Die letzten neun Finanzminister wurden allesamt von der ÖVP nominiert. Gegen 5 von ihnen ermittelt aktuell die Staatsanwaltschaft. Gegen zwei weitere liefen in der Vergangenheit bereits Verfahren. Die Vorwürfe erstrecken sich von Korruption über Postenschacher, wirtschaftliche Untreue bis hin zum Amtsmissbrauch. Bei den Fällen drängt sich der Verdacht auf: ÖVP-Finanzminister sehen sich meist als Lobbyisten für Millionäre und Großkonzerne. Es gilt die Unschuldsvermutung.
1. Gernot Blümel
Gernot Blümels Aufstieg ist so eng mit dem Werdegang des Ex-Kanzlers Sebastian Kurz verbunden wie kein anderer. Blümel war zuerst Kurz‘ Kanzleramtsminister und stieg dann zum Finanzminister auf. In dieser Funktion war er von Jänner 2020 bis Dezember 2021. Als Kurz gehen musste, legte auch wenig später Blümel sein Amt nieder.
Immer wieder war er mit Vorwürfen konfrontiert und in Skandale verwickelt. Die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) ermittelt gegen Blümel in der Causa Casinos wegen Korruptionsverdacht. Die Vermutung lautet, dass es Geldflüsse der Novomatic an oder in die Sphäre der ÖVP gegeben hat und es dafür politische Gegenleistungen von ÖVP-Politikern gab. Darauf deutet unter anderem ein SMS-Verkehr zwischen Gernot Blümel und Novomatic-Chef Harald Neumann hin. Der schreibt an Blümel: „Bräuchte kurzen Termin bei Kurz. 1) wegen Spende 2) wegen des Problems, das wir in Italien haben.“ Fakt ist, dass Kurz acht Tage nach dieser SMS einen 4-Augen-Termin beim italienischen Außenminister hatte und letztlich die Novomatic zwischen 20 und 40 Millionen Euro weniger Steuern in Italien zahlen musste. Die Ermittler prüfen nun ob Sebastian Kurz auf Vermittlung Blümels sich für Novomatic in Italien einsetzte. Es gilt die Unschuldsvermutung.
2. Hartwig Löger
Löger kommt aus der Versicherungsbranche. Er war nicht nur Vorstandsvorsitzender der Uniqa Versicherung, sondern hielt selbst laut News 12.500 Aktien am Uniqa-Unternehmen. 2017 wurde er unter Bundeskanzler Kurz Finanzminister und blieb es bis zur Übergangsregierung von Brigitte Bierlein 2019. Wenige Tage war er sogar Kurzzeit-Bundeskanzler.
Die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft ermittelt gegen Löger in der Casinos Causa, bei der es um angebliche Absprachen und Postenschacher geht. Im März 2019 hat der Aufsichtsrat der Casinos Austria einen neuen, dreiköpfigen Vorstand besetzt. Unter ihnen: Peter Sidlo (FPÖ). Dahinter stand eine koalitionsinterne Abmachung zwischen ÖVP und FPÖ, wonach „beide Regierungsfarben im neuen Casinos-Vorstand“ vertreten sein sollten. Der Verdacht lautet, dass Finanzminister Löger Casinos-Aufsichtsratschef Rothensteiner mitgeteilt habe, dass aufgrund eines „Deals“ zwischen Novomatic und der FPÖ der Kandidat Sidlo ernannt werden müsse. Das soll eine Aktennotiz Rothensteiners belegen.
Dass Löger bei den Deals beteiligt war, darauf deutet auch die Chat-Nachricht des früheren FPÖ-Obmanns Heinz-Christian Strache hin, der sich für die Unterstützung Lögers bei den Casinos (CASAG) bedankte. Löger antwortete darauf mit einem „Daumen hoch“.
Gegen Löger wird wegen Verdacht des Amtsmissbrauchs ermittelt, im November 2021 fand eine Hausdurchsuchung bei ihm statt, bei der auch sein Handy beschlagnahmt wurde. Für alle Beteiligten gilt die Unschuldsvermutung.
3. Hans Jörg Schelling
Schelling war von September 2014 bis Dezember 2017 ÖVP-Finanzminister. In seine Amtszeit fallen enorme politische Interventionen auf die Finanzverwaltung, um einen Steuernachlass in Höhe von über vier Millionen für den Investor Siegfried Wolf zu erreichen. Das zeigen sowohl Chats, als auch die Befragung von Finanzbeamten im laufenden U-Ausschuss. Schelling dürfte in dieser Causa als Beschuldigter geführt werden, wie der Standard berichtet.
Die zentrale Rolle bei Wolfs Steuernachlass spielte Schellings damaliger Generalsekretär Thomas Schmid. Er setzte für Wolf alle Hebel in Bewegung und hielt ihm ständig auf dem Laufenden. Doch auch mit dem damaligen Finanzminister Schelling selbst war Wolf in Sachen Steuernachlass in Kontakt. Im September 2016 informierte der Investor ihn, dass er mehrfach mit Schmid diesbezüglich geredet habe. “Kümmere mich darum”, antwortete der Finanzminister. Auch mit Schmid tauschte sich Schelling über den Steuernachlass für Wolf aus und bat ihn dann: “Bitte SMS gleich löschen.” Selbst nach seiner Zeit als Finanzminister setzte sich Schelling weiter für die Interessen des Millionärs ein: Während der Übergangsregierung 2019 verschaffte Schelling Wolf einen Rückruf des damaligen Finanzministers Eduard Müller, der unter Schelling Sektionschef gewesen war. “Wie aus den Chats ersichtlich ist, habe ich zugesagt, dass der Steuerberater von Herrn Wolf seine Argumente nochmals darstellen kann, weil es auch intern zwei Meinungen gab. Ansonsten gab es keinerlei Zusagen oder Interventionen meinerseits”, sagte Schelling im Dezember zum Standard. Für alle Beschuldigten gilt die Unschuldsvermutung.
4. Josef Pröll
Josef Pröll war von Dezember 2008 bis April 2011 Finanzminister der ÖVP. Danach wurde Pröll Mitglied im Aufsichtsrat verschiedener Firmen, etwa von Agrana, Siemens Österreich und den Casinos Austria. Bei den Casinos saß er 2019 im Aufsichtsratspräsidium als es zu einer bemerkenswerten Personalrochade kam, die er absegnete. Der damalige Casinos-Chef Alexander Labak und Vorstandsmitglied Dietmar Hoscher wurden vorzeitig abgelöst. Labak und Hoscher mussten mit Millionen abgefertigt werden. Gleichzeitig wurde der FPÖ-Bezirksrat Peter Sidlo zum Finanzvorstand gekürt – ein Millionen-Euro-Job. Die WKStA erhebt den Vorwurf, dass Labak und Hoscher nur gehen mussten, damit Sidlo kommen konnte. Hintergrund soll ein Deal zwischen ÖVP und FPÖ in der Regierung gewesen sein, was der Casinos-Aufsichtsratvorsitzende Rothensteiner in einem Aktenvermerk damals festhielt (siehe Löger). Zudem sei Sidlo für den Job nicht qualifiziert gewesen, so die Ermittler.
Bei Pröll hat die Korruptionsstaatsanwaltschaft bereits 2019 eine Hausdurchsuchung durchgeführt. Pröll und sein Casinos-Aufsichtsratskollege Rothensteiner beschwerten sich bei einem Termin im Justizministerium beim mächtigsten Justizbeamten Christian Pilnacek über das Vorgehen der Staatsanwaltschaft ihnen gegenüber. Für Pilnacek ein völlig normaler Vorgang, Staatsbürger sollen das Recht haben sich zu beschweren. Ob jeder so leicht einen Termin bei einem Sektionschef im Justizministerium bekommt wie Pröll und Rothensteiner, sei dahingestellt. Im April 2021 hat Prölls Anwalt, Klaus Ainedter, einen Antrag auf Einstellung der Untreue-Ermittlungen eingebracht, das Gericht hat ihn Ende Juni abgewiesen. Es gilt die Unschuldsvermutung.
5. Karlheinz Grasser
Grasser war von 2000 bis 2003 Finanzminister für die FPÖ, dann parteiloser Finanzminister auf ÖVP-Ticket. 2016 wurde er in der BUWOG-Causa angeklagt. Dabei geht es um die Privatisierung von 60.000 Bundeswohnungen während der Regierung Schüssel im Jahr 2004, bei der Grasser, der PR-Berater Peter Hochegger und der Lobbyist und ehemalige FPÖ-Politiker Walter Meischberger 9,6 Millionen Euro Provision eingesteckt und über eine Briefkastenfirma namens Astropolis an der Finanz vorbeigeschmuggelt haben sollen. Der Vorwurf lautet, dass Grasser Insiderinformationen aus dem Finanzministerium über das Angebot der meistbietenden CA Immo an die Immofinanz weitergab. In letzter Minute stellte die Immofinanz ein Angebot knapp darüber und bekam den Zuschlag. Dafür soll die Provision an Grasser geflossen sein. Ein ehemaliger Mitarbeiter Grassers bezeichnete den Deal als „abgekartetes Spiel“. Gegen Grasser wurde wegen Verdachts auf Amtsmissbrauch, Bruch des Amtsgeheimnisses und Verdachts auf Untreue ermittelt. Am 4. Dezember 2020 wurde Ex-Finanzminister Karl-Heinz Grasser in erster Instanz zu mehrjährigen Haftstrafen verurteilt – das Urteil ist nicht rechtskräftig.
Wie umgehen mit Korruption? Viele sagen das das immer schon so war. Aber so ist Politik nicht. So soll Politik nicht sein oder vielmehr sollte. Das Vertrauen in die Politik ist von seiten derer die sie gewählt haben erschüttert. Es muss unbedingt wieder hergestellt werden. (m.n.)