Mehr als zwei Jahre lang streikten die Reinigungskräfte des Pariser Ibis Hotels für höhere Löhne und bessere Arbeitsbedingungen. Jetzt schafften sie einen Durchbruch: 250 bis 500 Euro mehr Lohn pro Monat und einen Kündigungsschutz konnten sie erreichen – ihr Gegner war der multinationale Hotelkonzern Accor. Unterstützung bekamen sie von SpenderInnen, die ihren Lohn übernahmen. Dass sie niemals gegen Accor gewinnen können, hatten die streikenden Frauen oft zu hören bekommen. „Heute haben wir alles erreicht“, sagt Rachel Keke, eine von ihnen.
22 Monate Streik, 20 Putzkräfte, ein Konzern – und ein Sieg im Sinne des Arbeitskampfs. Am Dienstag feiern 19 Frauen und ein Mann vor ihrem Arbeitsplatz, dem Pariser Ibis Hotel Batignolles. „Die Sklaverei – vorbei! Die schlechte Behandlung – vorbei!“, singen sie, denn an diesem Tag unterzeichnen sie eine Einigung für bessere Arbeitsbedingungen. Es ist der längste Streik in der Geschichte der französischen Gewerkschaft CGT-Hôtels.
Reinigungsfrauen bekamen nur 1.000 Euro im Monat
Der Gegner war kein geringerer als der multinationale Hotelkonzern Accor, europaweit Marktführer mit weltweit 5.000 Hotels in 110 Ländern – unter anderem Betreiber von Sofitel, Novotel und Ibis. Nur 1.000 Euro im Monat bekamen die Angestellten von Ibis Batignolles als „femmes de chambre“, als „Zimmerfrauen“ von dem Subunternehmen STN ausgezahlt. Sie beklagten außerdem eine Ungleichbehandlung zwischen verschiedenen Job-Einstufungen, mit denen man die Konkurrenz zwischen den Arbeiterinnen anheizt. Überstunden wurden nicht gezählt, Jobsicherheit gab es erst recht nicht. Das Subunternehmen für Reinigungskräfte SNT machte aber ein gutes Geschäft mit ihrer Arbeit und einen Umsatz von einer Milliarde Euro im Jahr.
Die Arbeit über ein Subunternehmen ist unsicher: Wechselte das Hotel das Subunternehmen, können die Reinigungskräfte sofort ihren Job verlieren. Die Frauen, alle aus verschiedenen Ländern Afrikas eingewandert, zumeist ohne französischen Pass und ohne jeglichen Abschluss, schienen eindeutig am kürzeren Hebel zu sitzen. Aber: „Was sie vergessen: Wir machen sie reich“, sagte Rachel Keke, eine der streikenden Frauen, schon im Oktober 2020 in einem Interview mit dem online Medium Urbania.
„Die Arbeit der Zimmerfrauen hat sie zu Milliardären gemacht. Aber wenn wir nicht arbeiten, wie sollen sie dann reich sein?“
Hotel will seinen Ruf nicht riskieren und geht auf Forderungen der Frauen ein
Tatsächlich stand die börsennotierte Hotelkette mit den Milliardenumsätzen unter Druck, als die Zimmer des zweitgrößten Hotels Frankreichs nicht hergerichtet waren. Vor gut einem Jahr ist die Verhandlungsposition der streikenden Frauen allerdings gesunken – Corona-bedingt wurden sie in die Teilarbeitslosigkeit entlassen. Ende des Streiks? Von wegen. Mit gelben Warnwesten und Trommeln kamen die Frauen regelmäßig vor verschiedene Hotelfilialen, und warfen massenweise Konfetti – auch das höchst unangenehm für den Konzern, da die Kundschaft zwangsläufig darauf aufmerksam wurde. Manche Kund:innen sollen mit Bierdosen geworfen oder Wasser aus dem Fenster gekippt haben, erzählt Rachel Keke. Vermutlich hatte das Hotel mit so manchen Beschwerden zu tun. Gerade jetzt, zur Wiedereröffnung nach den Corona-bedingten Schließungen, glaubt Keke, wollten die Hotels keinen schlechten Start hinlegen und geben lieber klein bei.
Claude Lévy, dem Sprecher des Ablegers für Hotelbedienstete der Gewerkschaft CGT, ist am Telefon die gute Laune anzuhören. „Es wurde ganz klar ein politischer Wechsel bei Accor erreicht“, sagt er gegenüber Kontrast. „Die körperlich anstrengenden Jobs werden anerkannt.“
Bis zu 500 Euro mehr für Reinigungskräfte
250 bis 500 Euro mehr erhalten die Reinigungskräfte nun pro Monat. „Wir können uns nun besser um unsere Kinder kümmern und sogar mit ihnen reisen“, sagt Keke über die Gehaltserhöhung. Diese gilt natürlich auch für alle Kolleg:innen, die sich an dem Streik nicht beteiligten, insgesamt 60 Angestellte. Auch der Verpflegungszuschuss wird verdoppelt. Bisher mussten die Putzkräfte außerdem in 17 Minuten ein Zimmer samt Badezimmer putzen: Reinigung, Wechsel von Bettwäsche und Handtüchern, Lüften, Staubsaugen, Aufräumen. Und ohne Pause weiter zum nächsten, dreieinhalb Zimmer in einer Stunde. Wer da nicht mitkam oder sich beschwerte, dem drohte die Kündigung. „Das macht uns krank und zerstört unseren Körper“, beschrieb Keke diesen Arbeitsrhythmus. Nun wird schriftlich festgehalten: 2 bis 3 Zimmer stündlich sind das Maximum. Auch soll ein Zählsystem verhindern, dass unbezahlte Überstunden geleistet werden.
„Das ist ein Sieg der Gewerkschaften und des Klassenkampfes“, ist die Pressemitteilung der Gewerkschaft CGT-HPE enthusiastisch übertitelt. Der Einstieg ist auch eine Spitze gegen die Dachgewerkschaft CGT, die den Streik nicht immer gut geheißen hat: „Was haben wir nicht alles von den Strukturen der CGT zu hören bekommen während dieses Konflikts. Dass wir niemals gegen Accor gewinnen könnten, dass der Streik zu lang sei“.
Der Kampf dauerte fast zwei Jahre und war eine Herausforderung für die Frauen, die auch ihre Familien zu versorgen haben. Sie griffen also auf eine von Spenden finanzierte „Streikkasse“ zurück. „Wir zahlten den Streikenden damit 42 Euro täglich aus“, erklärt Claude Lévy im Gespräch mit Kontrast. Da der Arbeitskampf der „Zimmerfrauen“ viel Aufmerksamkeit in den sozialen Medien erhalten habe, seien über Spenden 284.000 Euro zusammengekommen, „das ist ziemlich außergewöhnlich“, so Lévy.
Die ursprüngliche Forderung der Gewerkschafterinnen bleibt zwar unerfüllt: Sie wollten eine Anstellung bei Accor, statt über ein Subunternehmen beschäftigt zu werden. Die aktuelle Einigung ist für sie trotzdem ein Sieg: Laut Einigung dürfen sie nicht entlassen werden, auch nicht bei Wechsel der Subunternehmen. Angesichts der Errungenschaften sahen die Streikenden von ihrem ursprünglichen Vorhaben ab. „Heute haben wir alles erreicht“, schließt Keke deshalb. Sie sei glücklich, dass die Arbeit der Zimmerreinigung nun sichtbarer geworden ist.
Die Arbeit der Frauen hat Sie zu Milliardären gemacht? Aha, also ich will die Arbeit einer Reinigungskraft nicht schmälern. Aber die Gäste kommen in die Hotels wegen der Übernachtung und der Ausstattung und des Designs der Zimmer und nicht wegen der Reinigungskraft! Sicher sind saubere Zimmer ein Mu