Die 27 EU-Landwirtschaftsminister und Ministerinnen haben sich am Dienstag in Luxemburg auf das neue EU-Agrarbudget geeinigt. Es umfasst 56 Milliarden Euro pro Jahr und macht ein Drittel des EU-Budgets aus. Umwelt- und Klimaziele kommen viel zu kurz, wie Experten und NGOs kritisieren. Greta Thunberg fordert die EU-Abgeordneten auf, dem Entwurf so nicht zuzustimmen, weil er eine Kapitulation vor der Klimakatastrophe ist.
Das neue EU-Agrarbudget gilt bis zum Jahr 2027 und umfasst 56 Milliarden Euro pro Jahr. Das sind insgesamt ganze 387 Milliarden, also 31 Prozent des EU-Budgets. Und diese werden an rund 10 Millionen europäische Bauern fließen. Das Programm ist in 2 Säulen aufgeteilt: Gelder für ländliche Entwicklung und Direktzahlungen an Betriebe.
Laut dem Entwurf der 27 EU-Landwirtschaftsminister sollen nun 20 Prozent dieser Direktzahlungen an Umweltregeln geknüpft sein. Erfüllt eine Landwirtin oder ein Landwirt diese Standards, gibt es zusätzliches Geld. Umwelt- und Klimaschutz in der Landwirtschaft soll so attraktiv(er) werden. Im Umkehrschluss heißt das aber: Über 300 Mrd. Euro werden in den nächsten 6 Jahren ohne Umwelt- und Klimaauflagen in die Landwirtschaft fließen.
Für die österreichische Landwirtschaftsministerin Elisabeth Köstinger von der ÖVP ist das Ergebnis ein Erfolg. Dabei hätten gerade Österreichs Bauern von einer Öko-Wende in der Landwirtschaftsförderung profitiert: Über ein Viertel der Anbauflächen sind Biolandwirtschaften – Österreich ist das Land mit dem höchsten Bio-Anteil weltweit.
Grundsätzlich ist die industrielle Landwirtschaft laut IPCC für ein Drittel der weltweiten Treibausgas-Emissionen verantwortlich. Am gefährlichsten sind Kunstdünger und massenhafte Rinderhaltung, beides wird weiter gefördert.
EU-Parlament fordert 30 Prozent für Öko-Regelungen
Der Entwurf muss jetzt mit dem EU-Parlament verhandelt werden. Und hier vertritt man die Meinung, dass der Anteil von 20 Prozent für die Öko-Regelungen bei weitem nicht ausreicht. Die Abgeordneten haben zumindest 30 Prozent Öko-Anteil bei den Direktzahlungen beschlossen.
Der EU-Grünen-Abgeordnete Thomas Waitz kritisiert an dem Beschluss der Landwirtschaftsminister außerdem, dass der Budgetentwurf sogar den Strategien für Nachhaltigkeit der EU-Kommission widerspricht. Das sind die Vom Hof auf die Gabel-Strategie („Farm to Fork“) und die Biodversitätsstrategie. Sie beinhalten EU-Maßnahmen wie die Reduktion von Künstdünger und Pestiziden um 50 Prozent oder die Reduktion von Antibiotika in der Massentierhaltung.
Dass sich solche wichtigen Maßnahmen nun nicht im neuen Beschluss der Landwirtschaftsminister wiederfinden, überrascht. Die EU-Agrarpolitik macht den größten Teil des EU-Budgets aus, passt aber nicht mit dem Green Deal der EU-Kommission zusammen.
Kritik von Thunberg
Die Klimaaktivistin Greta Thunberg meldet sich mit scharfen Worten auf Twitter zu Wort. Sie appelliert an die Abgeordneten des EU-Parlament, einen besseren Kompromiss auszuhandeln.
Da die Abstimmung im EU-Parlament noch aussteht, besteht noch Hoffnung:
„Die Europaabgeordneten haben noch nicht über das endgültige Abkommen abgestimmt. Wenn jeder seine Arbeit richtig macht, könnte sich das noch ändern“, schreibt Thunberg.
Ungerechte Verteilung im EU-Agrarbudget
Neben dem Fehlen der Klimapolitik ist die Gemeinsam Europäische Agrarpolitik auch ungerecht in der Verteilung. Österreich soll zwar ganze 35 Millionen mehr aus dem EU-Agrarbudget bekommen, der Grundsatz für die Verteilung wird aber kritisiert.
Denn hier herrscht das Motto Viel Geld für einige wenige, und vor allem für Großgrundbesitzer. Das führt dazu, dass das Geld in Österreich eher bei Institutionen der Landwirtschaftskammer landet, als direkt bei den Landwirten. Kontrast.at hat in den vergangenen Jahren bereits berichtet:
Topverdiener sind diverse Vermarktungsorganisationen wie die Marketing Abteilung der AMA (Agrarmarkt Austria). Sie erhielt stolze 2,5 Millionen Euro im Jahr 2016 und damit den vierthöchsten Förderbetrag. Auch die Österreich Wein Marketing GmbH bekam Fördergelder über 1,4 Millionen Euro. Millionen, die nie auf direktem Weg einen Bauernhof erreicht haben.
Großgrundbesitzer weiterhin bevorteilt
Auch aktuell gibt es keine verpflichtende Förderobergrenze. Denn darauf konnten sich ÖVP-Ministerin Köstinger und die restlichen 26 EU-Landwirtschaftsminister nicht einigen. Das ist zum Nachteil der österreichischen Landwirte. So sollen zwei Drittel der Gelder weiterhin ausschließlich der Berechnung der Fläche nach ausgezahlt werden.
Einige der 10 Millionen Landwirte in der EU bewirtschaften mehr als 100 Hektor, andere hingegen nur 3. Der österreichische Durchschnitssbetrieb liegt bei 23 Hektar. Das neue Budget begünstigt also weiterhin jene, die ohnehin schon viel Grund besitzen. Und es sorgt dafür, dass Kleinbauern gigantischen Agrarförderungen immer weiter aussterben.
EU-Agrarbudget Verhandlungen noch offen
Am Freitag steht eine Entscheidung im EU-Parlament an. Die Landwirtschaft könnte vom Schadstoff-Produzenten zum Teil der Klimalösung werden. Landwirtschaftliche Flächen können viel CO2 binden, wenn sie richtig bewirtschaftet werden. Die meisten rechnen aber mit einer typisch europäischen Lösung.
SPÖ-EU-Abgeordneter Sidl kündigte an, “progressive Anträge” unterstützen zu wollen, da aus seiner Sicht die Kriterien des EU-Klimaschutzprogrammes Green Deal, der Biodiversitäts- und der Vom Hof auf die Gabel-Strategie stärker einbezogen hätten werden müssen.
Den ÖVP-EU-Abgeordneten lehnen mehr Öko-Regeln aber ab. Die wären “mit der Realität nicht vereinbar”, erklärt die Agrarsprecherin Simone Schmiedtbauer. Den 30 Prozent Umwelt-Anteil wolle man allerdings mittragen.
Nach dem erwarteten Beschluss im EU-Parlament am Freitag wird es Verhandlungen im Trilog zwischen Parlament, den EU-Ländern und der EU-Kommission geben.
Streit um Veggie-Burger in Brüssel
Außerdem für mediale Aufmerksamkeit sorgte, dass die EU-Abgeordneten darüber abstimmen werden, ob vegetarische und vegane Produkte auch als Burger oder Würstl bezeichnet werden dürfen. Die mächtige Fleischlobby lobbyiert kräftig dagegen. Sie leidet darunter, dass pflanzliche Fleischersatzprodukte immer beliebter werden.
SPÖ-EU-Abgeordneter Günther Sidl ist gegen den Vorstoß der Fleischindustrie, viel wichtiger sind Herkunftsbezeichnungen:
„Herkunftsbezeichnungen sollen angeben, wo ein Produkt herkommt und nicht wo es verarbeitet wurde. Die Menschen werden hier oft bewusst in die Irre geführt. Hier braucht es eine echte Transparenzoffensive und ein Umdenken hin zu mehr Regionalität.“
Regionale Verarbeitung und weniger Fleischkost tragen beträchtlich zur Abschwächung der Klimakatastrophe bei. Dass fleischlose Produkte weiterhin alltägliche Begriffen wie Burger und Würstl tragen sollen, findet auch EU-NEOS-Abgeordnete Claudia Gamon: “Immerhin sind wir auch nicht schockiert, dass in Fleischtomaten kein Fleisch drinnen ist.”