Der Bürgermeister von Ober-Grafendorf ist wütend: Im Gemeindebudget fehlt es an allen Ecken und Enden. So kann der Kindergarten doch nicht ausgebaut werden, weil er der Gemeinde plötzlich statt 900.000 Euro rund drei Millionen kosten würde. Auch der Fußballplatz muss früher das Licht abdrehen. Dabei steht Ober-Grafendorf finanziell gut da. Doch die explodierenden Energiekosten kann keine Gemeinde mit ihrem Budget schultern, wenn sie von der Regierung alleine gelassen wird. Das ärgert Rainer Handlfinger, den Bürgermeister der 4.700-Einwohner-Gemeinde Nähe St. Pölten.
Wenn es nach der Niederösterreichischen Landesregierung geht, gibt es nur für die über 3-Jährigen einen abgesicherten Kindergartenplatz. Für Rainer Handlfinger ist das zu wenig. Deshalb soll es in Ober-Grafendorf auch für alle 2,5-Jährigen einen gratis Kindergartenplatz geben.
Doch kein Kindergarten: Kosten pro Gruppe haben sich verdreifacht
Aus diesem Grund hat die Gemeinde in ihrem Budget neben einem Gesundheitszentrum und einem neuen Hauptplatz den Ausbau vom Kindergarten vorgesehen. Das Geld dafür wurde sorgfältig im Voraus eingeplant. Drei Gruppen sollten dort unterkommen, eigentlich hätte er im Herbst 2023 in Betrieb genommen werden sollen.
„Das wäre sich auch jetzt wunderbar ausgegangen, aber so rasant wie sich die Situation entwickelt, mussten wir einfach die Notbremse ziehen. Das dritte Projekt – das wäre der Kindergarten Zu- und Neubau gewesen – können wir jetzt nicht umsetzen.“
Denn weil die Energiepreise explodieren und die Einnahmen sinken, ist das Projekt jetzt unmöglich. Hatte der Gemeinde 2012 eine Kindergartengruppe noch 300.000 Euro gekostet – auch dank erheblich höherer Landes-Förderungen – beläuft sich das Angebot aufgrund der massiven Baukosten jetzt auf rund 1 Million Euro pro Gruppe. Eine Summe, die die Gemeinde nicht stemmen kann. Der Ausbau wäre mit rund 3 Millionen Euro für die Gemeinde knapp 100 Prozent teurer als der gesamte 2012 neugebaute Kindergarten für 5 Gruppen.
„Das geht sich nicht aus“, sagt Handlfinger.
Stattdessen hat die Gemeinde ein Provisorium eingerichtet – in einem jahrelang leerstehenden Geschäft. Zwei Gruppen finden dort Platz, aber eine Dauerlösung ist es nicht. Denn für das Gebäude ist der Abriss bereits vorgesehen.
Energie kostet im nächsten Jahr 600.000 Euro statt 180.000 Euro
Man merkt schnell, wie sehr die Gemeinden aktuell unter Druck sind und wie groß die Bemühungen sind, das Gemeindeleben trotz allem am Laufen zu halten. Doch die Situation ist dramatisch – in den letzten 40 Jahren gab es keine vergleichbaren Herausforderungen für die Bürgermeister, meint Handlfinger. Denn neben den massiv erhöhten Baukosten steht die Gemeinde auch vor einer Kostenexplosion bei den laufenden Energiekosten:
„Wir rechnen jetzt mit knapp 600.000 € Energiekosten im kommenden Jahr – im Gegensatz zu 180.000 noch im letzten Jahr“, sagt Handlfinger.
Dazu kommt eine Verdreifachung der Zinsen für die laufenden Kredite der Kommune sowie sinkende Einnahmen. Im nächsten Jahr rechnen sie mit einem Minus von 0,9% bei den Ertragsanteilen – also den Geldern, die vom Bund über die Länder an die Gemeinden ausgeschüttet wird.
Gemeinden fehlen 2023 bis zu 1,2 Milliarden Euro |
Die Energiekrise samt Inflation trifft die österreichischen Gemeinden fast doppelt härter als die Corona-Krise. Den Gemeinden (ohne Wien) werden im nächsten Jahr bis zu 1,2 Milliarden Euro fehlen – errechnete das Zentrum für Verwaltungsforschung. Denn: Die laufenden Ausgaben steigen doppelt so stark wie die Einnahmen. Die Gemeinden sind gezwungen, zu sparen: Man begrenzt Raumtemperaturen in öffentlichen Gebäuden, schaltet Warmwasser und Außen-Beleuchtung ab, wo es möglich ist. Doch das allein wird nicht reichen. Darum fordern viele Gemeinden Hilfen von Bund und Ländern oder sogar eine Energiepreis-Bremse. |
Kann Gemeinde bald nur noch lebensnotwendige Leistungen am Laufen halten?
Für die Gemeinde ist es eine Katastrophe – und vielleicht erst der Beginn von einer Abwärtsspirale.
„Für den Fall, dass es so weitergeht, schaut es düster aus. Auch wenn der Vergleich dramatisch ist: Wenn du beim Erfrieren bist, dann werden als erstes die Finger erfrieren und du musst schauen, dass das Herz überleben kann. Du musst Dinge opfern, die nicht lebensnotwendig sind, auch wenn du daran nicht denken willst. Natürlich gibst du da zuerst die Kultur und die Kunst und den Sport auf“, klagt Handlfinger.
Dazu zählt etwa auch, den Fußballplatz eine halbe Stunde weniger zu beleuchten oder die Sporthalle um 2 Grad weniger zu heizen. Und ob die Gemeinde nächstes Jahr die Wiese beim Ebersdorfer See mähen kann oder nicht, ist auch noch nicht sicher. Immerhin kostet das 30.000 bis 40.000 Euro.
Dabei steht Ober-Grafendorf noch besser da, als andere Gemeinden. Sie sind finanziell sehr gut aufgestellt, haben in ihrem Jahresbudget rund eine Million Euro zur freien Verfügung sowie starke Betriebe in der Gemeinde. In den letzten Jahren haben sie ihre Schulden halbiert, den Umstieg vom Gas auf Hackschnitzel forciert und mit Energie-Einsparungsmaßnahmen ihre jährliche Heizenergie um 10 Prozent gesenkt.
„Das hilft schon sehr viel. Aber wenn die Preise so stark steigen, kannst du das nur etwas abmildern. Du kannst mit deinen Einsparungsmaßnahmen als Gemeinde nicht das wieder wettmachen, was die Preissteigerungen draufschlagen“, sagt der Bürgermeister.
Ein Gaspreisdeckel wäre dringend notwendig
Dass die Regierung keine Maßnahmen trifft, um die Lage zu verbessern, kann Handlfinger deshalb nicht nachvollziehen.
„Und was tut die Regierung? Die macht Einmalzahlungen. Meine Gemeindebürger kriegen jetzt 500 €. Wer glaubt, dass das dann vorhanden ist, wenn die Stromrechnung kommt, hat sich geschnitten. Das ist ja lachhaft, wenn man das glaubt“, ärgert er sich.
Vielmehr bräuchte es einen Gaspreisdeckel, der Strompreis müsste vom Gaspreis entkoppelt werden. Denn das Merit-Order-System ist einer der Gründe, warum die Energiepreise so in die Höhe schnellen – und das ist veränderbar.
„Mit welcher Unvernunft da teilweise regiert wird, ist wirklich himmelschreiend. Dass man eingreift, wenn der Markt nicht mehr funktioniert, das ist doch die ureigenste politische Aufgabe.“
Stattdessen profitieren einige Wenige an der aktuellen Krise: „Das ist die eigentliche Sauerei, dass dann beispielsweise die Aktionäre bei der OMV mit diesen Preisen unglaubliche Vermögen verdienen, wofür aber der Staat den Bürgern Geld geben muss, weil sie das sonst nicht mehr zahlen können. Das ist ja eine steuerliche Finanzierung von Aktionärsgewinnen!“
Bis die Regierung spürbare Maßnahmen trifft und sich die Situation wieder entspannt, ist es Handlfinger, der als politisch Verantwortlicher von Ober-Grafendorfer:innen dafür kritisiert wird, wenn der Kindergarten jetzt doch nicht ausgebaut wird oder am Fußballplatz früher das Licht ausgeht.
Ganz im Sinne der korrupten, Markt hörigen Regierung.
Widerlich!
Die gehören alle aus dem Amt gejagt.