Immer wieder würden Vorwürfe laut, Österreich sei ein Bauern- und Domestikenstaat, und kennte kein Ironischsein. Es gäbe aber neben dem Ironischsein auch noch das Satirischsein und das Zynischsein. Was sei davon wann was? Dies fragte sich und die Autorin im Jahr 2003, dem Beginn der Amtszeit der Bundesregierung Schüssel II, ein bedrückter Franz Rand aus Hollabrunn, niemand geringerer als der berühmte Talkmaster und Kolumnist Hermes Phettberg.
Ironie, Satire, Zynismus
Das Land der Hämmer befinde sich in der Geiselhaft des Personals, war die erste Antwort in einem längeren Dialog. Das Denken sei ein Luxus, den ein Diener nicht vorrangig begehre, brächte es ihn doch um die Früchte seiner Gier. Die Bilder, derer sich die politische Sprache Österreichs bediene, stammen daher alle aus dem frugalen Milieu: Sie illustrierten den bäuerlichen Streit um Futtertröge, Erbpachten und Pfründe, das Trockenlegen feuchter Wiesen, das Ernten und das Ausmisten. Auf Höfen werde allerhöchstens an etwas gedacht, nie jedoch über etwas nach. Die Ironie, die Philosphie jenes feinen Spotts, der sich hinter scheinbarem Ernst verstecke, sei den Österreichen schon deswegen suspekt, weil ernsthafter Schein für Domestiken heller strahle als scheinbarer Ernst. Noch unheimlicher sei den Österreichischen die Satire, die bocksfüssig-saturnalische Verspottung der Überforderung. Auch die dritte Verhöhnungstechnik sei griechischen und damit teuflischen Ursprungs. Sie stamme aus der Denkschule der Zyniker, wörtlich der “Hündischen”, “Bissigen” (von kyon, der Hund). Diese, vom Philosophen Antisthenes begründete Schule zu verstehen, lasse ein Domestikenherz schon gar nicht zu. Wie man nun Ironie, Satire und Cynique unterschiede? Die Präambel zur Verfassheit des Landes würden die drei spöttischen Denkschulen wohl so formulieren:
Österreich ist eine demokratische Republik. Ihr Recht geht vom Volk aus. (Ironie)
Österreich ist eine demokratische Republik? (Satire)
Österreich. (Zynismus)
Diese drei Beispiele für das Zynische, Sarkastische und Ironische leuchten Franz Rand sehr ein, gab er bekannt. Dass ich die Diener für gieriger erachtete, als den Menschen generell, sei ihm natürlich zu willkürlich, antwortete er. Ich meinte damit wahrscheinlich, dass generell niemand das Recht hätte, zu dienen. Aber das wäre ihm zu rabiat im Ansatz. Viele hätten einen kleinen seelischen Frieden gefunden. Sie gingen ihres Weges. Und helfen damit viel. Es fiel ihm zusätzlich ein, dass es neben “Ironie”, “Satire” und “Zynismus” auch noch den “Sarkasmus” gäbe. Den hätte er ganz vergessen.
Franz Rand: Und der Sarkasmus?
Der Sarkasmus, gab ich zu verstehen, sei von allen beißenden Spotten vermutlich der radikalste, leitete er seine Wörtlichkeit doch vom griechischen “sarkázein” ab, was nicht weniger bedeute, als das Fleisch bis auf die Knochen abzunagen. Da das Wort Spott nun wiederum etymologisch mit dem Spucken verwandt sei, und nach gängigem Verständnis von Ursache und Wirkung nur ausgespuckt werden könne, was vorher abgenagt worden sei, liege der Schluss nahe, der Sarkasmus käme vor dem Spott und verhielte sich zu diesem wie das Studium zur Lehre. Diesen Gedanken und die Erkenntnisse zu Ironie, Satire und Zynismus in den Webstuhl gespannt, flöchte man sich doch einen Teppich, auf dem es sich chique durch folgende Theorie fliegen ließe: Dernach gäbe es zwei Sorten von Dienern. Die einen, die sich vom Braten schnitten, noch bevor er der Herrschaft aufgetragen würde, und die anderen, die sich daran guttäten, die Reste bis auf die Knochen abzunagen. Nach dieser Theorie betrieben die einen Satire, die anderen Sarkasmus.
Immer wieder, gab Franz Rand zu bedenken, dächte sein Hirn auch über die vielen Namen dessen nach, was in Österreich nicht gehe und nicht sich ereignete. Nun hätten er und ich in einer Art gemeinsamen Brainstormings herausgefunden, wie vielfältig dieser Bereich benannt werde: Zynischsein, Satirischsein, Ironischsein. Sodann hätten wir das Sarkastischsein entdeckt. Und alles dies hätte wir einander mit wundervoller Grandezza erläutert. Nun aber hätte sein Hirn, gab Franz Rand zu verstehen, keine Ruhe gegeben – und in der Hirnschale sei plötzlich das Polemischsein gestanden.
Polemik
Zuletzt, fasste daraufhin die Autorin zusammen, hätten wir die These erörtert, die Mehrheit der Österreicher gefalle sich darin, zu dienern. Da den Domestiken die Zeit und das Talent zu Ironie, Satire und Zynik weitgehend fehle, himmelten sie einen Berufsstand geradezu hündisch an, der diese anarchisch-philosophischen Tugenden hauptberuflich betreibe: die Kabarettisten. Etwas billiger verhielte es sich mit dem Sarkasmus, den wir der Verwandtschaft mit dem Wadlbeißen überführt hätten. Des Nörgelns, der mindersten Sorte des Zubeißens, seien sogar die Zahnlosen unter den Livrierten fähig. In Dienst und Uniform stünden auch die willfährigsten aller Untertanen, die Soldaten, denen das Aufmucken gänzlich fremd zu sein habe. Ihr Spott hingegen sei handfest und derb: Die Polemik komme von pólemos, dem griechischen Wort für Krieg. Seiner, Rands Hirnschale entnehme die Autorin schließlich den traurigsten aller Spotte, die Süffisanz, den selbstgefälligen Dünkel der Beamteten, der seine Nämlichkeit vom lateinischen Wort für “darunter tun” ableitete. Wenn nun die Polemik ein Bajonett wäre, das einen fremden Sack Stroh aufschlitzte, dürften wir die Süffisanz darin erblicken, auf einen Aktendeckel das Wort “Erledigt” zu schreiben.
Ja, es ist kein Spaß, ein Austriak zu sein, und schon gar keiner, ein austriakischer Beamter, vor dem jeder Hund sein Haxerl heben will.Gut, dass es in diesem wie in jedem anderen Beruf auch Gewissenhaftigkeit, Ernsthaftigkeit und einfach Humor gibt.