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Vorzeitiges Muttertags-„Geschenk“: ÖVP-Kocher will Teilzeit-Beschäftigten Geld streichen

Martin Kocher Familien Frauen Teilzeit

Kathrin Glösel Kathrin Glösel
in Arbeit & Freizeit
Lesezeit:5 Minuten
14. Februar 2023
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Arbeits- und Wirtschaftsminister Martin Kocher hat vorgeschlagen, die Familien- und Sozialleistungen für Beschäftigte in Teilzeit zu kürzen. Dadurch soll die Vollzeit-Arbeit attraktiver werden. Er nennt die Arbeit in Teilzeit „ein Privileg“, dabei arbeiten 75% der Mütter Teilzeit und in vielen typischen Frauenberufen wie im Handel oder der Reinigung gibt es selten Vollzeitstellen.

Martin Kocher will, dass wir länger arbeiten, also später in Pension gehen, und obendrein, dass unsere Arbeitstage möglichst lange sind. Acht Stunden sind offenbar das Minium. Nur wer Vollzeit arbeitet, ist Leistungsträger. Teilzeit-Beschäftigung ist für ihn ein „Privileg“, wie er dem „Kurier“ offenbart.

Und deshalb sei es gut und recht, weniger Sozial- und Familienleistungen zu bekommen. Er deutet Kürzungen an, hält sich aber bedeckt, wie genau. Teilzeit-Beschäftigte mit Kindern soll es treffen, soviel hört man heraus.

„In Österreich wird wenig unterschieden bei Sozial- und Familienleistungen, ob jemand 20 oder 38 Stunden arbeitet. Wenn Menschen freiwillig weniger arbeiten, dann gibt es weniger Grund, Sozialleistungen zu zahlen.“ (Martin Kocher im „Kurier“, 14.2.2023)

Jahrelang spielte Geld keine Rolle, jetzt fängt beim Kürzen an: bei Teilzeit-Arbeitenden mit Kindern

Halten wir zunächst fest: Wenn es um Unternehmen in der Krise geht, spielt Geld für ÖVP und Grüne keine Rolle. „Koste es was es wolle“, war der Leitspruch noch unter Kurz und Kogler. 47 Milliarden Euro Steuergeld sind in Form von Corona-Subventionen an Unternehmen geflossen. Darunter waren auch 18 Millionen für Privatjet-Hersteller oder 46,5 Millionen für Wettbüros und Glücksspielfirmen. Unternehmen, so sagt die Nationalbank, wurden massiv überfördert.

In der Energiekrise greift die Regierung noch einmal tief in die Tasche – bis zu 150 Millionen Euro pro Betrieb will sie mit ihrem Energiekostenzuschuss ausschütten. Nur kein Geiz! Kommt schließlich alles aus dem großen Steuertopf, in den zu 80% Beschäftigte und Konsument:innen einzahlen.

Aber jetzt ist Schluss. Jetzt heißt es wieder: Sparen, sparen! Und wo fängt man an? Bei Familien mit Kindern, wo die Eltern Teilzeit arbeiten. Die seien laut Kocher offenbar in einer besonders privilegierten Situation.

Wer sind die angeblich „privilegierten“ Teilzeitbeschäftigen?

Wer Teilzeitbeschäftigten Geld streichen will, trifft in Österreich vor allem die Frauen. Denn jede zweite Frau arbeitet Teilzeit.

Jede zweite Frau arbeitet in Österreich Teilzeit. Bei Müttern von Kindern unter 15 Jahren sind es 75 Prozent.

Vor allem Frauen mit Kindern unter 15 Jahren haben in ihren Jobs Teilzeit-Verträge, konkret 3 von 4 Müttern. Das ist laut Katharina Mader, Ökonomin der Arbeiterkammer, aber häufig nicht selbst gewählt. „Es resultiert ganz stark aus der fehlenden Kinderbetreuung, sowohl bei der Elementarpädagogik, also bei Kindergärten, aber auch bei der Nachmittagsbetreuung in der Schule“, erklärt sie gegenüber Kontrast.

In Österreich geht die Zahl der Kindergärten, die so geöffnet haben, dass sie mit einem Vollzeitjob vereinbar sind, sogar zurück. Es wird also für Eltern mit kleinen Kindern schwieriger, mehr Stunden zu arbeiten. Das sagt Minister Kocher freilich nicht dazu, wenn er einfordert, Familienleistungen bei Teilzeit-Arbeit zu kürzen.

Und was heißt Teilzeit-Arbeit heute überhaupt? Es gibt ja keinen Lohnausgleich. Wer Teilzeit arbeitet, hat schon Einbußen: weniger Lohn, weniger Urlaubstage, bei Jobverlust weniger Arbeitslosengeld und später weniger Pension. Aus weniger Geld noch weniger Geld machen – das ist also die große politische Vision Kochers in Sachen Arbeitsmarktpolitik.

Katharina Mader von der Arbeiterkammer erklärt: Lücken bei der Kinderbetreuung sind ein Grund, warum Frauen oft Teilzeit-Verträge wählen. (Foto: Kontrast.at)

Warum redet man nicht über einen Rechtsanspruch auf Vollzeit-Verträge? Oder andersherum: eine neue, kürzere Vollzeit?

Hört man Kocher reden, sagt er, man muss das (lange) Arbeiten attraktiver machen und wer Teilzeit arbeitet, entzieht sich offenbar einer moralischen Verpflichtung, genug beizutragen.

Wer Teilzeit arbeitet, lädt also eine Schuld auf sich – und die Arbeitnehmerin muss sich dafür rechtfertigen, vielleicht wird sie bald sogar aktiv bestraft. Mit weniger Familienbeihilfe.

  • Aber was ist mit den Arbeitgeber:innen? Die, die schlecht bezahlte Vollzeit-Stellen und noch schlechter bezahlte Teilzeit-Stellen ausschreiben? Die, die Teilzeit einstellen, dann aber Flexibilität und Überstunden einfordern? Sodass die Beschäftigten real mehr arbeiten als sie vertraglich festgelegt haben – ohne die Benefits eines Vollzeitvertrags.
  • Was ist mit den Arbeitgeber:innen, die Teilzeit-Beschäftigte, zum Beispiel wenn die Kinder älter sind, nicht mehr in Vollzeit-Verträge zurückkehren lassen?
  • Warum redet man nicht über einen Rechtsanspruch auf Vollzeit-Verträge, wenn man mehr Beschäftigte in Vollzeit haben will – sondern über Kürzungen bei Leistungen, die für Kinder gedacht sind?
  • Was ist eigentlich mit jenen, die gar nicht arbeiten müssen, zum Beispiel weil sie von ihrem Vermögen oder ihren Mieteinnahmen leben können? Kürzt man denen auch die Familienbeihilfe?
  • Man könnte sogar anders herum denken: Wenn wir Vollzeit-Jobs attraktiver machen wollen, sollten wir Vollzeit real attraktiver machen. Zum Beispiel: eine neue, kürzere Normalarbeitszeit definieren. Und Gehälter bezahlen, von denen man leben kann.

Über all diese Fragen verliert Kocher kein Wort.

Kocher betreibt Klassenkampf von oben

Die flapsige Forderung von Martin Kocher ist Teil des ÖVP-Märchens vom Leben in der sozialen Hängematte. Sogar wenn man Teilzeit arbeitet und Kinder versorgt ist man kein Leistungsträger, sondern jemand, der es sich zu leicht im Leben macht und dem man das Geld für die Kinder streichen sollte. Kocher betreibt einen Klassenkampf von oben: Nach unten gibt es Tritte und Sanktionen, nach oben gibt es nur Empfehlungen oder Anreize.

Die Sozialdemokrat:innen halten Kochers Forderung für unwürdig. „Gegen den Arbeitskräftemangel fällt der Regierung nichts ein, außer die Situation für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zu verschlechtern. Dabei müsste es doch genau umgekehrt sein. Wenn die Wirtschaft Menschen braucht, aber niemanden findet, der den Job um das angebotene Gehalt machen will, dann soll sie gefälligst die Arbeitsbedingungen verbessern“, fordert SPÖ-Sozialsprecher Josef Muchitsch.

@kontrast.at Bei Teilzeitkräften kürzen, um mehr Menschen in Vollzeit zu bringen? Ist das ernst gemeint? #arbeit #family #fyp #österreich ♬ Originalton – Kontrast

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Robert Kraus
Robert Kraus
16. Februar 2023 15:47

Arbeit macht frei – Passt auch in den Wertekatalog des Neoliberalismus

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In deiner Röhre
In deiner Röhre
Reply to  Robert Kraus
20. Februar 2023 15:33

gefunden.

Dazu hat mal einer folgenden Text geschrieben: https://www.youtube.com/watch?v=8PP1jj69yzc&t=3s

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DuRohr
DuRohr
Reply to  In deiner Röhre
20. Februar 2023 15:36

ist voll mit solchem Zeug! Vielleicht darf man es aber gar nicht als Zeug abtun, der Text lässt sich auch googeln und findet sich in einem Museum wieder.

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accurate_pineapple
accurate_pineapple
15. Februar 2023 16:42

Neoliberales Märchen. Wenn man es oft genug wiederholt, glauben es dann auch genug. Dieses glatzköpfige, dekadente neoliberale Arschloch hat vom Leben arbeitender Menschen null Ahnung.
Widerlich diese Fratze.

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Brigitta Knotek
Brigitta Knotek
14. Februar 2023 15:04

Mit der Idee eines Sozialstaates können und wollen die Neoliberalen halt nix anfangen. Ausserdem – wen interessieren schon Frauen, die in ’normalen‘ Berufen über die Runden kommen müssen.

Last edited 2 Jahre her by Brigitta Knotek
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accurate_pineapple
accurate_pineapple
Reply to  Brigitta Knotek
15. Februar 2023 16:39

Der letzte Satz ist hoffentlich sarkastisch gemeint.

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In keinem Land der Eurozone ist Vermögen so ungleich verteilt wie in Österreich. Die reichsten 1 Prozent besitzen 41 Prozent des gesamten Vermögens, während die ärmere Hälfte Österreichs zusammen nur 3 Prozent des Vermögens besitzt. Der Großteil der Superreichen ist nicht durch harte Arbeit oder kluge Geschäftsideen zu Reichtum gekommen, sondern hat sein Vermögen geerbt. Auf diese gigantischen Erbschaften zahlen sie außerdem keinen Cent Steuern. Der Sozialökonom Stephan Pühringer argumentiert, dass diese Ungleichheit Gift für unsere Gesellschaft ist. Immer mehr Geld und Macht sind in der Hand von einigen wenigen konzentriert, während der Rest der Bevölkerung durch eigene Arbeit kaum mehr zu bescheidenem Wohlstand kommt. Zitat: Das Verhältnis zwischen Superreichen und dem Rest der Bevölkerung ist komplett aus dem Lot geraten. Gigantische Vermögen werden ohne jegliche Leistung oder Besteuerung vererbt. Das gefährdet den Zusammenhalt in unserer Gesellschaft. Stephan Pühringer

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In keinem Land der Eurozone ist Vermögen so ungleich verteilt wie in Österreich. Die reichsten 1 Prozent besitzen 41 Prozent des gesamten Vermögens, während die ärmere Hälfte Österreichs zusammen nur 3 Prozent des Vermögens besitzt. Der Großteil der Superreichen ist nicht durch harte Arbeit oder kluge Geschäftsideen zu Reichtum gekommen, sondern hat sein Vermögen geerbt. Auf diese gigantischen Erbschaften zahlen sie außerdem keinen Cent Steuern. Der Sozialökonom Stephan Pühringer argumentiert, dass diese Ungleichheit Gift für unsere Gesellschaft ist. Immer mehr Geld und Macht sind in der Hand von einigen wenigen konzentriert, während der Rest der Bevölkerung durch eigene Arbeit kaum mehr zu bescheidenem Wohlstand kommt. Zitat: Das Verhältnis zwischen Superreichen und dem Rest der Bevölkerung ist komplett aus dem Lot geraten. Gigantische Vermögen werden ohne jegliche Leistung oder Besteuerung vererbt. Das gefährdet den Zusammenhalt in unserer Gesellschaft. Stephan Pühringer

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