Die Energiepreise sind auf einem Rekordhoch. Ein Gas-Preisdeckel könnte das abmildern. Die Regierung schiebt die Verantwortung auf die EU ab: Doch ausgerechnet dort haben sich Regierungsmitglieder von ÖVP und Grünen mehrmals gegen entsprechende Initiativen zur Preisdeckelung gestemmt.
Ohne politische Eingriffe werden Strom- und Heizkosten weiter steigen und steigen. Einige europäische Länder haben daher schon den Weg eingeschlagen, die Gaspreise zu begrenzen. So haben bereits Spanien und Portugal gegenüber der EU durchgesetzt, den Gaspreis deckeln zu dürfen – mit dem Ergebnis, dass sich der Strompreis nächstes Jahr halbieren wird. Denn dieser ist derzeit an den Gaspreis gekoppelt – steigt der Gaspreis, steigt damit auch der Preis für Strom aus Wasser- oder Windkraft.
Österreichs Regierung stemmte sich gegen Gaspreisdeckel
Ein ähnlicher Preisdeckel würde in Österreich zwei Milliarden Euro kosten und die Haushalte mit bis zu 400 Euro jährlich entlasten. Doch es gibt keine Anstrengung der Regierung, eine solche Ausnahmeregelung auf EU-Ebene zu verhandeln – etwa gemeinsam mit Deutschland, Tschechien oder Ungarn. Doch nicht nur das. ÖVP und Grüne verhindern sogar Bemühungen, den europäischen Strommarkt als Ganzes zu ändern – um die Energiepreise langfristig leistbar zu machen.
ÖVP und Grüne waren mehrmals auf EU-Ebene gegen Preisdeckel und Eingriff in Energiemarkt
Seit fast einem Jahr ist der Energiemarkt Thema auf EU-Ebene. Auf einem EU-Gipfel im Oktober 2022 winkte Österreich – damals noch unter ÖVP-Kanzler Schallenberg – ab als es um mögliche Preisdeckel ging. Während Spanien und Portugal schon auf einen solchen gedrängt hatten. Schallenberg lehnte es ab, „vorschnell in die Energiemärkte einzugreifen“. Stattdessen unterzeichnete Österreich gemeinsam mit anderen Ländern ein Dokument, das festhält:
„Daher können wir keine Maßnahme unterstützen, die mit dem Gas- und Strombinnenmarkt kollidiert, z B. eine Ad-hoc-Reform des Stromgroßhandelsmarkts.“
Denn die aktuelle Architektur des Strommarktes würde zu Innovation und der Versorgungssicherheit beitragen.
Im Dezember unterzeichnete die Energieministerin Leonore Gewessler (Grüne) eine “Gemeinsame Erklärung” der Mitglieder des Europäischen Rates, in dem sie festhalten:
“Wir stimmen mit der Europäischen Kommission darin überein, dass der Preisanstieg kurzfristig am besten durch befristete und gezielte nationale Maßnahmen der Mitgliedstaaten aufgefangen werden kann, um gefährdete Verbraucher und Unternehmen zu schützen.”
Wenige Monate später, im April 2022, unterzeichnete Gewessler abermals ein Dokument, in dem festgehalten wird, dass ein „offener und vernetzter marktgesteuerter EU-Energiebinnenmarkt wichtig (ist), um Preisschocks in der gesamten EU bei Versorgungsunterbrechungen zu minimieren.“
Zusammengefasst: Österreichs Regierungsverantwortliche haben sich auf EU-Ebene mehrmals dagegen ausgesprochen, den Gaspreis zu deckeln und sich auch gegen eine EU-weite Strategie anzustreben. Österreich war dafür, es den Mitgliedsländern zu überlassen, etwas zu unternehmen.
Die rechte Hand weiß nicht was die linke tut: Nehammer verweist bei Gaspreis auf EU, Gewessler auf die Mitgliedsländer. Die Folge: In Österreich unternimmt man nichts.
Und so überrascht es, dass vor kurzem Karl Nehammer (ÖVP) bei der Frage eines Gaspreisdeckels auf die Verantwortung der EU verwiesen hat. In Österreich sieht der Bundeskanzler keinen Handlungsbedarf, weil „die EU-Kommission in die Gänge kommen muss.“ Das sieht auch der Grüne Vizekanzler Werner Kogler so. „Österreich alleine tut sich da schwer. Wir würden eine ganze Stromzone aus mehreren Ländern subventionieren“, sagt er zum Vorschlag eines Preisdeckels. Das hätten sie wohl besser ihrer eigenen Energieministerin sagen sollen. Denn die hat sich auf EU-Ebene für Gegenteiliges stark gemacht und per Unterschrift fixiert.
Lenkt EU endlich ein? EU-Kommission kündigt “Not-Eingriff” in Energiemarkt
Die EU plant einen “Not-Eingriff” in den EU-Strommarkt, um den Preisanstieg einzudämmen, verkündete EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen am 29. August 2022, wie das Magazin “Politico” berichtet.
“Die in die Höhe schießenden Strompreise zeigen jetzt die Grenzen unseres derzeitigen Marktdesigns auf”, sagte von der Leyen auf einem Termin in Slowenien. “Es wurde für andere Umstände entwickelt. Deshalb arbeiten wir jetzt an einer Notintervention und einer Strukturreform des Strommarktes.”
Diese Äußerung wird so interpretiert, dass die Kommission mit ihrer früheren Verteidigung des EU-Strommarktdesigns endgültig gebrochen hat.
“Wir müssen den Energiemarkt in Ordnung bringen. Eine Lösung auf EU-Ebene ist bei weitem die beste, die wir haben”, pflichtete auch der tschechische Industrieminister Jozef Síkela bei. Er wird für den 9. September eine Dringlichkeitssitzung der Energieminister der EU einberufen. Ein Sprecher der tschechischen Regierung, die derzeit den Vorsitz im Rat der EU innehat, sagte, eine europäische Preisobergrenze sei “definitiv auf dem Tisch”.
Gas bestimmt: Das teuerste Kraftwerk bestimmt den Strompreis
Auf den Strombörsen entsteht der Preis nach dem „Merit-Order-Modell“ (zu Deutsch: Reihenfolge der Vorteilhaftigkeit): Die Kraftwerke speisen den Strom der Reihe nach ins Netz ein. Am Beginn stehen Sonne-, Wasser- und Windkraftwerke mit den günstigsten Produktionskosten. Danach werden solange teurere Kraftwerke hinzugenommen, bis der aktuelle Bedarf gedeckt ist. Der Preis des zuletzt eingespeisten Kraftwerks bestimmt den Strompreis. In Österreich sind das in der Regel Gaskraftwerke. Und der Gaspreis explodiert: Im Vergleich zum Mai 2021 ist er um 474,5 Prozent auf mehr als 100 Euro pro Megawattstunde gestiegen. Weil Strom nicht gelagert werden kann und die Netzübertragung zusätzlich eine komplexe Angelegenheit ist, ist der Strommarkt schwer zu überwachen und zu kontrollieren. Das macht es leicht, Marktmacht zu missbrauchen, wie Studien zeigen.
„Es gibt dringenden Handlungsbedarf. Die EU-Kommission muss sich intensiv mit der Merit-Order beschäftigen. Das System ist nicht wettbewerbsfördernd“, sagt Ex-Wettbewerbschef Theodor Thanner beim Klub der Wirtschaftsjournalisten. Auch eine Obergrenze für den Gaspreis wäre möglich, wie das etwa schon Spanien oder Portugal haben.