Diese Woche endet der Ibiza U-Ausschuss obwohl die Abgeordneten gerade neue Akten geliefert bekommen haben – etwa aus dem Finanzministerium, dem ein monatelanger Rechtsstreit um Lieferpflichten vorausging. Der SPÖ-Fraktionsführer Jan Krainer zieht im Kontrast-Interview Bilanz über die Arbeit im Ausschuss: Wie aus einem FPÖ-Skandal ein ÖVP-Skandal wurde, wie es sein kann, dass Blümel noch immer im Amt ist und was der Ausschuss gebracht hat.
Kontrast.at: Der Untersuchungsausschuss geht jetzt zu Ende. Er hat vor über einem Jahr begonnen – im Juni 2020 mit den Befragungen von Gudenus und Strache, den Hauptdarstellern aus dem Ibiza-Video. Was hat sich die SPÖ damals erwartet?
Jan Krainer: Wir sind davon ausgegangen, dass es prinzipiell ein FPÖ-Skandal ist und dass die FPÖ die treibende Kraft hinter diesem Sittenbild aus dem Ibiza-Video ist, das vereinfacht gesagt lautet: Für Geld und Macht machen wir alles und verkaufen die Republik. Aber schon aufgrund der ersten Aktenlieferungen hat sich unser Fokus Richtung ÖVP verschoben. Wir sind zum Beispiel im Casinos-Bereich davon ausgegangen, dass es einen mutmaßlichen Deal zwischen der Novomatic und der FPÖ gegeben hat. Die Novomatic sorgt dafür, dass ein FPÖler Vorstand bei den Casinos wird und auf der anderen Seite setzt sich die FPÖ für eine Novomatic-freundliche Gesetzgebung ein. Das war so unsere Mutmaßung.
Aufgrund der Akten und Unterlagen haben wir aber schnell gesehen: Es gab de facto keinerlei Kommunikation zwischen FPÖ und Novomatic bis knapp vor Weihnachten 2018. Aber es gab vom ersten Tag der Regierungsbildung Türkis-Blau an ganz engen Kontakt zwischen der ÖVP und der Novomatic. Wo sie sich zum Beispiel absprechen, wie sie gemeinsam die Tschechen im Casinos-Aufsichtsrat überstimmen. Und wir haben gesehen, dass ab dem Sommer 2018 bis in den Herbst hinein eine Glücksspielnovelle vorbereitet wurde, die sich wie die Wunschliste der Novomatic gelesen hat – das war noch bevor die FPÖ davon irgendetwas gewusst hat.
Unser Eindruck nach über einem Jahr Aktenlesen und Befragungen im U-Ausschuss ist, dass die ÖVP-Leute in Wahrheit die Strippenzieher waren und kontrolliert haben, was passiert. Die waren zum Beispiel die ganze Zeit über Sidlo informiert und haben das auch unterstützt. Nach außen haben sie dann so getan, als ob sie nichts damit zu tun hätten. Aber in Wahrheit waren das die Strippenzieher. Und das war schon ein massiver Schwenk von der ursprünglichen These: Von „Die FPÖ ist das Problem“ hin zu „eigentlich sind die Türkisen das Problem“.
Kontrast.at: Die ÖVP war dem Ausschuss gegenüber von Anfang an sehr skeptisch …
Jan Krainer: Wir haben Anfang Dezember 2019 das Verlangen eingebracht und normalerweise findet dann innerhalb von ein, zwei Tagen eine Sitzung statt, wo der Untersuchungsausschuss beschlossen wird. Das wurde auf die längst mögliche Zeit ausgedehnt, nämlich sieben Wochen – und dann wurde es noch beeinsprucht.
ÖVP und die Grünen haben versucht, den Untersuchungsgegenstand zu zensurieren. Unter dem Motto: Ihr dürft euch nur anschauen, was die FPÖ betrifft, aber nicht, was die ÖVP betrifft. Wir mussten dann erstmals zum Verfassungsgerichtshof gehen und haben dort Recht bekommen, dass man nicht nur die Freiheitlichen untersuchen darf, sondern auch die ÖVP. Das hat uns natürlich schon skeptisch gemacht. Vor allem, weil da die Grünen dabei waren, diesen Untersuchungsgegenstand so stark einzuschränken. Zum Glück haben wir vor dem Verfassungsgerichtshof gewonnen und konnten uns dann die ganze Palette ansehen.
Nach dem der Ausschuss eingerichtet war, ist es losgegangen, dass die ÖVP-Ministerien, hier vor allem Blümel und Kurz, versucht haben, keine Akten zu liefern. Dann mussten wir wieder zum Verfassungsgerichtshof und fast ein Jahr lang streiten und kämpfen bis wir Recht bekommen haben, dass sowohl Blümel als auch Kurz alles liefern müssen, was für den Untersuchungsgegenstand relevant sein könnte. Aber das war dem Finanzminister auch egal, der hat dann trotzdem nicht geliefert.
Blümel hat zwar die Akten ausdrucken lassen und sie im Keller des Finanzministeriums versteckt, aber erst dann liefern lassen, als bereits der Bundespräsident als Exekutor vor der Tür stand.
Doch auch dann hat er noch immer nicht alles geliefert, obwohl er das behauptet hat. Dann haben wir uns wieder an den Bundespräsidenten gewandt. Der hat gesagt, wir müssen noch einmal zum Blümel gehen. Dann hat der Blümel noch einmal nachgeliefert und gesagt: Irrtümlich, unabsichtlich wurden ein paar Sachen nicht geliefert. Aber da hat noch immer viel gefehlt. Dann haben wir uns noch einmal an den Bundespräsidenten gewandt. Der hat dann die Exekution eingeleitet und jetzt vor ein paar Tagen sind vom Exekutor, vom Straflandesgericht Wien, die Akten endlich geliefert worden.
Jetzt können wir noch nicht genau sagen, wie viele E-Mails und Akten uns Blümel vorenthalten hat, aber dass es Hunderte sind, das wissen wir in der Zwischenzeit.
Kontrast.at: Ihr habt am Freitag, fünf Tage vor dem letzten Befragungstag, die letzten Unterlagen vom Finanzministerium bekommen und da waren auch noch neue Unterlagen dabei?
Jan Krainer: Da sind hunderte neue Unterlagen dabei. Wir haben heute auch noch eine Lieferung vom Außenministerium bekommen, als „streng geheim“ eingestuft. Also man merkt, dass hier vor allem die ÖVP-Ministerien so spät wie es nur irgendwie geht liefern – und so geheim wie nur irgendwie möglich, sodass wir ganz schwer damit arbeiten können.
Ich meine, das muss man sich einmal vorstellen: Ein Minister, der Verfassungsgerichtshof-Entscheidungen einfach ignoriert, ein Bundespräsident, der diese Urteile dann gegen den Minister durchsetzen muss. Das hat es in der Zweiten Republik noch nicht gegeben.
Nicht einmal Jörg Haider hat das gemacht. Der hat gewusst: Bevor der Bundespräsident mich exekutiert, muss ich selber den Schritt bei den Ortstafeln setzen. Da merkt man doch, wie weit es Kurz und Blümel getrieben haben. Dass Finanzminister Blümel noch immer im Amt ist, ist mir ein Rätsel.
Kurz-Filibuster im U-Ausschuss
Kontrast.at: Die Regierung sagt, dem U-Ausschuss gehe es zu wenig um Aufklärung. Gerade die Befragungen im Ausschuss seien respektlos und wild. Kann man da viel Kooperation erwarten?
Jan Krainer: Von der ersten Befragung von Kurz gibt es mittlerweile eine Reihe von Tondokumenten, die öffentlich zugänglich sind. Das heißt, da kann sich jeder ein Bild machen. Die Abgeordneten befragen sehr ruhig, in ruhigem Ton. Der Bundeskanzler antwortet patzig, ausweichend und arrogant. Und jetzt bei der zweiten Befragung war es besonders schlimm, weil Kurz von zwei Fraktionen überhaupt nicht befragt werden konnte. Die ÖVP war mit den Fragen an den Kanzler als Erste dran und hat einfach zwei Stunden lang sinnlose Fragen gestellt. Zum Beispiel: Was war denn noch wichtig in ihrer Regierung, abgesehen von den Themen, die im Untersuchungsgegenstand stehen?
Das hat der Ausschussvorsitzende Wolfgang Sobotka (ÖVP) alles zugelassen und hat den Bundeskanzler hier in epischer Breite antworten lassen – zu Fragen, die komplett irrelevant sind. Dann war ich für die SPÖ als erster Oppositionsabgeordneter zum Fragen dran und ich wurde gezählte 21 Mal durch Geschäftsordnungs-Wortmeldungen der ÖVP unterbrochen.
Zu mehr oder weniger jeder einzelnen Frage, die ich gestellt habe, hat es sofort ÖVP-Einwände gegeben: „Ist die überhaupt zulässig? Ist das Teil des Untersuchungsgegenstandes?” etc. Da ging es ausschließlich darum, meine Befragung des Kanzlers möglichst zu torpedieren.
Wir haben normalerweise bei Auskunftspersonen 20 Befragungsrunden, also jede Fraktion kommt vier Mal dran. Von diesen 20 Runden haben wir bei Kurz nur drei geschafft – und die nicht mal zur Gänze. Über 17 Befragungen konnten gar nicht stattfinden. Die Befragung einer Auskunftsperson darf maximal vier Stunden dauern und das hat die ÖVP durch Geschäftsordnungsdebatten und ihre sinnlos-Fragerei ausgefüllt. Der Bundeskanzler musste also de facto kaum kritische Fragen beantworten.
Kontrast.at: Kurz hat sich bei der zweiten Befragung auch entschlagen auf einige Fragen. Wann hat man das Recht sich zu entschlagen?
Jan Krainer: Prinzipiell darf man sich entschlagen, wenn man sich oder nahe Angehörige durch eine wahrheitsgemäße Antwort einer strafgerichtlichen Verfolgung aussetzen würde. Das ist an und für sich ein gutes Recht. Also ich muss mich nicht selber belasten vor einem Untersuchungsausschuss.
Der Herr Sobotka hat das nur so weit ausgedehnt, dass Kurz kaum mehr auf Fragen antworten musste, die ihm unangenehm sind. Nehmen wir die Kirchenchats: Die Kirche kritisierte Kurz für seine Flüchtlingspolitik, Mitarbeiter im Finanzministerium drohen den Kirchenvertretern dann mit dem Streichen von Steuerprivilegien. Sein Freund Schmid schrieb dem Kanzler nach dem Gespräch: Die Kirchenleute waren total fertig. Zuerst waren sie ganz rot, dann waren sie ganz blass und am Schluss haben sie gezittert. Und dann antwortet Kurz: „Danke dir vielmals, super gemacht!“
Da sieht man schon, wie Kurz mit Kritikern umgeht: Wenn du mich kritisierst, dann setze ich den Machtapparat des Staates gegen dich ein.
Jedenfalls hat Kurz bis heute in der Öffentlichkeit kein Wort dazu gesagt, obwohl er im U-Ausschuss dazu befragt wurde. Der Trick: Mutmaßlich aus dem ÖVP-Umfeld hat jemand ein paar Tage vorher irgendwelche anonymen Anzeigen gegen Kurz eingebracht, sodass er sich entschlagen konnte. Sobotka sorgt mithilfe der ÖVP-Abgeordneten dafür, dass Kurz solche Fragen nicht beantworten muss. Ende März sind die Chats bekannt geworden und der Kanzler hat bis heute nichts dazu gesagt. Ich bin der Meinung, dass die Öffentlichkeit das Recht hat, dass der Bundeskanzler erklärt, was er eigentlich gemeint hat mit: „Ja, super! Bitte Vollgas geben!“
Ein Bundeskanzler muss doch zu dem stehen, was er tut – und es erklären können. Ich glaube, in diesem Chat sieht man sein wahres Gesicht – und das ist kein schönes Gesicht.
Das will er natürlich verbergen vor der Öffentlichkeit. Sobotka und die ÖVP helfen ihm dabei, dass er dazu nicht Stellung nehmen muss, wie er innerlich tickt.
Kontrast.at: Jetzt gibt es den Vorschlag, dass man keinen Untersuchungsausschuss machen sollte während ein strafrechtliches Verfahren läuft. Wäre das sinnvoll?
Jan Krainer: Wenn das so wäre, dann hätten wir bis heute zur BUWOG – die 2002 privatisiert wurde – keinen Untersuchungsausschuss machen dürfen, weil es noch immer kein rechtskräftiges Urteil gegen Grasser gibt. Der ist ja nur in erster Instanz verurteilt. Das wären dann keine Untersuchungsausschüsse mehr, sondern eine Historikerkommission, die sich ansieht, was vor 20 Jahren oder 30 Jahren passiert ist. Das ist natürlich für die aktuelle politische Situation vollkommen irrelevant. Weil ja alle Personen, die damals dabei waren, dann keine politischen Akteure mehr sind.
Untersuchungsausschüsse müssen zeitnah stattfinden. Und, ja – es gibt gewisse Abstimmungen, die man machen muss, wenn es dazu parallel strafrechtliche Ermittlungen gibt.
Aber da gibt es ein gutes Verfahren, das nennt sich Konsultationsmechanismus. Das heißt, wenn die Strafverfolgungsbehörden sagen: Bitte, diese Unterlagen will ich dir nicht geben, weil ich hier grad ermittle oder bitte diese Auskunftsperson nicht laden, weil die will ich vorher selber befragen. Dann hält sich der Untersuchungsausschuss immer daran. Und in Wahrheit ist es ja so, dass Untersuchungsausschüsse oft den Staatsanwälten helfen, weil sie viel Neues zu Tage bringen, was die Staatsanwaltschaft gar nicht wusste. Insofern ist das ein Vorschlag, der dazu führen würde, dass es de facto keine Untersuchungsausschüsse mehr gibt, sondern nur noch Historikerkommissionen.
Wolfgang Sobotka – ein parteiischer U-Ausschuss-Vorsitzender
Kontrast.at: Wolfgang Sobotka war von Beginn an umstritten als Ausschuss-Vorsitzender. Vor allem auch, weil sein Verein in Niederösterreich von der Novomatic Inserate und Gelder bekommen hat.
Jan Krainer: Normalerweise ist es so, dass ein Abgeordneter nicht einmal am Rande in den Untersuchungsgegenstand involviert sein darf. Das gilt schon für normale Mitglieder des Ausschusses, noch viel mehr für den Vorsitzenden. Das ist eine bewährte, ungeschriebene Regel im Parlament. Und Sobotka hat sich erstmals darüber hinweggesetzt. Wir haben ihm vorher abseits der Öffentlichkeit unsere Zweifel gesagt: Wir sehen, dass die Novomatic in seiner Vereins-Zeitung inseriert hat. Wir haben Fotos im Internet gefunden, wo er mit Novomatic-Logo fotografiert wurde. Und Sobotka hat gesagt: Das waren ja nur vier Inserate, sonst ist nichts passiert. Und da muss man ehrlicherweise sagen – die Novomatic hat überall inseriert, sogar im „Falter“. Und wir haben gesagt: Wenn es wirklich nur vier Inserate sind, dann ist es ok. Aber wenn da mehr ist, kann er den Vorsitz nicht übernehmen. Doch dann sind wir draufgekommen, dass es Geldleistungen ohne Gegenleistung von der Novomatic an sein Alois-Mock-Institut gegeben hat, wie auch die Staatsanwaltschaft in der Zwischenzeit festgestellt hat. Über 100.000 Euro sind von der Novomatic in seinen Verein geflossen, 50.000 davon, wie die Staatsanwaltschaft schreibt, ohne erkennbare Gegenleistung.
Und dann hat er sich noch verdeckte Parteienspenden für seine ÖVP-Parteigliederung in Niederösterreich geholt von der Novomatic. Aufgrund der parlamentarischen Regeln hätte er nicht einmal normales Mitglied des Untersuchungsausschusses werden dürfen. Aber er sagt, es gibt keine geschriebene Regel, dass er es nicht darf und deswegen macht er es trotzdem. Das ist eine klassische Unvereinbarkeit, die es bisher nicht gab, weil jeder Abgeordnete wusste, was sich gehört.
Der zweite Bereich ist einfach die Art und Weise, wie er Vorsitz führt. Und da ist er natürlich nicht der unabhängige Schiedsrichter, sondern da ist er einfach der ÖVP-Mann. Alles, was der ÖVP nützt, macht er und alles, was den anderen Parteien schadet, macht er.
Ich habe überhaupt noch nie einen Präsidenten des Nationalrates oder einen Vorsitzenden eines Untersuchungsausschusses erlebt, der in der Öffentlichkeit nichts Besseres zu tun hatte als die Arbeit von Abgeordneten herunterzumachen, teilweise Abgeordnete persönlich zu diffamieren und zu beschimpfen. Und das macht er seit über einem Jahr. Sobotka dürfte meiner Meinung nach überhaupt keine Funktion in einem Parlament haben, weil er einfach nicht geeignet ist dafür.
Er hat in Sitzungen Abgeordnete der Lüge bezichtigt, dann hat sich herausgestellt, der Vorwurf ist falsch. Erstens einmal darf man das überhaupt nicht als Vorsitzender. Und er hat sich dann nicht einmal ordentlich entschuldigt dafür. Also das ist eine Art, die ich in meinen fast 19 Jahren im Parlament noch nicht erlebt habe. Der Herr Sobotka disqualifiziert sich in Wahrheit für jede parlamentarische Funktion durch sein Auftreten.
Kontrast.at: Warum sind die Befragungen im U-Ausschuss noch immer nicht öffentlich?
Jan Krainer: Weil die ÖVP dagegen ist. Alle Parteien sind dafür, dass die Befragungen von den wichtigsten Auskunftspersonen im Fernsehen live gezeigt werden, damit sich jeder ein Bild machen kann. Da würden dann alle sehr schnell sehen: Der Ton der Abgeordneten ist in Ordnung. Wenn jemand einen schlechten Ton hat, ist es die ÖVP, ist es Sobotka und sind es Kurz und Blümel.
Die ÖVP hat ganz andere Vorschläge zur Reform des U-Ausschusses gemacht: Bundeskanzler Kurz hat vorgeschlagen, dass nur mehr Richter Fragen stellen dürfen. Auf der ganzen Welt stellen bei parlamentarischen Untersuchungsausschüssen Parlamentarier die Fragen – auf der ganzen Welt. Der Vorsitzende Sobotka hat auch besonders interessante Vorschläge gemacht: Zuerst wollte er die Wahrheitspflicht für die Auskunftspersonen abschaffen. Naja, wozu mach ich dann einen Untersuchungsausschuss, wenn die Auskunftspersonen ungestraft lügen dürfen? Und der zweite Vorschlag ist, dass man vorher die Fragen schriftlich einreichen muss.
Die ÖVP mag ganz einfach nicht, dass sie kontrolliert wird, und versucht alles zu verunmöglichen, was die Kontrolle von ihren Machenschaften betrifft.
Die Ergebnisse des U-Ausschusses kurz zusammengefasst
Kontrast.at: Kommen wir einmal zum Untersuchungsgegenstand, also den Causen, die der Ausschuss politisch untersucht hat. Es gibt die Novomatic-Casinos-Glücksspiel-Causa, die mehr oder weniger der Ausgangspunkt war. Dann gibt es die geplanten Privatisierungen, die Privatspitäler, diese Chats, die in den Mittelpunkt gerückt sind, weil sie so krass waren. Was würdest du sagen, wenn man das nur am Rande mitbekommen hat – was sollte man sich merken aus der Arbeit des Untersuchungsausschusses?
Jan Krainer: Also das allerwichtigste Ergebnis ist, dass Kurz und sein nächstes Umfeld, zu dem auch Finanzminister Blümel gehört, innerhalb des staatlichen Apparates Parallelstrukturen aufgebaut haben. Einen Kurz-Staat im Staat, der an den Rechtssystemen der Republik vorbeigeht, der an den Ministern vorbeigeht, der de facto nur eine türkise Familie abbildet, und das Oberhaupt dieser Familie ist Bundeskanzler Kurz. Dieser Staat im Staat trifft sogar teilweise an den eigenen Minister vorbei die Entscheidungen. Die Minister haben oft gar nicht gewusst, was ihre engsten MitarbeiterInnen im Ministerium machen, weil die haben alle nur für den Kurz gearbeitet – die haben ihm alles berichtet und Kurz hat entschieden. Finanzminister Löger hat zum Beispiel oft gar nicht gewusst, was in seinem Haus passiert. Das geht auch aus Chats hervor. Da schreibt Schmid an eine Mitarbeiterin über Löger: Der braucht gar nicht glauben, dass er hier etwas entscheiden kann. Weil Kurz entscheidet hier. Und Löger gehört nicht zur türkisen Familie.
Und dieser türkise Staat im Staat hat selbst in der Übergangsregierung noch immer funktioniert. Beim überparteilichen Justizminister und Vizekanzler Jabloner war die Kabinettchefin zum Beispiel eine Beamtin, die vorher im Kabinett von Josef Moser war, und die offenbar von den Türkisen dort platziert wurde. In einem Chat zwischen ihr und dem ehemaligen Generalsekretär Pilnacek machen die zwei sich aus, welche Aufträge es im Namen des Ministers gibt, ohne den Minister davon zu informieren. Dafür wird aber Kurz informiert. Und das ist schon irre, weil das einfach gegen alle Bausteine der Verfassung passiert – und gegen die Art und Weise wie die Republik funktionieren sollte. Das ist die grundlegende Sache.
Kontrast.at: Thomas Schmid ist durch die Chats in den Mittelpunkt des U-Ausschusses gerückt, er musste schließlich auch als ÖBAG-Chef gehen. Warum kommt er nicht mehr in den Ausschuss?
Jan Krainer: Er war einmal letztes Jahr im Juli und er hat sich großteils entschlagen. Wir wollten ihn noch einmal laden, weil wir ihn zu einigen Chats noch nicht befragen konnten. Er ist aber abgetaucht. Sogar als er noch ÖBAG-Chef war, hat plötzlich in der ÖBAG niemand mehr das Telefon abgehoben – tagelang. In der Zwischenzeit sagt er, er ist irgendwo im europäischen Ausland. Natürlich versucht er, sich vor einer Aussage im Untersuchungsausschuss zu drücken. Das hängt auch damit zusammen, dass die ÖVP und die Grünen die Verlängerung des Ausschusses um drei Monate ablehnen. Jeder weiß, der 15. Juli ist der letzte Tag – wenn ich da einen Termin auslasse, muss ich nicht aussagen – dafür nehmen viele die Strafe in Kauf. Deswegen sind plötzlich ganz viele Auskunftspersonen auf Urlaub, es gibt viele Krankenstände oder sonstige Verhinderung. Wir haben am letzten Befragungstag null Auskunftspersonen, weil alle abgesagt haben. Die werden zum Teil Beugestrafen zahlen, aber sie werden nicht mehr befragt werden können im Untersuchungsausschuss. Jedenfalls so lange ÖVP und Grüne sagen, wir verlängern den Ausschuss nicht mehr. Wenn sie der Verlängerung zugestimmt hätten, dann wäre jedem klar gewesen, bis Oktober finde ich keinen guten Grund, jeden Termin abzusagen. Dann komme ich lieber gleich.
Kontrast.at: Wie viel macht so eine Beugestrafe aus?
Jan Krainer: Das entscheidet das Bundesverwaltungsgericht. Das hängt vom Einkommen ab. Beim ehemaligen ÖBAG-Chef Schmid zum Beispiel gehe ich davon aus, dass er eine ordentliche Strafe bekommt. Die ÖBAG hat ihm schließlich gerade 200.000 Euro nachgeschmissen als Ablöse. Statt dass er sein Gehalt zurückzahlt, weil er unrechtmäßig dort Vorstand geworden ist, hat ihm die ÖBAG noch 200.000 Euro nachgeschmissen. Aber die Höhe der Strafe entscheiden Gerichte und nicht die Politik.
Kontrast.at: Wie lange hätte die Opposition noch gerne Zeit gehabt, um den Ausschuss ordentlich abzuschließen?
Jan Krainer: Ich glaube, mit drei Monaten wären wir ganz gut ausgekommen. Wir hätten dann bis Mitte/Ende Oktober diese ganzen Befragungen durchführen können und die Akten analysieren können, die uns erst jetzt geliefert wurden. Die Regierung, also vor allem die Grünen haben gemeint, wir können einen neuen Untersuchungsausschuss einsetzen. Das ist ein Schildbürgerstreich, weil dann müssten quasi alle 1,5 Millionen Akten, die wir jetzt haben, geschreddert werden und wir müssten sie neu beantragen. Womöglich müssen wir wieder bis zum Verfassungsgerichtshof laufen, um sie zu erstreiten.
Die Besonderheiten des Ibiza-U-Ausschusses: Viele Störfeuer durch die ÖVP
Kontrast.at: Einige Beobachter fragen: Was hat das jetzt alles gebracht?
Jan Krainer: Man hat sichtbar gemacht, wie die türkise ÖVP – Kurz und Blümel – einen Staat im Staat aufgebaut haben. Wir haben einen Einblick in die türkise Familie erhalten – wie die denken, wie sie ticken und wie sie über andere reden. Es hat gezeigt, dass die ÖVP bereit war, für die Novomatic in Wien das kleine Glücksspiel wieder einzuführen. Wo jede Wienerin und jeder Wiener froh ist, dass es das nicht mehr gibt. Man sieht, wie die türkise ÖVP versucht, alle Machtbereiche des Staates unter ihre Kontrolle zu bringen. Was die Bankenaufsicht betrifft, was die ÖBAG betrifft und damit die Betriebe, an denen die Republik Anteile hat: Post, Telekom, OMV, BIG usw. Aus rein parteipolitischen Motiven, ohne dass dort qualifizierte Leute sitzen, sondern Hauptsache, sie sind Teil der Familie und sie berichten an das Familienoberhaupt Kurz und nicht an die dafür vorgesehenen staatlichen Institutionen. Man sieht, wie sie den Justizapparat wirklich missbraucht haben und versucht haben, zu verhindern, dass es hier Ermittlungen gibt. Wie sie versucht haben, die Ermittlungen der Korruptionsstaatsanwaltschaft zu behindern. Das hat schon wahnsinnig viel gezeigt. Und es hat auch viele Konsequenzen gegeben: Thomas Schmid musste als ÖBAG-Chef gehen, Brandstätter musste sich als Verfassungsrichter zurückziehen und der mächtige Sektionschef im Justizministerium Pilnacek wurde suspendiert. Das passiert ja nicht bei jedem Untersuchungsausschuss.
Wie viel Wurstsemmeln hast du gegessen im Ausschuss?
Jan Krainer: Ich habe schon sehr lange keine Wurstsemmel mehr gegessen, auch im Ausschuss nicht. Ich find es ja lustig: Die ÖVP unterstellt mir und anderen Oppositionsabgeordneten öffentlich, dass wir essen usw. Auf den Tonbandaufnahmen hört man nur einen essen und schmatzen: Und das ist Sobotka. Man darf nicht immer alles glauben, was die ÖVP behauptet. Das gehört zur Diffamierung dazu. Die ÖVP will natürlich nicht darüber reden, wie sie ein Glücksspielgesetz vorbereitet haben, das der Novomatic nützt. Da redet sie lieber über Wurstsemmeln und über Chips. So muss man das einordnen. Das sind alles nur Störversuche, um von dem abzulenken, worum es eigentlich geht.
Und man weiß auch wieso: Weil all das, was da aufkommt natürlich nicht im Interesse der Österreicherinnen und Österreicher ist, sondern nur im Interesse der ÖVP-Großspender. Sie wollten zum Beispiel das Stiftungsrecht so ändern, dass es wie in Liechtenstein ist. Dort müssen Superreiche am Ende des Tages keine Steuern zahlen, in Österreich muss man immerhin noch ein bisschen Steuern zahlen. Die Großspender der ÖVP wollen keine Steuern zahlen und in den neuesten Papieren sieht man, dass sie das Stiftungsrecht so ändern wollten, dass man gar keine Steuern mehr zahlen muss. Das sind alles Beispiele dafür, das die ÖVP Politik für ihre Spender machen will und nicht für die Österreicherinnen und Österreicher. Aber das soll hinter verschlossenen Türen passieren. Vor den Kameras sagen sie etwas Anderes.
Kontrast.at: War der U-Ausschuss anders als andere U-Ausschüsse zuvor?
Jan Krainer: Untersuchungsausschüsse – ich sag immer das ist die Königsdisziplin der parlamentarischen Kontrolle – sind wahnsinnig fordernd, weil es sehr viel Energie und Zeit kostet. Aber man lernt wahnsinnig viel, dafür mach ich das auch gerne. Das, was schon ungewohnt war, waren diese Störfeuer der ÖVP. Das heißt, wir mussten einerseits ständig beim Verfassungsgerichtshof rechtlich vorgehen, wir mussten uns im Untersuchungsausschuss selber wehren gegen die Angriffe von Sobotka und der ÖVP, allen voran Hanger. Also wenn die ÖVP sich beklagt über den schlechten Ton im Untersuchungsausschuss, haben sie Recht, aber den verbreitet vor allem der ÖVP-Fraktionsführer Hanger. Der beleidigt und unterstellt, wie das in der Vergangenheit, so weit ich mich erinnern kann, nur Westenthaler und der BZÖ-Politiker Grosz gemacht haben. Also permanent unter der Gürtellinie, eigentlich nur auf Zerstören aus. Und es ist ihm keine Unwahrheit zu blöd, um sie nicht trotzdem in eine Kamera zu sagen. Also wir mussten uns hier an mehreren Fronten einfach wehren, um trotzdem weiterarbeiten zu können. Ja, das war schon eine Lehre. Aber das geht auch, trotz Störfeuer, kann man trotzdem, glaube ich, gut konstruktiv arbeiten.
Die ganze övp bundesregierung läßt keine kritik an ihr zu kurz , blümmel , sobotka , wöckinger besitzen eine frechheit sondergleichen . anscheinend kassieren alle mit wenn nun die hilfgeld-millionen ausbezahlt werden . ich dachte immer der jörg h. wäre der schlimmste , es geht noch grausamer .
Krainer hat recht, mit dieser Saubande gehört aufgeräumt.
Ich werde mich bei der nächsten Wahl nicht schwertun.