachaufenthalt. Die mehrfach belegten gesundheitlichen Risiken durch Armut müssen für diese Kinder reduziert werden – durch Therapieplätzen auf Krankenschein, Projekte zur Steigerung der Gesundheitskompetenz und der Zahn- und Mundgesundheit. 

Neben einer engagierten Umsetzung der europäischen Kindergarantie braucht es daher in Österreich die Einführung einer Kindergrundsicherung, die es schafft, weitgehend alle Kinder und Jugendliche in Österreich aus Armut und Ausgrenzung zu befreien. In dem Modell der Volkshilfe ist für jedes Kind ein Sockelbetrag von 200 Euro pro Monat vorgesehen, je nach materieller Möglichkeit der Familie können bis zu 425 Euro in einer abflachenden Kurve zusätzlich ausbezahlt werden. Dieses auf den ersten Blick utopische Modell ist bei näherer Betrachtung (und Berechnung) eine realistische Möglichkeit: Die Kosten für die flächendeckende Umsetzung in Österreich würden rund 2 Milliarden Euro ausmachen. Ein leistbarer Betrag und eine Investition für mehr Gleichberechtigung. Österreich könnte damit ein Leuchtturmprojekt innerhalb der europäischen Union starten und das erste Land sein, dass Kinderarmut tatsächlich überwindet.

Parlament Das Thema "Kinderarmut" im Parlament

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In keinem Land der Eurozone ist Vermögen so ungleich verteilt wie in Österreich. Die reichsten 1 Prozent besitzen 41 Prozent des gesamten Vermögens, während die ärmere Hälfte Österreichs zusammen nur 3 Prozent des Vermögens besitzt. Der Großteil der Superreichen ist nicht durch harte Arbeit oder kluge Geschäftsideen zu Reichtum gekommen, sondern hat sein Vermögen geerbt. Auf diese gigantischen Erbschaften zahlen sie außerdem keinen Cent Steuern. Der Sozialökonom Stephan Pühringer argumentiert, dass diese Ungleichheit Gift für unsere Gesellschaft ist. Immer mehr Geld und Macht sind in der Hand von einigen wenigen konzentriert, während der Rest der Bevölkerung durch eigene Arbeit kaum mehr zu bescheidenem Wohlstand kommt. Zitat: Das Verhältnis zwischen Superreichen und dem Rest der Bevölkerung ist komplett aus dem Lot geraten. Gigantische Vermögen werden ohne jegliche Leistung oder Besteuerung vererbt. Das gefährdet den Zusammenhalt in unserer Gesellschaft. Stephan Pühringer

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