Während sich die EU mit ihrem “Green Deal” vornimmt, CO2-Emissionen zu reduzieren, baut ein französischer Konzern in Uganda eine 1.500 Kilometer lange, beheizte Pipeline, um Erdöl zu fördern und schlussendlich nach Europa zu transportieren. Die sogenannte EACOP-Pipeline hat die Vertreibung Tausender Menschen zur Folge und steht in der Kritik, massive Umweltschäden zu verantworten. Die Pipeline allein wird über 34 Millionen Tonnen CO2 emittieren – jedes Jahr. Das ist die Hälfte der Emissionen von ganz Österreich. Bürger:innen aus Uganda und NGOs haben den Konzern in Frankreich vor Gericht gebracht – bisher ohne Erfolg. Wir haben mit einem ugandischen Juristen, einem Aktivisten und einer Kampagnen-Trägerin über Profiteure, Leidtragende und den Kampf “David gegen Goliath” gesprochen.
Die East African Crude Oil Pipeline (EACOP) ist ein geplantes Pipelineprojekt, das das Ziel hat, Rohöl von den Feldern in Uganda zum Hafen von Tanga in Tansania zu transportieren. Mit einer Länge von rund 1.445 Kilometern soll sie eine der längsten erhitzten Pipelines der Welt werden. Hinter dem Projekt stehen mehrere Unternehmen, der französische Konzern TotalEnergies ist jedoch der größte Akteur – und Profiteur.
Vertreibung von Menschen, Schäden für die Umwelt
Der Bau der Pipeline geht mit Verdrängung und Vertreibung von etwa 118.000 Menschen einher – sie werden gedrängt und eingeschüchtert, ihr Land zu verkaufen und verlieren ihre Existenz. Ohne eine gerechte Entschädigung zu erhalten.
Das Pipeline-Projekt birgt zudem große Risiken für die biologische Vielfalt und die Wasserressourcen im Land. Es werden mehr als 400 Ölquellen gebohrt – ein Drittel davon liegt sogar in einem Naturschutzgebiet. Da das geförderte Rohöl bei Umgebungstemperatur zähflüssig ist, muss es für den Transport auf ca. 50 bis 70 Grad Celsius aufgeheizt werden. Außerdem braucht es alle paar hundert Kilometer eine Pumpstation. Ein massiver Energieaufwand ist also notwendig.
Wir haben mit Maxwell Atuhura (Menschenrechtsaktivist, Jurist und Aktivist der Bewegung Stop EACOP), Nicholas Omonuk (Sprecher von RiseUp Uganda) und Marta De Vescovi (Camapaignerin der European Coalition for Corporate Justice) über das umstrittene Pipeline-Projekt in Uganda gesprochen.
In Uganda hängt der Lebensunterhalt vom eigenen Grund und Boden ab – genau den verlieren jetzt Tausende Menschen
Kontrast.at: Herr Atuhura, was hat Sie veranlasst, gegen die EACOP-Pipeline mobil zu machen – und was sind die größten Bedenken und Kritiken, die Sie und Ihre Bewegung haben?
Maxwell Atuhura: Mir und uns liegt die Zukunft unseres Landes und unserer Umwelt am Herzen, das erfüllt mich mit Leidenschaft. Ich sehe, dass hier schlicht großes Unrecht geschieht und daran will ich etwas ändern.
Ein großes Problem, das mit der Klimakrise – aber auch dem Bau und Betrieb der Pipeline – einhergeht, ist Nahrungsmittelknappheit. Damit man so ein Riesenprojekt umsetzen kann, braucht ein Konzern wie TotalEnergies Land. Viel Land.
In der Region, aus der ich komme, sind die meisten Menschen kleine Bauern oder Fischer. Ihr ganzer Lebensunterhalt hängt von ihrem Land und der Umwelt, also auch dem Wasser ab. Wenn sie ihr Land verkaufen, verlieren sie diesen Lebensunterhalt – ihre Einkommens- und Nahrungsquelle. Es ist das Land, das dir Sicherheit und Unabhängigkeit gibt.
Wie kommt es dann, dass so viele ihr Land verkauft haben?
Maxwell Atuhura: Über die Folgen hat man die Bevölkerung in der Umgebung der Pipeline nicht informiert. Stattdessen hat man sie mit falschen Versprechen gelockt und überredet, ihr Land zu verkaufen. Von Jobs war die Rede, von hohen Entschädigungen und von besseren Ländereien und Häusern. Am Ende hat man den Menschen einen viel zu niedrigen Preis bezahlt. Für einen halben Hektar Land bekamen Familien umgerechnet etwa 900 Euro – wie soll man damit ein neues Leben bestreiten? Das ist schlicht Landraub!
Man schüchtert Familien mit Armee-Soldaten ein
Wie kann man sich das Vorgehen bei einem solchen Landraub vorstellen? Ist da Gewalt mit im Spiel? Wie kommt es, dass so viele Familien ihren Landbesitz verkaufen?
Maxwell Atuhura: Am Beginn war keine Gewalt im Spiel, man hat mit falschen Versprechen gearbeitet. TotalEnergies hat Familien Vorteile und Entschädigung versprochen. Deshalb haben Leute den Verkaufsvertrag unterschrieben – und zu spät gemerkt, dass es ein Fehler war. Das hat sich herumgesprochen, Familien haben sich geweigert, zu verkaufen – da fingen Einschüchterungsversuche an. Angehörige der Armee waren plötzlich bei Dorfversammlungen anwesend. Das hat Menschen Angst gemacht.
Herr Omunuk, sehr viel Kritik an der EACOP-Pipeline richtet sich gegen die Umwelt- und Klimaschäden, die der Bau und Betrieb der Pipeline anrichten. Können Sie näher beschreibe, wie sich die Pipeline auf die Umgebung – und die Menschen – auswirkt?
Nicholas Omonuk: Die Klimakrise betrifft Menschen in Uganda massiv, vor allem im Nordosten des Landes kommt es vermehrt zu Dürren, die noch dazu immer länger anhalten. Die Folge ist, dass die Tiere, die Familien halten, nicht genügend Nahrung und Wasser bekommen und verenden. Das entzieht den Familien die Lebensgrundlage. Menschen müssen bis zu zehn Kilometer weit gehen, um Trinkwasser für sich und die Tiere zu finden.
Ich selbst habe Bauern in der Familie und kenne viele andere, gerade im Osten Ugandas, die von Rindern abhängig sind. Da geht es auch um Bildungsmöglichkeiten: Für das Geld, das man beim Verkauf einer Kuh bekommt, kann man ein Kind in die Schule schicken. Fehlt diese Einnahme, leiden auch die Kinder, allen voran Mädchen. Denn sie werden als erste daheim behalten, wenn das Geld knapp ist.
Mein Vater beispielsweise musste Hühner anschaffen und versucht, die am Leben zu erhalten, damit er wenigstens ein paar Eier verkaufen kann und die Familie über Wasser hält. Es ist eben nicht dasselbe wie im globalen Norden.
Der globale Norden erlebt Klimakatastrophen anders als der Süden
Worin unterscheiden sich die Katastrophen?
Nicholas Omonuk: Es sind weniger die Katastrophen als die Folgen. Überschwemmungen oder Erdrutsche in Großstädten – man kennt die Bilder, die um die Welt gehen – sind Ausnahme-Erscheinungen. Sie verursachen Leid und dann gelangt man wieder zurück zu einer Normalität. Aber im globalen Süden sind diese Katastrophen eine Regelmäßigkeit, die ganze Existenzen, ganze Dörfer zerstören.
Wenn es dann regnet, kommt es zu Erdrutschen, die Menschenleben kosten. All das passiert schon – Menschen wandern ab. Und jetzt kommt noch dieser Pipeline-Bau und verschärft diese ganzen Probleme nochmal. Die Wasserknappheit, die Erdrutsche, den Hunger, die Not. Den Druck, sein Grundstück zu verkaufen oder schlicht vor den Naturkatastrophen zu fliehen.
Die Pipeline allein wird über 34 Millionen Tonnen CO2 emittieren – jedes Jahr. Das ist die Hälfte der Emissionen von ganz Österreich.
In Uganda hängt die Existenz der Menschen vom Ökosystem ab. Man kann sich also ausmalen, was die EACOP-Pipeline anrichten wird. Die Pariser Klimaziele sagen, wir müssen das +1,5 Grad-Ziel erreichen – und dann baut man etwas, das dieses Ziel schlicht torpediert.
Auch österreichisches Unternehmen ist am Bau beteiligt und profitiert von umstrittener Pipeline in Uganda
Die Liste der Schäden und der negativ Betroffenen ist offensichtlich lang – wer sind denn konkret die Profiteure dieses Pipeline-Projekts? Wer forciert das?
Marta De Vescovi: Abgesehen davon, dass der Konzern TotalEnergies den Bau vorantreibt und davon profitiert, sind es die Länder im globalen Norden, konkret Europa, die profitieren. Immerhin wird in Uganda Öl gefördert, nach Europa transportiert und hier verbraucht. Wir haben die Energie, die Menschen in Uganda haben den Schaden. Es sind auch europäische Firmen involviert, für die gibt es Aufträge.
Auch aus Österreich?
Marta De Vescovi: Ja, durchaus. Das Unternehmen Isoplus stellt Isolier-Rohre her und ist so an der EACOP-Pipeline beteiligt. Dagegen gab es auch Proteste in Niederösterreich vor der Firmenzentrale.
Nicholas Omonuk: Von der finanziellen Seite betrachtet, ist TotalEnergies zu über 60 Prozent am Projekt beteiligt, ca. 15 Prozent der Anteile gehen an Firmen aus Uganda. Keine einzige ugandische Bank ist involviert, stattdessen sind es Banken und Versicherungen aus europäischen Ländern. Sie alle profitieren. Unser Land tut es nicht.
Seit 2019 prozessieren Betroffene gegen TotalEnergies in Frankreich – 2023 startete ein erneuter Anlauf
Inwieweit bringt sich dann die Regierung Ugandas ein? Was ist deren Rolle in dem Ganzen?
Nicholas Omonuk: Die Regierung als solche hat da nicht viel zu melden. Konzerne wenden sich an den Präsidenten – und versprechen ihm Profit. Dann kann sich auch niemand dagegenstellen. Politik in Uganda ist nicht besonders demokratisch. Es gibt viel Korruption und Einschüchterung.
Sie haben ja gegen TotalEnergies prozessiert, bisher passierte all das an französischen Gerichten, weil es sich um einen französischen Konzern handelt. Worum ging es bei den Prozessen und was ist der Stand der Dinge?
Maxwell Atuhura: 2019 haben mehrere NGOs in Frankreich eine Klage gegen TotalEnergies eingereicht. Wir werfen dem Konzern vor, seine Sorgfaltspflicht missachtet zu haben. Hierzu gibt es eine Gesetzgebung, das französische Lieferkettengesetz. Unser Fall war auch der erste in diesem Bereich. Das Problem war am Ende, nach drei Jahren, dass das Gericht das Gesetz nicht für anwendbar befand, weil es nicht präzise genug formuliert ist.
Marta De Vescovi: Das Gesetz in Frankreich ist schlicht zu vage, es lässt Lücken offen und die Beweisschuld liegt beim Kläger. Es sind also die NGOs und Betroffene, die beweisen müssen, dass die EACOP-Pipeline Schäden an der Umwelt anrichtet und man Menschenrechte – durch Landraub, Vertreibung etc. – verletzt. Die Klage wurde schlussendlich in einem zivilgerichtlichen Eilverfahren als unzulässig abgewiesen. Weil man sozusagen nicht prüften konnte, ob die Sorgfaltspläne von TotalEnergies wirksam sind.
Maxwell Atuhura: Jetzt nehmen wir einen neuen Anlauf. 26 Kläger:innen, mich mit einbezogen, haben im Juni 2023 auf Entschädigungszahlungen geklagt, für Familien, die ihr Land verloren haben und für Umweltschäden. Wir testen jetzt die Schwächen des französischen Gesetzes aus. Mal sehen, was da herauskommt.