Sie stehen an der Spitze der Gesellschaft, sie sind privilegiert und können durch Beziehungen und viel Geld dafür sorgen, dass ihre Interessen in Medien und Politik Gehör finden: Reiche und Superreiche. Und obwohl die Schere zwischen Arm und Reich immer weiter aufgeht, verhallen Forderungen nach Vermögens- und Erbschaftssteuern im Nichts. Ein paar Millionäre wollen das ändern und mehr Steuern zahlen. Gerd Hofielen und Antonis Schwarz sind selbst vermögend – aber wollen, dass man sie endlich fair besteuert. Wir haben mit ihnen über die “Welt der Reichen” gesprochen und warum sich diese – erfolgreich – gegen Steuern wehren.
Die Reichsten der Welt haben von der Krise profitiert. Absurderweise gerade weil die Wirtschaft eingebrochen und der Staat eingesprungen ist. Während der Staat – und damit die Steuerzahler:innen Wirtschaftshilfen finanziert haben, konnten reiche Aktionäre entspannt zusehen, wie die Aktienkurse stiegen und sich ihre Depots füllten. Einer von ihnen war Gerd Hofielen. „Mein Aktien-Depot ist im Wert im Laufe der letzten zwei, drei Jahre um 30 Prozent gewachsen“, rechnet er vor. Er tut das allerdings nicht protzig, im Gegenteil. Dass sein Vermögen so schnell gewachsen ist – noch dazu auf diese Weise – betrachtet er kritisch. Gerd Hofielen ist Millionär, Unternehmer und Mitinitiator von “Millionaires for Humanity“. Er und andere Vermögende fordern, dass man sie endlich gerecht besteuert – damit Reiche und Superreiche ihren Beitrag zum Gemeinwohl leisten.
Die Krisenpolitik der Staaten hat Aktionäre und Immobilienbesitzer reicher gemacht
Die Gemeinschaft, findet Hofielen, hat gerade in der Krise viel abgefedert. „Wir haben zur Bewältigung der Corona-Krise sehr viel Aktivität von Seiten der Staaten erlebt – kluge Aktivität. Weil man etwa die gesunkene private Nachfrage durch öffentliche Nachfrage ersetzt hat. Man hat Unternehmen unterstützt – und Privatpersonen. Das waren alles sehr gute Taten von vielen europäischen Staaten. Das hat den Konsum und die Wirtschaft stabilisiert“, resümiert Hofielen.
Doch der Nebeneffekt war, dass Unternehmenswerte wie Aktien und Sachwerte wie Immobilien im Wert enorm zugenommen haben. Die Vermögenszuwächse der Reichsten waren riesig. Es ist also an der Zeit und gerecht, etwas zurückzugeben. Am besten über angemessene Steuern.
“taxmenow“: 52 Millionäre wollen mehr Steuern auf Vermögen zahlen
Derselben Meinung ist Antonis Schwarz. Anders als Gerd Hofielen ist er nicht als Unternehmer reich geworden, sondern als Erbe. Seine Familie gründete einst die Schwarz Pharma AG, die zu den 80 größten deutschen Aktiengesellschaften zählte. 2006 verkaufte die Familie Schwarz ihre Arzneimittelfirma – für über 4 Milliarden Euro. Antonis Schwarz ist 33 Jahre alt, wuchs in München auf und bekam, als er volljährig wurde, ein Millionenerbe ausgezahlt. Er investiert in Unternehmen und Organisationen, die soziale oder ökologische Ziele verfolgen. Er hat zudem die Guerrilla Foundation gegründet, die Aktivist:innen in Europa bei ihrem Engagement finanziell unterstützt.
Das allein reicht aber nicht, sagt Schwarz. Er will – wie Gerd Hofielen – dass man ihn und alle anderen Millionäre gerecht besteuert. Deshalb haben beide die Initiative „taxmenow“ unterzeichnet. Sie fordert eine Vermögenssteuer für Millionen- und Milliardenvermögen sowie strengere Regeln gegen Steuerhinterziehung und Steuertricks. Dass Superreiche ihr Vermögen in Steueroasen bunkern, ist in Hofielens Augen „delinquentes Verhalten“, gegen das die staatlichen Mittel derzeit offenbar zu schwach sind. Das muss sich ändern.
52 Vermögende haben bisher die Forderungen von „taxmenow“ unterzeichnet. Mit dem Wunsch, selbst höher besteuert zu werden, sind Schwarz, Hofielen und die übrigen 50 jedoch in der Minderheit. „Superreiche hassen nichts mehr, als Steuern zu zahlen“, bringt Antonis Schwarz das Problem auf den Punkt.
Bloß nicht dem Staat das eigene Geld geben!
Die ganz Reichen, sagt Schwarz, haben nun mal andere Prioritäten als das Gemeinwohl oder gar eine faire Verteilung von Wohlstand.
„Wenn man über sehr vermögende Familien spricht, dann geht es denen ganz grob um drei Sachen: Sie wollen ihr Geld durch Investitionen vermehren. Sie wollen ihre Steuern minimieren. Und sie wollen ihr Geld – möglichst steuerfrei – an die nächste Generation weiterreichen. Ihre Kinder erziehen sie dann so, dass die das dann genauso machen“, sagt Schwarz.
Der Staat soll den Reichen zufolge möglichst wenig auf ihr Vermögen zugreifen. Aber warum eigentlich? Staatshilfen in Krisenzeiten sind gern gesehen, wenn sie den eigenen Unternehmen oder dem Aktiendepot nützen. Aber der Staat als Steuereintreiber? Der ist verhasst. Er wird als „Bürokratiemonster“ empfunden – als ineffiziente Institution, erklärt Schwarz das Weltbild von Millionären und Superreichen.
Würde man vom eigenen Vermögen mehr abgeben, so die Überzeugung, würde das Geld in Staatsapparaten versickern. Selbst aber würde man kluge Investitionsentscheidungen treffen, die das Geld vermehren – wenn auch nur für einen selbst.
„Natürlich sind Staaten nicht so flexibel wie ein Unternehmen. Aber sie bieten Stabilität, das haben wir in der Corona-Krise gesehen. Wir brauchen einen starken Staat. Das ist eine gute Sache“, findet Gerd Hofielen. Dass der Staat bei vielen Reichen so verhasst ist, liegt laut ihm mitunter daran, dass die Reichen nicht auf ihn angewiesen sind. Superreiche können sich selbst die exzellentesten Ärzt:innen, die teuersten Schulen und Sicherheits-Infrastruktur leisten.
Selfmade-Millionäre? Die gibt es nicht!
Doch ob darauf angewiesen oder nicht, auch die Vermögenden profitieren von staatlichen Leistungen – auch abseits von Krisen. Bahn- und Fluginfrastruktur, ein gut finanziertes Gesundheits-, Sicherheits- und Justizsystem genauso wie gute Schulen und Fortbildungseinrichtungen nützen sie genauso. Für Gerd Hofielen sind sie sogar die Grundlage für individuelles Fortkommen, denn erst sie ermöglichen ein gutes Aufwachsen und überhaupt die Chance, zu Wohlstand zu kommen.
Er selbst hat eine Lehre abgeschlossen – und ging über den zweiten Bildungsweg an die Universität. Er studierte erst Betriebswirtschaft, dann Psychologie. Hätte es diese Möglichkeit nicht gegeben, staatlich bereitgestellt, hätte er den von ihm gewählten Weg nicht einschlagen können. Hofielen arbeitete nach seinem Studium mehrere Jahre als Angestellter in einem internationalen Unternehmen. Mit 35 machte er sich mit einer Beratungsfirma selbstständig – und ist einige Jahre später vermögend. Als „selfmade Millionär“ will er sich allerdings nicht verstanden wissen.
„Wenn jemand sagt, er hat alles allein aus eigener Kraft geschafft, ist das sicherlich eine Lüge. Es ist immer eine Mischung aus eigenem Einsatz und dem, was die Gesellschaft zur Verfügung stellt. Das Quäntchen Glück braucht man natürlich auch“, sagt Hofielen.
Doch das Bild des Millionärs, der es ganz allein geschafft hat – aus Willenskraft, harter Arbeit und Klugheit – ist eines, das viele Vermögende gern von sich haben. Sogar die, die über ein Erbe reich geworden sind. Ganz ohne eigene Leistung.
Wenn reiche Erben überzeugt sind, sich alles allein erarbeitet zu haben
Die Soziologin Hannah Quinz hat wissenschaftlich untersucht, wie reiche Erb:innen ihre privilegierte Position deuten und ihren eigenen Wohlstand erklären. Das Ergebnis: Weil wir in einer Leistungsgesellschaft leben, zimmern sich auch Vermögens-Erb:innen ein Selbstbild zurecht, in dem sie die wahren Leistungsträger:innen sind und sie ihre Position an der Spitze der Gesellschaft als „gerecht“ empfinden können.
Quinz unterscheidet, basierend auf den Interviews in ihrer Studie, zwei Typen vermögender Erb:innen: Einmal jene, die ihre soziale Herkunft hinunterspielen und der Meinung sind, sich alles selbst erarbeitet zu haben – sie betreiben leistungsorientierte Abwertung. Diese Erb:innen sehen in ihren Abschlüssen von Elite-Universitäten das Ergebnis individueller harter Arbeit. Dass die Studiengebühren für solche Unis nur für eine vermögende Minderheit leistbar ist, hinterfragen sie nicht.
„Es ist kein Bewusstsein dafür da, dass nicht alle Menschen so einen Lebensweg wie sie beschreiten können und dasselbe Vermögen lukrieren können“, fasst Quinz zusammen. Angehörige dieses Typus stehen auch staatlichen Transferleistungen eher ablehnend gegenüber. Nach dem Motto: Wer sich anstrengt, wird es schon von selbst schaffen.
Der zweite Typus laut Quinz betreibt statusorientierte Würdigung. Diese Erb:innen sind sich ihrer Privilegien bewusst. Sie sind auch eher wohltätig und wollten über Spenden oder wohltätige Stiftungen etwas zurückgeben. Die Probleme dabei: Leisten Vermögende nur über Wohltätigkeit einen Beitrag, entscheiden Einzelpersonen nach Gutdünken, wohin das Geld fließt. Und: Die Summen, um die es dabei geht, sind viel kleiner als wenn über Vermögens- und Erbschaftssteuern von oben nach unten verteilt wird. „Das sind Peanuts im Vergleich zur Größe des Vermögens“, beschreibt es Antonis Schwarz. Vielen würde es bloß um ihre Egos gehen und darum, dass Museen oder andere Einrichtungen nach einem benannt werden. Mit mehr Gerechtigkeit hat das dann nichts zu tun.
Spenden, Stiftungen und Co. lösen Ungleichheit nicht – sie sind Teil des Problems
Auch Gerd Hofielen glaubt nicht, dass Philanthropie, also karitatives Handeln, an der krassen Ungleichheit in unserer Gesellschaft etwas verändert.
„Durch Philanthropie entsteht ein Zuwachs zum Gemeinwohl im Rahmen von zwei Prozent dessen, was Vermögende besitzen. Das heißt also, man gibt zwei Prozent weg. Und das ist meines Erachtens zu wenig. Es ist ein Tarn-Manöver“, rechnet Hofielen vor.
Geht es nach Antonis Schwarz und Gerd Hofielen, führt an einer Vermögenssteuer kein Weg vorbei. Vermögen ist derzeit so stark in den Händen einiger weniger konzentriert, dass es am Ende auch die Demokratie und den sozialen Frieden gefährdet.
Wer Geld hat, hat Macht. Superreiche sind ihre eigene Lobby. Sie können es sich leisten, zu ihren Gunsten in Medien oder sogar in politische Partien zu „investieren“. Am besten in jene, die mit dafür sorgen, dass es auch in Zukunft keine höheren Unternehmenssteuern, Vermögens- oder Erbschaftssteuern gibt.
„Die Wirtschaft und die Politik sind stark miteinander verflochten. Das läuft über Parteispenden und die Vergabe von Posten. In Deutschland ist es ja ganz legal, dass man als Unternehmen Politiker:innen bezahlen kann. Es ist unfassbar, was da für Beträge fließen“, sagt Schwarz.
Befragte sind für Vermögenssteuer – Medien und Politik aber mehrheitlich dagegen
Schwarz hat im Bundestagswahlkampf 2021 den Grünen 500.000 Euro gespendet. Er hat gehofft, dass diese sich als Teil der Regierung für Vermögenssteuern stark machen.
Die Forderungen von Schwarz, Hofielen und „taxmenow“ finden in der Bevölkerung eigentlich großen Zuspruch. Wie eine Analyse des Momentum Instituts zeigt, sprechen sich in Österreich seit 2009 fast immer mehr Befragte für als gegen Vermögenssteuern aus. Diese klare Position findet aber keinen Eingang in Gesetzgebung oder Medien.
Weder unter der ÖVP-FPÖ-Koalition noch unter der ÖVP-Grünen-Regierung sind Vermögens- und Erbschaftssteuern ein Thema. Anträge der Opposition auf die Einführung einer Millionärssteuer wurden abgelehnt. Und in Deutschland, wo Antonis Schwarz und Gerd Hofielen zu Hause sind? Dort wird es – auch mit Grünen in der Regierung – weder eine Vermögenssteuer noch eine Erhöhung der Erbschaftssteuer geben.
Die Mehrheit der Millionäre – und Milliardäre – wird das in beiden Ländern freuen. Für Antonis Schwarz und Gerd Hofielen bedeutet es, weiterhin mit anderen gleichgesinnten Vermögenden für umverteilende Steuern zu lobbyieren. Bis sie ihre Ziele erreichen, werden sie mit ihren eigenen Initiativen – wie der Guerilla Foundation oder der Gemeinwohl-Ökonomie – einen Beitrag leisten.
- 1994 hat man in Österreich die Vermögenssteuer abgeschafft. 2008 Erbschafts- und Schenkungssteuern. Die Konsequenz: 80 Prozent des Geldes, das der österreichische Staat zur Verfügung hat, stammt aus Löhnen und Gehältern. Das liegt auch daran, dass die Körperschaftssteuer, also die Steuer auf die Gewinne von Unternehmen, im Vergleich sehr niedrig ist (siehe hier). Wer arbeitet, leistet also überdurchschnittlich viel für die Gesellschaft.
- Nicht nur die Steuerpflichten, auch die Einkommen sind ungleich: Die obersten 10 Prozent der Bevölkerung erhalten das 7,6-fache Einkommen von dem, was die untersten 10 Prozent verdienen. Das ist einiges. Trotzdem steht Österreich, was die Einkommen betrifft, relativ gut da.
- Anders ist es bei Vermögen: Die Vermögen in Österreich sind weit ungerechter verteilt als in anderen Ländern. Die Nettovermögen (also Gesamtvermögen minus Schulden) liegen insgesamt bei 1.137 Milliarden Euro. Das reichste 1-Prozent besitzt 40,5 % davon. Die untere Hälfte der Österreicher besitzt hingegen bloß 2,5 % dieses Nettovermögens.
- Mehr als ein Drittel der österreichischen Bevölkerung hat ein Vermögen zwischen 0 bis 50.000 Euro (knapp 38 %). Etwa 10% der Bevölkerung hat ein Nettovermögen von über 500.000 Euro. Und am anderen Ende der Statistik: über 6 % der österreichischen Haushalte hat mehr Schulden als Vermögen.