Ein Neonazi arbeitet für das Parlament als Security im BVT Untersuchungsausschuss. Er hat damit Zugang zu Medienräumen, kontrolliert Ausweise von Journalisten, begleitet den Nationalratspräsidenten und kann die Befragung einer Extremismus-Expertin mithören. Diese Expertin war für die Verurteilung des führenden Neonazis Gottfired Küssel mitverantwortlich – ein Freund von K.-C.. Journalisten und Abgeordnete fürchten, dass ihre Daten an einschlägige Personen weitergegeben werden. Jetzt fordert die zweite Nationalratspräsidentin Doris Bures Sofortmaßnahmen und richtet sich mit einem Fragenkatalog an Wolfgang Sobotka.
Die Hintergrund-Geschichte: Was ist passiert?
Mitte November 2018 wird bekannt, dass ein Mann aus dem Umfeld des verurteilten Neonazis Gottfried Küssel im Parlament als Sicherheitsmitarbeiter arbeitet. Das hat nach Recherchen von Standard und Profil auch die Parlamentsdirektion bestätigt. Der Security, Thomas K.C., hat auch am Rande des BVT-Untersuchungsausschuss als Security gearbeitet. Er hatte Zugang zu den Medienräumen und folglich zu den dort übertragenen Befragungen der Auskunftspersonen. Im Ausschuss hat auch die Leiterin des Extremismusreferats im BVT, Sybille G., als Zeugin ausgesagt. Journalistinnen und Journalisten sowie Abgeordnete hat diese Nachricht beunruhigt. Schließlich kontrollierte Thomas K.C. auch deren Presseausweise, die auch die privaten Wohnadressen der Journalisten enthalten.
Wer ist der Neonazi Thomas K.C.?
Thomas K.C. wird der österreichischen Neonazi-Szene zugerechnet. Fotos zeigen ihn am 13. Oktober 2018 als Teilnehmer einer Neonazi-Kampfsport-Veranstaltung, dem “Kampf der Nibelungen”, im sächsischen Ostritz. K.-C. hat dort ein T-Shirt mit der Aufschrift “Alpen-Donau.info” getragen. Wegen dieser Neonazi-Webseite wurden Küssel und weitere Männer verurteilt.
Gleichgesinnte freuen sich, dass es Thomas K.-C. gelungen ist, sich als Security ins Parlament einzuschleusen. Der wegen Wiederbetätigung verurteilte Franz Radl, entdeckt K.C. auf einem Foto mit Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka und jugendlichen Parlamentsbesuchern. Er schreibt:
“Deutschösterreicher! Fürchtet Euch nicht! Wir lassen Euch in diesem Parlament nicht alleine!”
In der Szene war also bekannt, dass K.-C. im Parlament gearbeitet hat und Zugang zum BVT-Untersuchungsausschuss hatte. Auch Radl ist noch aktiv. Im November 2018 beglückwünscht er die mehrfach verurteilte Holocaust-Leugnerin Ursula Haverbeck zum Geburtstag.
FPÖ-Innenminister Kickl weist Verantwortung von sich
Normalerweise wird ein Security-Mitarbeiter, der im Parlament tätig ist, einer Sicherheitsprüfung durch das BVT unterzogen. Diese fand bei Thomas K.-C. nicht statt, wie die Generaldirektorin für die öffenltiche Sicherheit, Michaela Kardeis, sagt. Schuld daran soll die die Parlamentsdirektion rund um Wolfgang Sobotka sein, da diese keine Überprüfung beantragt hat.
Doch auch der Innenminister ist in der Verantwortung: Laut Abgeordneten von Jetzt wurde Thomas K.C. im Rahmen einer Prüfung „Zuverlässigkeit“ bescheinigt – diese fällt in den Verantwortungsbereich von Herbert Kickl (FPÖ). Auf dieser Basis wurde er im Parlament als Mitarbeiter der privaten Sicherheitsfirma G4S mit Sicherheitsaufgaben betraut. Seine Arbeit umfasste sogar die Taschenkontrollen von Journalisten und Journalistinnen, die den Medienraum des BVT-Untersuchungsausschusses betreten haben.
Kickl weist jedoch alle Verantwortung von sich. Er verweist auf die Abgeordneten im Parlament, die einen eigenen Antrag auf eine Sicherheitsüberprüfung durch das BVT hätten stellen können.
30 Fragen von Doris Bures an Wolfgang Sobotka
Doris Bures ist zweite Nationalratspräsidentin und Vorsitzende des BVT-Untersuchungsausschusses. Gemeinsam mit den Mitgliedern des Ausschusses hat sie nun einen Fragenkatalog an Wolfgang Sobotka als ersten NR-Präsident gerichtet. Bures will wissen, wie es dazu kommen konnte, dass ein Neonazi als Security im Parlament und ausgerechnet im BVT-Untersuchungsausschuss eingesetzt worden ist.
In einer Sonderpräsidiale hoffen Bures und die Parlamentsparteien auf Aufklärung und Antworten auf die Fragen der zweiten Nationalratspräsidentin. Der Brief an Wolfgang Sobotka mit 28 Fragen und 2 vorgeschlagenen Sofortmaßnahmen im Wortlaut:
„Sehr geehrter Herr Präsident!
Wie bereits mehrfach dargelegt, sind Untersuchungsgegenstand des BVT-Untersuchungsausschusses unter anderem Ermittlungen zu rechtsextremen Aktivitäten durch das Extremismusreferat des BVT. Dementsprechend liegen dem BVT-Untersuchungsausschuss hochsensible Daten vor. Offensichtlich ist nun eine Person aus rechtsextremem Umfeld als „Sicherheitspersonal“ im Bereich des BVT-Untersuchungsausschusses zum Einsatz gekommen.
Wie ich Ihnen heute per Mail angekündigt habe, darf ich Ihnen nunmehr den nachstehenden, gemeinsam mit den Fraktionen des BVT-Untersuchungsausschusses erstellten Frage- und Maßnahmenkatalog übermitteln, der auch aus Nachfragen zu der von Ihnen zur Verfügung gestellten Erst-Information besteht.
Hinsichtlich der Fragen 1 bis 3, 7, 8, 10 und 13 bis 25 besteht aus Sicht des BVT-Untersuchungsausschusses besonders dringlicher Klärungsbedarf und ich ersuche daher um eine möglichst rasche schriftliche Beantwortung. Die Fragen 4 bis 6, 9, 11 und 12 sowie 26 bis 28 werden zur Erörterung in der von Ihnen einberufenen Sonderpräsidialkonferenz zu diesem Thema übermittelt:
Fragen
- Unter welchen Umständen wurde bekannt, dass der Mann einen rechtsradikalen Hintergrund aufweist?
- Wann war das? Wer wurde darüber informiert und welche Schritte wurden gesetzt?
- Warum erfuhr der BVT- Untersuchungsausschuss erst aus den Medien von der Angelegenheit?
- Ist Näheres zu den Umständen, die zur Beschäftigung konkret dieses Mannes im Parlament geführt haben, bekannt?
- Wie lautet der konkrete Inhalt des von Ihnen zitierten BBG-Rahmenvertrages? Wie viele Personen wurden via G4S seit Bestehen des Vertrages pro Jahr für das Parlament bereitgestellt? Wie hoch war der finanzielle Aufwand dafür? Wie hoch wäre der finanzielle Aufwand durch einen entsprechenden Einsatz durch Eigenpersonal gewesen? (Bitte um Angabe der Werte in Vollbeschäftigungsäquivalenten). Gibt es seitens des Unternehmens G4S Personalleitlinien, die z.B. einer Anstellung von Personen aus einem extremistischen Umfeld vorbeugen?
- Welche Pflichten ergeben sich daraus im Wortlaut für das Unternehmen im Zusammenhang mit Sicherheitsüberprüfungen/Zuverlässigkeitsüberprüfungen? Wird die Sensibilität des Aufgabenbereichs im Parlament (konkret des BVT-Untersuchungsausschusses) dabei berücksichtigt? Wenn ja, wie wird dies konkret seitens der Parlamentsdirektion seit Bestehen des Rahmenvertrages gehandhabt?
- Wurde seitens der Parlamentsdirektion vor Beginn der Tätigkeit des Mannes eine Sicherheitsüberprüfung nach dem SPG oder eine Zuverlässigkeitsprüfung der GewO veranlasst? Wenn ja, mit welchem Ergebnis, wenn nein, warum nicht? Wurde in Bezug auf im Sicherheitsbereich tätige Personen bisher auf die Möglichkeit von Web-Recherchen (zB Google, Bing etc.) zurückgegriffen?
- Warum wurde – laut Ihrer Information – seitens der Parlamentsdirektion am 26.4. 2018 um Durchführung einer Sicherheitsüberprüfung ersucht, dh. mehr als zwei Monate nach Beginn seiner Beschäftigung im Parlament? Handelte sich dabei um eine Sicherheitsüberprüfung nach dem SPG oder um eine Zuverlässigkeitsprüfung nach der GewO? Was war dafür der Anlass?
- Wann wurde das Dienstverhältnis der betreffenden Person zur externen Sicherheitsfirma begründet?
- Wurden dabei persönliche Voraussetzungen überprüft? In welchem Bereich war die Person vor ihrer Dienstversehung im Parlament tätig?
- Wie kam es zur Zuteilung dieser Person zum BVT-UsA? Hat sich diese Person von sich aus dafür gemeldet, bzw. in irgendeiner Weise beim Dienstgeber oder einer sonstigen Stelle, welche für die Dienstzuteilung zuständig ist, eine Präferenz für einen Einsatz im UsA geäußert ? Wenn ja, wann und mit welcher Begründung?
- Wer hat diese Dienstzuteilung schlussendlich übernommen? Gibt es ein wie auch immer geartetes Naheverhältnis zwischen diesen Personen? Aus welchem Grund wurde dieser Mitarbeiter gerade im BVT-UsA eingesetzt.
- Ab welchem Zeitpunkt wurde die Person von wem zur Tätigkeit im Parlament bzw. im Bereich des BVT-Untersuchungsausschusses zugeteilt?
- Welche Maßnahmen (Einschulung, Belehrungen…) wurden in Hinblick auf die Tätigkeit dieser Person im Bereich des BVT-Untersuchungsausschusses durch wen und zu welchem Zeitpunkt getroffen.
- Wurden seitens der Firma G4S Falschinformationen an das Parlament übermittelt.
- Wenn ja, welche?
- Gibt es Anzeichen dafür, dass die betreffende Person in Zusammenhang mit dem medial kolportierten rechtsextremen Umfeld absichtlich in den Bereich des BVT-Untersuchungsausschuss eingeschleust wurde?
- Zu welchen Daten und Informationen hatte der Mann aufgrund seiner Aufgaben im Rahmen des BVT- Untersuchungsausschusses (potentiell) Zugang?
- Hatte die Person Zugang zu personenbezogenen Daten von Personen, die im Zusammenhang mit dem BVT-Untersuchungsausschuss tätig sind (Abgeordnete, MitarbeiterInnen der Klubs und der Parlamentsdirektion, MedienvertreterInnen, Auskunftspersonen, Vertrauenspersonen)?
- Wenn ja, welche und in welchem Ausmaß?
- An welchen Sitzungstagen des BVT-Untersuchungsausschusses und bei welchen Auskunftspersonen hat die Person im Bereich des BVT-Untersuchungsausschusses Dienst versehen bzw. Zugang?
- Laut Ihrer Information vom 18.11.2018 war der Mann seit 8.2.2018 im Parlament zum Dienst eingeteilt. Welche Funktionen bzw. Aufgaben hatte er im Zeitraum Anfang Februar bis Anfang September?
- Laut Ihrer Information wurde der Mann im Rahmen des BVT- Untersuchungsausschusses „am Pult“ eingesetzt. Mit welchen Zutrittsberechtigungen sowie konkreten Aufgaben war diese Tätigkeit verbunden?
- Außerdem wurde der Mann laut Ihrer Information im Rahmen des BVT- Untersuchungsausschusses unter „Ablöse Springer“ eingesetzt. Was bedeutet dies konkret und welche Zutrittsberechtigungen sowie konkreten Aufgaben waren mit dieser Tätigkeit verbunden?
- Ausgewiesen ist laut Ihrer Information ein Einsatz des Mannes am 19.9.2018 beim „EF- UsA“. An diesem Tag fand allerdings ein BVT- UsA statt. Wurde der Mann am 19.9.2018 im Rahmen des BVT- UsA eingesetzt und wenn ja, welche Aufgaben hatte er an diesem Tag?
- Hatte die Person Zugang zu Räumen, die Personen, die im Zusammenhang mit dem BVT-Untersuchungsausschuss tätig sind (Abgeordnete, MitarbeiterInnen der Klubs und der Parlamentsdirektion, MedienvertreterInnen, Auskunftspersonen, Vertrauenspersonen), zuzuordnen sind?
- Wenn ja, welche und in welchem Ausmaß?
- Laut Ihrer Information hatte der Mann –spätestens seit Oktober 2018- eine Zutrittskarte mit allgemeiner Sperrberechtigung. Zu welchen Räumlichkeiten des Parlaments hatte der Mann konkret Zutritt?
- Gibt es dazu Aufzeichnungen und wenn ja, wie lautet das Ergebnis eines solchen Zutrittsprotokolls? Wurden nachweislich das Büro der Vorsitzenden und/oder Büros von Abgeordneten und MitarbeiterInnen der Klubs sowie von MitarbeiterInnen der Parlamentsdirektion, die im BVT- Ausschuss tätig sind, betreten?
- Hatte die Person Zugang zum Medienraum?
- Wenn ja, wann?
- Kann ausgeschlossen werden, dass die Person Zugang zu Informationen aus vertraulichen oder geheimen Sitzungen hatte?
- Hinter der Glaswand des Lokals 7 ist regelmäßig Sicherheitspersonal positioniert. Die Verrauscher zur Abhörsicherheit werden erst ab Stufe 3 aktiviert. Kann ausgeschlossen werden, dass Inhalte der Sitzungen hinter der Glaswand gehört werden konnten?
- In welchem Ausmaß sind die Personen der Abteilung A 2.2 sicherheitsüberprüft? Wenn nein, warum nicht? Gibt es auch innerhalb der Abteilung A2.2 entliehenes Personal externer Firmen? Was heißt der Vermerk A 2.2. SG?
- Sind angesichts seines verhöhnenden Verhaltens in den sozialen Medien weitere Schritte/Maßnahmen gegen den Mann geplant und wenn ja, welche?
Erste Sofortmaßnahmen
- Ab sofort soll bei Sitzungen des BVT-Untersuchungsausschusses – konkret beginnend mit der nächsten Sitzung am 27.11.2018– kein Personal von externen Sicherheitsfirmen eingesetzt werden. Zur Tätigkeit in Zusammenhang mit Maßnahmen der Sicherheit im Bereich des BVT-Untersuchungsausschusses sollen ausschließlich Personen eingesetzt werden, die
- Bedienstete (Vertragsbedienstete oder Beamte) aus dem eigenen Haus bzw. dem Zuständigkeitsbereich des BMI sind
und
- einer Sicherheitsprüfung zumindest gemäß § 55 Abs. 3 Ziffer 2 SPG, sofern die Möglichkeit des Zugangs zu Informationen der Stufen 3 und 4 nach dem Informationsordnungsgesetz nicht ausgeschlossen werden kann, gemäß § 55 Abs. 3 Ziffer 3 SPG
- Prüfung aller Räume, zu denen die Person Zugang hatte in Hinblick auf Abhörsicherheit
Als Vorsitzende des BVT- Untersuchungsausschusses darf ich Sie daher ersuchen, die entsprechenden Maßnahmen zu veranlassen, mich über die getroffenen Veranlassungen zu informieren und die Beantwortungen der Fragen so schnell wie möglich schriftlich zur Verfügung zu stellen bzw. für eine Erörterung in der Präsidialkonferenz vorzubereiten.“