Unternehmen in Österreich sollen mehr Eigenkapital statt Fremdkapital haben. Deshalb muss man sie motivieren, finden Gernot Blümel und die ÖVP. Die Lösung: Die Steuern für Unternehmen senken, wenn sie mehr Eigenkapital haben. Wenn sie dann mehr Arbeitsplätze schaffen, wäre das schön. Es ist aber keine Voraussetzung. So oder so zahlen sie weniger Gewinnsteuern. Bis zu einer Milliarde kostet das Modell, von dem am Ende nur große Unternehmen etwas haben. Betriebe, die in der Wirtschaftskrise straucheln, hätten nichts davon.
Im letzten Quartal 2020 ist Österreichs Wirtschaft acht Mal so stark geschrumpft wie der EU-Schnitt. Der Österreichische Gewerbeverein (ÖGV) fürchtet, dass jedes 5. Unternehmen die Corona-Krise nicht überleben wird. Was ist also zu tun? Sinnvoll wäre, den Konsum anzukurbeln, Jobs zu schaffen und Wirtschaftshilfen so zu gestalten, dass kleine und mittlere Betriebe die Krise überdauern. Stattdessen präsentiert der ÖVP-Finanzminister Gernot Blümel ein milliardenschweres Steuergeschenk, das nur großen Unternehmen nützt – ohne dass diese Arbeitsplätze erhalten oder mehr Investitionen tätigen müssen.
Mehr eigenes statt geborgtes Geld – zahlen soll es die Allgemeinheit
Konkret geht es um das Eigenkapital von Unternehmen. Also jenes Kapital, das den Unternehmensinhabern oder Gesellschaftern selbst gehört – anders als Fremdkapital wie Anleihen oder Darlehen, das sozusagen „ausgeborgt“ ist.
Mehr Eigenkapital macht Unternehmen krisenfester. Deswegen sollen sie mehr davon aufbauen. Allerdings, so will es Gernot Blümel, auf Kosten der Allgemeinheit und ohne dass diese im Gegenzug einen Nutzen hat. Wie das gehen soll? Über „fiktive Eigenkapitalzinsen“.
ÖVP will Unternehmen für Geld belohnen, das sie schon haben
Derzeit ist es so, dass Unternehmen für Fremdkapital Zinsen bezahlen. Wie bei einem Kredit. Und diese bezahlten Zinsen können die Unternehmen wiederum von der Körperschaftssteuer (KöSt) absetzen. Die ÖVP will nun, dass Unternehmen noch mehr von der Steuer absetzen können. Aber wie? Indem das vorhandene Eigenkapital eines Unternehmens wie ein Kredit von außen behandelt wird.
Einfach erklärt: Auf die Eigenkapital-Summe wird ein erfundener – also fiktiver – Zinssatz drüber gelegt. Zum Beispiel 1,5 Prozent. (Orientieren will man sich dabei am Euribor, einem Referenzzinssatz für Geschäfte zwischen Banken. Die Idee: Der Euribor-Wert +2 Prozent. Das wären derzeit 1,5 Prozent). Die Summe, die sich daraus ergibt, wird dann steuerlich wie eine Extra-Unternehmens-Ausgabe geltend gemacht, obwohl sie keine ist. Und sie senkt die zu zahlende Steuer des Unternehmens. Noch unklar ist, ob die Steuerersparnis gedeckelt sein soll oder nicht. Eine Studie der Eco-Austria, auf die sich Blümel bezieht, schlägt eine maximale Steuerersparnis von 250.000 Euro pro Unternehmen vor.
All das, erklärt Blümel, soll Unternehmen motivieren, mehr Eigenkapital aufzubauen –weil sie so am Ende weniger Steuern zahlen. Es ist in etwa so, also würde man einer Angestellten sagen, sie soll doch mehr sparen und von der Summe, die sie am Sparbuch hat, wird 1% hergenommen, um es steuerlich abzusetzen. Klingt absurd? Ist es auch.
Vor allem, wenn man sich vor Augen führt, wem das ÖVP-Modell nutzt und wem nicht. Denn es sind die großen und größten Unternehmen, die so ihre Steuern drücken können – und damit ihren Beitrag zum Allgemeinwohl.
ÖVP-“Lösung”: Weniger Steuern für die großen Unternehmen
Ein konkretes Beispiel: Red Bull verfügt laut Bilanz 2020 über Eigenkapital in der Höhe von 1,9 Milliarden Euro. Gibt es einen Deckel, hätte Red Bull mit dem ÖVP-Modell eine Ersparnis von 250.000 Euro. Gibt es jedoch keinen Deckel – und das ist noch unklar – könnte das Unternehmen bei einem “fiktivien Zinssatz auf Eigenkapital” von 1,5% über 7 Millionen Euro sparen – und das jährlich.
Auch der Waffenproduzent Glock könnte sich freuen. Laut Bilanz liegt das Eigenkapital bei 552 Millionen Euro. Bei 1,5% “erfundenen” Zinsen und ohne Deckelung würde sich das Unternehmen über 2 Millionen Euro sparen.
Und kleine Betriebe, denen die Corona-Krise zugesetzt hat? Denen nützen irgendwelche „fiktiven Zinsen“ nicht. Eine GmbH mit einem Eigenkapital von 50.000 Euro könnte nur 500 Euro geltend machen – und würde 125 Euro weniger Steuern zahlen. Nicht der Rede wert.
Überhaupt: Die KöSt funktioniert als Gewinnsteuer. Macht ein Unternehmen keinen Gewinn – zum Beispiel jetzt in Krisenzeiten – gibt es auch keine Steuerminderung.
Das von der ÖVP beworbene Spiel mit den „erfunden Zinsen“ nützt großen Unternehmen und Firmengeflechten, nicht jedoch kleinen und mittleren Betrieben, die krisengebeutelt sind.
Völlig verfehlte Krisenpolitik, die die Steuerzahler:innen Milliarden kostet
Kosten soll das Steuergeschenk an die Großen bis zu 1 Milliarde Euro – viel Geld. Eine Summe, mit der der Staat Österreich mühelos die Kinderarmut im Land auf einen Schlag halbieren könnte. Aber das hat für die ÖVP keine Priorität.
Es könnte sogar noch mehr sein: Vor einem Jahr hat Gernot Blümel sein Vorhaben schon einmal präsentiert. Damals hat er sogar mit einem Zinssatz von zwei Prozent gerechnet. Da käme man auf Kosten bis zu vier Milliarden Euro. Das ist die Hälfte der gesamten aktuellen Einnahmen aus der Körperschaftssteuer.
Das ist alles Geld, das an Steuereinnahmen für das Gemeinwohl fehlt. Unter Umständen ist es sogar viel mehr. Denn der “fiktive Zinssatz” soll sich am Euribor orientieren und der kann auch mal bei 5% liegen. Dann würde dieses Modell viel mehr kosten. All das in Zeiten von Rekordarbeitslosigkeit, eingebrochenem Konsum und Investitionen und steigendenden Sozial- und Gesundheitsausgaben.
Doch die ÖVP hat offenbar nur das Wohl großer Unternehmen im Blick. Es ist eine völlig verkehrte Krisenpolitik. Sie entzieht der öffentlichen Hand Einnahmen, die man dringend braucht – und knüpft daran nicht einmal Bedingungen.
Kein einziger zusätzlicher Arbeitsplatz garantiert
“Blümel will, dass die kleinen Steuerzahlerinnen und Sparer, die auf ihr Sparbuch gar keine Zinsen kriegen, den großen Unternehmen jedes Jahr eine Milliarde Euro und mehr an Zinszahlungen überweisen“, fasst SPÖ-Finanzsprecher Jan Krainer zusammen. Er und die SPÖ sind gegen das Milliardengeschenk an große Unternehmen.
Wie kann man so ein milliardenschweres Steuergeschenk an große Unternehmen rechtfertigen? Finanzminister Gernot Blümel (ÖVP) verweist auf Jobs, die entstehen würden, wenn Unternehmen mehr Eigenkapital haben und weniger Steuern zahlen. Das ist allerdings bloß eine Wunschvorstellung – keine Garantie.
Das Steuergeschenk soll Unternehmen „motivieren“, mehr nicht. Sie bekommen das Geld oben drauf, ohne einen einzigen Arbeitsplatz mehr schaffen zu müssen.
Es ist derselbe Fehler, den ÖVP und Grüne bei den Corona-Wirtschaftshilfen gemacht haben. Auch dort wurden Milliarden an Hilfsgeldern ausbezahlt ohne dass Unternehmen sich verpflichten mussten, die Jobs ihrer Mitarbeiter:innen zu erhalten.
„Es wäre in Wahrheit eine zweite KöST-Senkung“, urteilt Oliver Picek, Chefökokom des sozialliberalen Momentum-Instituts. Zum Zug kommen nur große, hochprofitable Unternehmen. Internationale Beispiele zeigen laut Jan Krainer (SPÖ) zudem, dass die von Blümel und der ÖVP behaupteten positiven Effekte für Gesamtwirtschaft weitgehend ausbleiben.
Gewinnsteuer sinkt seit Jahren – und Unternehmen investieren dennoch immer weniger
Schon mehrmals wurde in Österreich die Körperschaftssteuer für Unternehmen gesenkt. Lag der höchste KöSt-Satz 1972 noch bei 55 Prozent, hat man ihn mittlerweile auf 25 Prozent zusammengestaucht. Die KöSt-Senkungen der Vergangenheit wurden immer als „Steuer-Erleichterungen“ verkauft. Dadurch hätten Unternehmen mehr Geld, um Arbeitsplätze zu schaffen und zu investieren.
Tatsächlich ist die Investitionsquote aber gesunken. Lag sie 1970 noch bei 60 Prozent des BIP, ist sie auf mittlerweile 26 Prozent abgerutscht. Das ist weniger als die Hälfte dessen, was Unternehmen noch vor wenigen Jahrzehnten an Investitionen beigetragen haben.
„Die Wirtschaft müsste mehr Steuern zahlen, nicht weniger“
Die ÖVP verfolgt in Sachen Steuerpolitik ein Ziel: Große Unternehmen und Vermögende sollen möglichst wenig Steuern bezahlen. Die Kurz-Strache-Regierung wollte daher auch die Körperschaftssteuer für Unternehmen senken. Auch das hätte vor allem den großen Unternehmen genutzt. Umgesetzt hat die damalige Regierung das Vorhaben nicht mehr – denn die Koalition platzte im Frühjahr 2019. Nun unternimmt die ÖVP mit den Grünen und den „erfundenen Zinsen“ einen neuen Anlauf.
Dabei müssten Unternehmen deutlich mehr Steuern zahlen – nicht weniger. „Unternehmen zahlen um rund 10 Milliarden Euro zu wenig Steuern“, erklärt Unternehmensberater Martin Winkler. Derzeit stammen 80 Prozent der Steuereinnahmen von Arbeitnehmer:innen und Konsument:innen
„Die Wirtschaft müsste deutlich mehr höhere Steuerbeiträge leisten, wenn wir eine einkommensneutrale Staatsfinanzierung wollen. Statt also Steuern für Unternehmen zu senken, sollte man sie erhöhen. Das sind für manche ungemütliche Nachrichten, aber die Wahrheit gehört auf den Tisch. Nur so können wir mittel- und langfristig das Wirtschaftswachstum und Investitionen sichern. Und davon hätten alle etwas.“ (Unternehmensberater Martin Winkler)
Echte Lösungen in Zeiten der Krise: Investitionen, Konsum und Arbeitslosengeld erhöhen, Vermögen besteuern – und gute Jobs schaffen
Es gibt viele gute Möglichkeiten, sich aus dieser Krise heraus zu investieren: Man könnte das Arbeitslosengeld erhöhen – denn von dort würde jener Euro direkt in den Konsum und damit die Wirtschaft fließen. Man könnte als Staat Arbeitsplätze in öffentlichen Einrichtungen, gemeinnützigen Vereinen und sozialen Unternehmen schaffen. Man könnte große Investitionen tätigen – beispielsweise im Bereich Klimaschutz. Denn auch das schafft Arbeitsplätze. Man könnte sogar über simple Einmalzahlungen an Haushalte den Konsum ankurbeln und dadurch heimische Betriebe unterstützen.
Oder man macht es wie die ÖVP und sagt: Verschenken wir – nochmal – Milliarden an große Unternehmen, die gut durch die Krise gekommen sind, ohne dass sie dafür etwas tun müssen.
Die Strategie der ÖVP ist klar – Politik für die Spender*innen. Die SPÖ muss dem eine klare Strategie für die Arbeitenden entgegenhalten, mit MMT, massive Staatsausgaben zur Finanzierung der Klimastrategie, zur Vollbeschäftigung. Entlastung der Arbeit, Belastung des Kapitals mit Freibetrag für KMUs.