Das Ibiza-Video hat eine Diskussion um “gekaufte Politik” ins Rollen gebracht: Großspender finanzieren teure Wahlkämpfe, dafür erwarten sie Steuersenkungen für Reiche und Unternehmen. In Ländern mit kaum staatlicher Parteienförderung wie den USA ist die Politik vom großen Geld bestimmt – Politik steht in der Schuld der Reichsten des Landes. Genau dort will Ex-Kanzler Kurz (ÖVP) jetzt hin: Staatliche Förderung soll gekürzt werden, große Spender würden noch mehr Macht bekommen.
In der US-Politik wird so viel Geld für Wahlkämpfe ausgegeben wie nie zuvor. Doch auch in Österreich hat Sebastian Kurz die Wahlkampfkosten seiner Partei auf einen neuen Rekord gehoben: Für seinen Wahlkampf 2017 hat er 13 Millionen Euro ausgegeben. Das war doppelt so viel wie gesetzlich erlaubt.
Woher Kurz die 13 Millionen Euro bekommen hat, ist unklar. Offiziell hat er gerade einmal 2 Millionen Euro von Spendern öffentlich gemacht. Die Partei ist mit rund 5 Millionen Euro verschuldet. Offensichtlich ließ sich Kurz von Großspendern aus Industrie und Immobilien-Wirtschaft finanzieren. Und das hat er vermutlich wieder vor, denn Obergrenzen für Großspenden wie von SPÖ und JETZT gefordert, lehnt er ab.
Stattdessen fordert er die staatliche Parteienfinanzierung zu kürzen – ausgerechnet jenes Instrument, das Politiker von privaten Geldgebern unabhängig macht. Ohne staatliche Parteienförderung sind Parteien käuflich. Reiche und Mächtige gewinnen mehr und mehr Einfluss auf politische Entscheidungen – oder wie Strache es im Ibiza-Video nennt: „Die Spender sind Idealisten, sie wollen weniger Steuern zahlen.“ All das hat Auswirkungen für die Demokratie und den sozialen Zusammenhalt.
Spenden beeinflussen politische Positionen signifikant
Besonders deutlich lässt sich das in den USA beobachten. Wer US-PräsidentIn werden will, braucht mehr als eine Milliarde Dollar für die Kampagne. Für einen Senatssitz werden rund zehn Millionen Dollar ausgegeben. Kandidaten wenden sich an große Konzerne und Lobbys, um ihre Wahlkampfkasse aufzufüllen.
In einer Reihe von Studien wurde erforscht, wie stark sich Wahlkampfspenden auf das Stimmverhalten von Abgeordneten auswirken. Das Ergebnis war eindeutig:
Wer Geld von Banken erhielt, stimmte deutlich öfter gegen strengere Finanzmarktregeln. Mit jeder Zahlung stieg die Wahrscheinlichkeit im Sinne der Geldgeber zu stimmen signifikant an.
Ähnliches zeigt sich auch am Beispiel der Netzneutralität: Pro 1.000 Euro an Lobbyzahlungen stieg die Wahrscheinlichkeit im Sinne der Geldgeber zu stimmen um 2,6 Prozent. Das ist keine Bestechung, bei der Geld direkt für eine Handlung gegeben wird. Es ist subtiler: Zahlungen im Wahlkampf wirken auf das Bewusstsein der Politiker. Aus Dankbarkeit oder vorauseilendem Gehorsam für die nächste Wahl orientieren sie sich an den Interessen ihrer Spender.
Politisches System wird Großspendern unterworfen
Der Einfluss von Geldgebern in der Politik hat längst bedenkliche Ausmaße erreicht:
„Was wir gesehen haben, ist eine vollständige Unterwerfung unseres politischen Systems zur Abfindung großer Spender“. – Ex US-Präsident Jimmy Carter
Die Folgen sind dramatisch: Die Vermögenskonzentration ist so hoch wie in kaum einem anderen Land der Welt. Die Gesundheitsversorgung für normale Menschen kaum leitbar und zehntausende können von ihren Jobs nicht leben. All das ist ein Politikversagen.
Damit einher geht auch eine wachsende Politikverdrossenheit: Die Akzeptanz des US-Parlaments ist laut Umfragen des Gallup Instituts enorm niedrig.
Kaum ein US-Bürger glaubt daran, dass in der Politik normale Menschen vertreten werden.
Wahlbeteiligung sinkt, wenn Großspender entscheiden
Und daher nehmen Bürger mit wenig Geld auch immer weniger an Wahlen teil – obwohl die Wahlkampfbudgets so hoch wie nie sind. Top-Verdiener gehen um dreißig bis vierzig Prozent öfter wählen als bei den Niedrig-Verdienern – das gilt auch für Europa. Viele sind der Meinung: Meine Stimme macht keinen Unterschied, entscheiden tun ohnehin die Geldgeber.
Und für die USA lässt sich belegen, dass die Meinung normaler Menschen kaum Einfluss auf politische Entscheidungen hat. Der Politologe Martin Gilens von der Princeton University hat in seinen Forschungen herausgefunden:
Unterstützen Durchschnittsbürger ein politisches Vorhaben, dann ist die Wahrscheinlichkeit der Umsetzung niedrig. Unterstützen Reiche ein Vorhaben, wird die Umsetzung viel wahrscheinlicher.
Das gilt auch umgekehrt: Sind die ökonomischen Eliten gegen ein politisches Vorhaben, wird es höchstwahrscheinlich nicht umgesetzt, fasst Gilens die Ergebnisse seiner Forschung zusammen.
Um wie viel Geld geht es? Beispiel 2018
Will man dem entgegenwirken, muss Politik unabhängig vom großen Geld sein. Denn ein öffentliche Gesundheitsversorgung, Arbeitnehmer-Rechte, Umweltschutz oder günstige Mieten – all das ist im Interesse der normalen Menschen, aber nicht der Großspender. Die wollen weniger Steuern zahlen, billige Arbeitskräfte und ein privates Gesundheits- und Pensionssystem.
In Österreich gibt es sowohl Bundes- wie auch Landesförderungen für Parteien, Förderungen für Klubs in Parlamenten und Landtagen sowie Förderungen für Akademien, die politische Bildungsarbeit leisten. 2018 haben die Parteien in Österreich in Summe fast 200 Millionen Euro aus öffentlichen Geldern erhalten. Die Höhe der Förderung richtet sich nach der Stärke – also der Zahl der Wählerinnen und Wähler – der Parteien.
Das garantiert auch, dass mehrere Parteien nebeneinander existieren – und nicht nur jene übrig bleiben, die Politik für Vermögende und große Unternehmen machen. Öffentliche Parteienfinanzierung bedeutet auch: mehr Vielfalt und Wettbewerb unter den Parteien, statt Kampf um das Geld der finanziellen Elite des Landes.
weil sie auch die ÖV verhindern will und weil sie weiß wie’s bei denen läuft. Schlimm wär ein US-unartiges-System, wo nur noch das Geld bestimmt und der Wahlgewinner über eine Mrd. $ einsammeln muss, dass er überhaupt Chancen hat. Die VP ist am besten Weg in dieses dreckige System.
gedacht. Als Antwort!
schaut’s aus!
Meines Wissens wird eine Obergrenze für Großspenden nicht nur von SPÖ und JETZT,sondern auch von der FPÖ gefordert.
Das sollte man nicht – womöglich aus Angst vor dem unsinnigen Vorwurf einer “SPÖ -FPÖ-Packelei” – verschweigen. Mündigen Lesern von KONTRAST.at ist die ganze Wahrheit durchaus zumutbar.