Sie sind unregistriert, nicht rückverfolgbar und leicht selbst herzustellen: Sogenannte „Ghost Guns“ – also selbst „gebastelte“ Schusswaffen aus dem 3D-Drucker oder aus Einzelteilen – unterlaufen bestehende Waffengesetze und stellen auch in Österreich eine wachsende sicherheitspolitische Herausforderung dar.
Stell dir vor, jemand bestellt ein bisschen Kunststoff und Schrauben im Internet, lädt sich ein paar Dateien herunter – und hat wenige Tage später eine funktionierende Schusswaffe in der Hand. Ohne Waffenbesitzkarte, ohne Registrierung, ohne Spuren. Was bis vor einigen Jahren nach Science-Fiction klang, ist längst Realität geworden.
Dabei geht es nicht nur um reine 3D-Druck-Waffen, sondern zunehmend auch um sogenannte „Hybridwaffen“: Waffen, die aus gedruckten Einzelteilen und legal bestellbaren Komponenten selbst zusammengebaut werden – oft in der eigenen Wohnung.
Was sind „Ghost Guns“?
„Ghost Guns“, auf Deutsch „Geisterwaffen“, sind Schusswaffen, die außerhalb jeder staatlichen Kontrolle hergestellt oder zusammengesetzt werden. Sie tragen keine Seriennummer, sind nicht registriert und können nicht zurückverfolgt werden. Genau das macht sie für Sicherheitsbehörden und Justiz zunehmend zur Herausforderung.
Anders als konventionelle Waffen stammen Ghost Guns nicht aus industrieller Serienproduktion, sondern werden meist von Privatpersonen in den eigenen vier Wänden hergestellt. Die einzelnen Teile werden auf verschiedene Arten beschafft – etwa durch 3D-Druck, CNC-Fräsen oder den Online-Kauf von Komponenten, die einzeln nicht als Waffe gelten. Die notwendigen Geräte wie ein 3D-Drucker sind heutzutage schon um unter 200 € zu haben.

Prominentester Mordfall des letzten Jahres mit selbstgebauter Waffe
Wie real diese Bedrohung ist, zeigte ein aufsehenerregender Fall Ende 2024 in New York: Der Vorstandschef eines großen US-Versicherungskonzerns wurde mitten in Manhattan erschossen – mit einer selbstgebauten „Ghost Gun“, deren wesentliche Teile aus dem 3D-Drucker stammten. Der Täter hatte die Baupläne aus dem Internet geladen und die Teile selbst produziert – samt Schalldämpfer. Ermittler:innen fanden bei ihm eine Notiz, in der er das Zusammenbauen der Waffe als „ziemlich trivial“ beschrieb.
Was ist die Rechtslage in Österreich?
Hierzulande regelt das Waffengesetz von 1996 wie die unterschiedlichen Arten von Waffen eingeordnet werden. Obwohl selbstgebaute „Ghost Guns“ nicht explizit erwähnt werden, fallen auch sie unter dieses Gesetz.
So klassifiziert § 2 Absatz 1 WaffG Schusswaffen als „[…] Waffen, mit denen feste Körper (Geschosse) durch einen Lauf in eine bestimmbare Richtung verschossen werden können.” Erwerb, Besitz und Transport von diesen Gegenständen, also auch Ghost Guns, sind so an die geltenden Vorschriften gebunden.
Des Weiteren berücksichtigt § 2 Absatz 2 WaffG auch Einzelteile von Waffen. Hier heißt es: „Die Bestimmungen über Schusswaffen gelten auch für wesentliche Bestandteile von Schusswaffen. Dabei handelt es sich um Lauf, Trommel, Verschluss, Rahmen, Gehäuse und andere diesen entsprechenden wesentliche Bestandteile von Schusswaffen […].” Wer also eine Ghost Gun oder nur einzelne Waffenteile besitzen möchte, muss vor dem Gesetz die entsprechenden Voraussetzungen erfüllen und braucht eine Waffenbesitzkarte.

Und noch strenger wird es, wenn es um die Produktion einer Waffe geht. Dafür braucht man in Österreich rechtlich einen Gewerbeschein, und die Waffe muss nach der Herstellung offiziell geprüft und für tauglich befunden werden. Passiert dies nicht, ist sie illegal.
Das Problem mit „Ghost Guns”
Die Bedrohung durch Ghost Guns liegt nicht nur in der Waffe selbst, sondern vor allem im System dahinter: nämlich der Möglichkeit, Waffentechnologie zu dezentralisieren, privatisieren und zu anonymisieren. Wer früher auf den Schwarzmarkt gehen musste, um sich eine illegale Waffe zu besorgen, braucht heute nur noch Internetanschluss, Drucker, Fräse und ein bisschen Geduld.

Mit einer Waffenbesitzkarte kann jede:r in das nächste Waffengeschäft gehen und sich eine Waffe kaufen. Aber selbst für diejenigen, die keine Waffenbesitzkarte haben und an eine Waffe kommen wollen, gibt es durch den 3D-Druck illegale Schlupflöcher. Für sie ist es ein leichtes, sich nach ein paar Klicks durchs Internet im Komfort ihrer eigenen vier Wände eine funktionierende Waffe zu basteln, ohne dass der Staat davon etwas mitbekommt.
Seit Jahren Realität: Ghost Guns aus dem 3D-Drucker
Dabei ist das Konzept einer Waffe aus dem 3D-Drucker nicht neu. Schon im Jahr 2013 machte der amerikanische Student Cody Wilson Schlagzeilen, als er die Pläne für die erste 3D-gedruckte Faustfeuerwaffe, den „Liberator”, ins Netz stellte. Die Waffe bestand fast ausschließlich aus Kunststoff und wurde nur durch einen handelsüblichen Nagel als Schlagbolzen funktionstüchtig. Dabei konnte sie handelsübliche 9 mm Patronen für Pistolen abfeuern. Ihr symbolischer Wert war größer als ihre Tauglichkeit – denn sie markierte einen Wendepunkt: Waffenbau war ab sofort digitalisierbar.

Seitdem hat sich die Technik enorm weiterentwickelt. Im Netz kursieren Hunderte frei verfügbare Baupläne, von simplen Pistolen bis hin zu halbautomatischen Gewehren und sogar Kriegswaffen. 3D-Drucker sind günstiger und präziser geworden und es gibt eine große Community, die sich auf den verschiedensten Onlineforen über Funktionen und Bauanleitungen berät oder sich über die rechtlichen Möglichkeiten austauscht.
Hybride Ghost Guns: Die Kombination aus gedruckten und gefrästen Teilen
Noch gefährlicher als rein gedruckte Waffen sind hybride Ghost Guns – also Waffen, die aus einer Mischung aus 3D-gedruckten Teilen und vorgefertigten Metallkomponenten bestehen. Dabei kommen zunehmend auch CNC-Fräsen zum Einsatz: computergesteuerte Maschinen, mit denen sich hochpräzise Metallteile aus Aluminium oder Stahl fräsen lassen. Auch zu Hause.

Und die Möglichkeiten für Kriminelle gehen noch weiter. Privatpersonen stellen mittlerweile gezielt einzelne Kleinteile her, um legale Waffen zu modifizieren und ihre Wirkung zu verstärken. So kann beispielsweise aus einer handelsüblichen Glock-Pistole durch das Hinzufügen eines selbstgemachten Schalters in der Größe einer 1-Euro-Münze, eine vollautomatische Maschinenpistole gefertigt werden, die theoretisch über tausend Schuss die Minute feuern kann.
Wie groß ist das Problem in Österreich?
Wie viele sogenannte Ghost Guns es in Österreich tatsächlich gibt, lässt sich derzeit nicht mit Sicherheit sagen. Es gibt keine offiziellen Statistiken darüber, wie viele Waffen im Umlauf sind. Weder über Waffen aus 3D-Druck noch über aus Einzelteilen illegal zusammengesetzten.
Laut Bundesministerium für Inneres gewinnt der 3D-Druck von Ghost Guns an Bedeutung
Auf Anfrage beim Bundesministerium für Inneres heißt es, dass „der 3D-Druck von Waffen, die sogenannten „Geister Waffen”, immer mehr an Bedeutung gewinnt.” Wie viele konkrete Fälle es in Österreich in jüngerer Zeit gegeben hat, kann leider nicht mitgeteilt werden. Jedoch heißt es weiter: „Im Zusammenhang mit 3D-gedruckten Waffen konnten in mehreren Fällen sowohl Komponenten als auch fertige Waffen sichergestellt werden.”
Nach der Veröffentlichung der ersten Pläne 3D-gedruckter Waffen im Jahr 2013, hieß es von einem Sprecher des Bundeskriminalamts gegenüber futurezone.at noch, dass man sich aufgrund der hohen Kosten und des erforderlichen Know-hows „keine großen Sorgen um gedruckte Waffen“ mache.
Auch die EU erkennt die Bedrohung durch Ghost Guns an
Doch heutzutage sieht es anders aus. Auch Europol schlägt mittlerweile Alarm. Im Rahmen einer Konferenz im Jahr 2022 bezüglich der Bedrohung 3D-gedruckter Waffen für die EU sagte der Teamleiter des Europol-Analyseprojekts „Waffen und Sprengstoffe“, Martin van der Meij:
„Das von 3D-gedruckten Waffen ausgehende Risiko ist Europol durchaus bewusst – insbesondere angesichts der zunehmenden Anzahl solcher Schusswaffen, die in den vergangenen Jahren im Zuge von Ermittlungen in ganz Europa sichergestellt wurden.”
Mittlerweile hat ein von der EU gefördertes Forschungsprojekt die Herstellung von Waffen mittels 3D-Druck als eine zentrale Herausforderung für den Einfluss des Waffenhandels auf Waffengewalt in der EU klassifiziert.
Die Zukunft von Ghost Guns
Einige Länder setzen bereits auf spezifische Regularien, was selbst gebaute Waffen angeht. So sind beispielsweise in Australien, England und auch Kanada 3D-gedruckte Waffen explizit verboten und auch der Besitz von Bauplänen strafbar. In einigen Regionen von China setzt man auf die Regulierung der Herstellungsmöglichkeiten und macht einige 3D-Drucker als „Spezialindustrie“ offiziell registrierungspflichtig. Zudem können 3D-Drucker derzeit noch keine scharfe Munition produzieren – die Technologie ist dafür noch nicht weit genug. Für den Erwerb dieser braucht man in Österreich nach wie vor eine Waffenbesitzkarte.
Auch die österreichische Regierung plant – nach dem Amoklauf in Graz – das Waffengesetz zu verschärfen. Bereits im Regierungsprogramm ist festgelegt, dass Griffstücke als wesentlicher Teil einer Waffe anzusehen sind und somit zukünftig auch unter das Waffengesetz fallen sollen.
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