Die Regierung musste Daten über ihre Corona-Wirtschaftshilfen in einer EU-Datenbank veröffentlichen. Eine Analyse zeigt: Einige Branchen wurden systematisch überfördert. Der Ökonom Oliver Picek vom Momentum Institut fordert, dass diese Unternehmen ihre Staatshilfen zurückzahlen müssen.
36 Milliarden Euro hat Österreichs Regierung an Wirtschaftshilfen ausgezahlt oder bereits zugesagt. Dazu zählen Kurzarbeitsgelder, der Fixkostenzuschuss, der Ausfallbonus oder staatliche Garantien. Bislang blieb geheim, welches Unternehmen wie viel bekommen hat – das war der Sinn der ausgelagerten Covid-19-Finanzierungsagentur (Cofag). Doch das EU-Beihilfenrecht zwingt Österreich zur Veröffentlichung staatlicher Hilfen ab 100.000 Euro. Bei Sichtung der Daten fallen Einzelfälle auf: Starbucks bekam etwa 280 Mal mehr Förderung, als der Konzern überhaupt Steuern in Österreich zahlt. Doch abseits von diesen Einzelfällen zeigen die Daten auch einen systematischen Konstruktionsfehler bei den Hilfen: Manche Branchen bekamen Geld, obwohl sie sogar zu den Krisengewinnern zählen.
Möbelhäuser- Elektro- und Baumärkte sind die Krisengewinner
„Möbelhäuser, Bau- und Elektromärkte haben keinen Umsatzverlust gemacht. Die konnten den Umsatzentgang aus der Lockdown-Zeit nach den Öffnungen wieder aufholen. Kaum waren die Geschäfte wieder geöffnet, rissen die Kunden den Händlern etwa die Fernseher aus den Händen. Trotzdem haben sie Corona-Hilfen kassiert – auch wenn sie ohne sie durch die Krise gekommen wären“, kritisiert der Chefökonom des Momentum-Institutes Oliver Picek die Förderpraktik der Regierung. Mediamarkt bekam etwa 11,8 Millionen Euro – der Elektrohandel profitierte aber stark vom Homeoffice und das Unternehmen macht rund die Hälfte seines Umsatzes durch den Onlineshop. Auch Möbelhäuser wie Kika/Leiner (1,4 Millionen Euro) und XXX Lutz (104.000 Euro) bekamen Staatshilfen – obwohl die Umsätze in der Branche um 4 Prozent stiegen. Sie haben also mehr verkauft als in anderen Jahren und bekamen die Staatshilfen obendrauf.
Hotellerie und Gastronomie hatten den besten November aller Zeiten
Hinzu kommt auch, dass die Firmen während des Lockdowns einen großen Teil ihrer Personalkosten abbauen konnten. Denn Kurzarbeit und Umsatzersatz schließen sich nicht aus. „Das führt zu einer massiven Überförderung“ kritisiert Picek und rechnet vor: „Für den ersten Umsatzersatz kommt man auf eine Überförderung in der Hotellerie von bis zu 45 Prozent. Die haben den besten November aller Zeiten erlebt und sie hatten dabei nicht einmal geöffnet.“ Die Rechnung ist einfach: Hotels sparten sich durch die Kurzarbeit Personalkosten. Gleichzeitig hatten sie keine Kosten etwa in der Küche, trotzdem bekamen sie 80 Prozent des Vorjahresumsatzes.
Auf die Kleinen wurde vergessen
„Die Verteilung der Förderungen zeigt auch, welche Lobby-Gruppen bei der Regierung am besten Gehör fanden“, erklärt sich Picek die Überförderung. Denn während die einen ihre Gewinne durch Steuergeld sogar erhöhen konnten, schauten andere durch die Finger. Das Arbeitslosengeld wurde anders als in Irland oder den USA während der Krise nicht erhöht. Stattdessen gab es 2020 nur zweimal eine Einmalzahlung und auch die hat es nicht für jeden Jobsuchenden gegeben. Heuer bleibt auch diese aus. Arbeitslos gewordene Menschen müssen mit 55 Prozent ihres Einkommens auskommen – sie können ihre Kosten aber nicht so leicht reduzieren, wie ein Hotel, das gar nicht erst öffnet.
Start-Ups, die mit nur ein oder zwei Personen gestartet sind und im letzten Jahr stark wuchsen, hatten wenig von einem Ersatz auf Basis des Vorjahres. Wenn jemand ein Unternehmen von einem Elternteil übernommen hat, änderte sich die Steuernummer und diese Fälle wurden deshalb bei den Förderungen zurückgereiht – diese Unternehmen warten teilweise bis heute auf die Staatshilfen, die ihnen für November zustehen würden. Kleine Unternehmen hatten es generell schwerer, sich durch den bürokratischen Dschungel zu kämpfen, als große Unternehmen mit eigener Rechtsabteilung. Vor allem Einpersonen-Unternehmen klagten über willkürliche Ablehnungen von Fördersummen.
Tiroler Adlerrunde spendete über eine Million Euro an die ÖVP
Während bei den Kleinen das Klagen groß ist, ist es bei den anderen praktisch verstummt. Um Franz Hörl, ÖVP Nationalrat, Seilbahnlobbyist und Hotelier, ist es etwa sehr ruhig geworden. Zu Beginn der Corona-Krise kämpfte er intensiv gegen die Beendigung der Wintersaison in Tirol – trotz Corona-Hotspot Ischgl. Auch im Februar 2021 tat Hörl alles, um die Abriegelung Tirols zu verhindern. Mit Erfolg: Lediglich eine Reisewarnung sprach Österreichs Regierung aus, die laut Juristen relativ wirkungslos ist. Doch selbst das geht Hörl zu weit, der den Schritt als „Rülpser aus Wien“ bezeichnet. Jetzt scheint er zufriedengestellt – über die Höhen der Förderungen hat er sich wie auch andere Hoteliers nicht mehr beschwert.
Dass die Regierung für seine Anliegen und die seiner Kollegen aus der „Tiroler Adlerrunde“ ein offenes Ohr hat, könnte nicht nur mit Hörls Tätigkeit als ÖVP-Nationalrat zu tun haben: Mitglieder des Zusammenschlusses aus Industriellen, Nobel-Hoteliers und Skilift-Betreibern spendeten der ÖVP über eine Million Euro.
Die Regierung sollte Förderungen zurückverlangen statt bei Arbeitslosen zu sparen
Picek rät der Regierung, die Staatsgelder von den überförderten Betrieben in Form einer Corona-Sondersteuer zurückzuverlangen.
„KTM hat beispielsweise 11 Millionen Euro Kurzarbeitsgeld bekommen – gleichzeitig schreiben sie einen Gewinn von 130 Millionen Euro im Krisenjahr. Sie hätten die Staatshilfen also gar nicht benötigt. Hier wäre es fair, wenn sie das Steuergeld zurückzahlen müssen“, so Picek.
Dabei geht es nicht allein um die moralische Frage, ob Milliardäre wie der KTM-Hauptaktionär Stefan Pierer ihr Vermögen im Krisenjahr vermehren dürfen und gleichzeitig Staatsgelder in Anspruch nehmen – die Förderungen haben auch volkswirtschaftliche Konsequenzen. Die Regierung nahm massiv Schulden auf, um die Staatshilfen zu finanzieren, bald wird sie Sparmaßnahmen ankündigen. Einen Vorgeschmack gibt schon die ÖVP: Sie fordert, das Arbeitslosengeld auf 40 Prozent zu reduzieren. Bei dieser Forderung geht es der ÖVP laut Picek nicht hauptsächlich um Beschäftigungsanreize, die seien minimal, sondern um Einsparungspotential. „Nach der Krise wird sich die Regierung wieder an die EU-Maastricht Kriterien mit einer Staatsverschuldung von maximal 60 Prozent annähern wollen. Dafür wird die Regierung ein Sparpaket schnüren oder künftige Staatsausgaben deckeln müssen. Das fängt bei Arbeitslosen an, geht aber noch weiter: Jeden Euro, den wir heute zu viel an ein Unternehmen ausgeschüttet haben, können wir dann nicht für Zukunftsinvestitionen wie etwa bei der Pflege ausgeben.”
Mir darf von den Türkisen wirklich niemand mehr unter die Augen kommen, der sudert, dass Pensionen nicht mehr leistbar sind. Wie nennt man es eigentlich, wenn einem ÖVP-Großspender 11 Mio. Euro an Steuergeldern gewährt werden, die er nicht braucht? Kickback?
Wir werden dieses Problem erst los, wenn wir diese Regierung los sind.