Christian Pilnacek soll für die ÖVP Ermittlungen der Justiz eingegriffen haben
Korruption

Anti-Korruptions-Experte zum Justizsystem: Österreich könnte heute nicht mehr der EU beitreten

Die ÖVP hat versucht, laufende Strafverfahren zu beeinflussen. Zu diesem Schluss kommt die Untersuchungskommission zur Causa Christian Pilnacek. Wegen der fehlenden Distanz zwischen Politik und Justiz wäre Österreich heute „nicht mehr EU-aufnahmefähig“, so Kommissionsleiter Martin Kreutner. 

In Österreich herrscht eine „hoch problematische Zwei-Klassen-Justiz“. Das sagt der Leiter der Pilnacek-Untersuchungskommission Martin Kreutner am Montag bei einer Pressekonferenz. Kreutner zufolge hätten Politiker in der Vergangenheit immer wieder Druck auf einzelne Justizbeamte ausgeübt, um laufende Strafverfahren zu beeinflussen. Dabei geht es laut dem Korruptions-Experten vor allem um ÖVP-Politiker. Zu allen Vorwürfen – von unsachgemäßen Interventionen, Compliance-Verstößen bis hin zur Weitergabe von vertraulichen Informationen – habe die Kommission Belege gefunden.

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Ein verheerendes Zeugnis für die österreichische Justiz: Während das Justiz-System bei allgemeinen Fällen gut bis sehr gut funktioniere, versage es bei Straffällen prominenter Personen wie hoher Politiker:innen, erklärt der Rechtsexperte Martin Kreutner. Er leitet die Untersuchungskommission zur Amtszeit von Christian Pilnacek, dem ehemals höchsten Beamten im Justizministerium. Pilnacek stand der ÖVP nahe. Ihm wurde vorgeworfen, mehrmals zu Gunsten der ÖVP in Ermittlungen und Prozesse eingegriffen zu haben und interne Informationen an sie weitergeleitet zu haben. Deswegen wurde Pilnacek 2021 von der grünen Justizministerin Alma Zadić suspendiert. Nach seiner Suspendierung soll Pilnacek weiterhin sensible politische Informationen besessen haben. 2023 wurde Christian Pilnacek tot am Ufer der Donau aufgefunden. In Folge der Obduktion der Leiche wurde Fremdverschulden ausgeschlossen. Es gab jedoch eine Reihe Ungereimtheiten in Folge des Todes des ehemals höchsten Beamten des Justizministeriums, die bis heute nicht aufgeklärt sind. Um die Justiz besser vor der Einflussnahme durch die Politik zu schützen, fordert der Rechtsexperte Martin Kreutner die Gründung einer unabhängigen Staatsanwaltschaft, die nicht an Weisungen aus dem Justizministerium gebunden ist. #österreich #Politik #oevp #justiz #pilnacek #fyp #korruption #zib

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Schulnote 4 bis 5: Leiter der U-Kommission stellt Österreichs Justizsystem verheerendes Zeugnis aus

In der Zeit im Bild 2 vom 15.07.2024 legte Kreutner nach und stellte dem österreichischen Justizsystem ein verheerendes Zeugnis aus:

„Nach Notensystem würde ich sagen, sind wir, leider Gottes, wenn wir ehrlich sind, auf 4 bis 5.“

Dabei gehe es nicht um das gesamte Justizsystem – das funktioniere insgesamt hervorragend – sondern um Einzelfälle. Etwa wenn Politiker ihre Stellung oder ihre Bekanntschaft zu Justizbeamten nutzen, um sich selbst Vorteile zu verschaffen. Deshalb spricht Kreutner von einer „Zwei-Klassen-Justiz“.

Anti-Korruptions-Experte zum österreichischen Justizsystem: Österreich könnte heute nicht mehr der EU beitreten

Das sei auch der Grund, warum Österreich heute nicht mehr EU-aufnahmefähig wäre, so der Leiter der Untersuchungskommission in der ZiB 2. Dafür spreche allein die Tatsache, dass Staatsanwaltschaften, wie die WKStA (also Organe der unabhängigen Justiz), dem Justizministerium (einem politischen Organ) Berichte über laufende Verfahren liefern müssen. Noch dazu ist die WKStA gegenüber dem Justizministerium „weisungsgebunden“, das heißt, sie muss letztlich beim Ministerium nachfragen, ob gewisse Ermittlungsschritte erlaubt sind.

Anti-Korruptions-Experte Martin Kreutner, Leiter der Untersuchungskommission zur Causa Christian Pilnacek// Bild: ORF/Zeit im Bild 2

Anti-Korruptions-Experte Martin Kreutner, Leiter der Untersuchungskommission zur Causa Christian Pilnacek// Bild: ORF/Zeit im Bild 2

Pilnacek-Kommission wirft vor allem ÖVP-Politikern fehlende Distanz zur Justiz vor

Generell fehle in Österreich die Distanz zwischen Politik und Justiz, so der Korruptions-Experte am Montag bei der Präsentation des 230 Seiten langen Kommissionsberichts. Die fehlende Distanz betrifft laut Kreutner vor allem Politiker und Justizbeamte im Umfeld der ÖVP. Die Kommission verweist zum Beispiel auf die Chats zwischen OGH-Vizepräsidentin Eva Marek und dem ehemaligen Justizminister Wolfgang Brandstetter (ÖVP). Darin beschwerte sich Marek über fehlende Unterstützung bei ihrer Bewerbung für den Posten.

Auch der 2023 verstorbene, ehemals höchste Beamte im Justizministerium, Christian Pilnacek, stand der ÖVP nahe. Ihm wurde vorgeworfen, mehrmals zu Gunsten der ÖVP in Ermittlungen und Prozesse eingegriffen und interne Informationen an die Partei weitergeleitet zu haben. Zum Beispiel schrieb Pilnacek in einer Nachricht an den Kabinettschef des damaligen Finanzministers Gernot Blümel (ÖVP), nachdem dessen Wohnung durchsucht wurde: „Wer vorbereitet Gernot auf die Einvernahme?“. Unter anderem deswegen wurde Pilnacek 2021 von der grünen Justizministerin Alma Zadić suspendiert.

Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka (ÖVP) soll immer wieder interveniert haben

In einem heimlich aufgezeichneten Gespräch sagte Pilnacek, er werde von der ÖVP gedrängt, Ermittlungen und Hausdurchsuchungen „abzudrehen“. Er habe das jedoch nie gemacht und sei deshalb auch im Stich gelassen worden. Die ÖVP solle froh sein, wenn er nicht „auspacke“, so der langjährige Justiz-Sektionschef. Als einen Politiker, der immer wieder bei ihm interveniert hätte, nannte Pilnacek Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka von der ÖVP.

„Auffälligkeiten“ rund um Pilnaceks Tod

Im Oktober 2023 fand man Pilnacek tot am Ufer der Donau. Ein Fremdverschulden schloss die Polizei nach der Obduktion seiner Leiche aus. Die genauen Umstände von Pilnaceks Tod sind jedoch nach wie vor ungeklärt. Kreutners Kommission wollte sich dazu allerdings nicht äußern: „Wir sind keine Tatortgruppe“. Dennoch gebe es rund um Pilnaceks Ableben „Auffälligkeiten“, räumte Kreutner auf Nachfrage des Ex-Abgeordneten Peter Pilz (Zackzack) ein.

Kommission fordert eine von der Politik unabhängige Justiz

Damit Politiker und andere Entscheidungsträger die Justiz nicht zu ihren Gunsten beeinflussen können, fordert Korruptions-Experte Martin Kreutner die Gründung einer unabhängigen Generalstaatsanwaltschaft. Nur sie soll den Staatsanwaltschaften in Zukunft Weisungen erteilen können und nicht mehr das Justizministerium. Außerdem kritisiert die Kommission, dass es zu wenig Personal in der Justiz gebe – insbesondere bei den Staatsanwaltschaften.

Besonders skurril: Die Kommission empfiehlt in ihrem Bericht außerdem die Gründung eines Suchtpräventions- und –hilfsprogramms. Denn offenbar hätten Personen aus Justiz- und Rechtsanwaltskreisen auf Feiern unter Drogeneinfluss Insiderinformationen weitergegeben, „die man nicht hätte erfahren dürfen“, so die Kommission in ihrem Bericht.

 

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Für Aufregung sorgte am 23. Juli zusätzlich die Veröffentlichung des vollständigen Berichts. Denn das Justizministerium hat den Bericht der Kommission online gestellt, die ihn allerdings an einigen Stellen geschwärzt abgegeben hat. So sind an einigen Seiten nur einzelne Wörter lesbar, wie etwa „im Schwarzen Kameel“. Was sich in diesem Wiener Nobel-Restaurant abgespielt hat – und wer sich dort mit wem getroffen hat – bleibt der Öffentlichkeit verborgen. Auf der Plattform X üben deshalb einige Journalisten Kritik, Peter Pilz kündigt eine Veröffentlichung der geschwärzten Stellen auf Zackzack.at an.

Wie Milliardäre und ÖVP bei Coronahilfen gemeinsame Sache machten – Interview mit Jan Krainer

Der Artikel wurde am 16. Juli 2024 veröffentlicht und am 23. Juli 2024 aufgrund der Veröffentlichung des Berichts aktualisiert.

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xx1xx
xx1xx
24. Juli 2024 11:19

Somit wird es zu Strafzahlungen gegen Österreich kommen. Eine korrupte Polizei, korrupte Behörden lassen sich aber nicht so schnell sanieren. Eine korrupte Justiz ist dann auch keine Hilfe mehr.
Hier muss die EU eingreifen und rigoros durchgreifen. Dafür ist sie da.

Ich
Ich
18. Juli 2024 01:09

weiß nicht, was das soll: Es ist lange, lange her, da hat Paul Krugman schon gesagt, dass Österreich in der Korruptionsstatistik eigentlich irgendwo in der Nähe des Iran zu finden sein würde, würden die versteckten Aktivitäten erkannt. Der Unterschied ist offenbar so anzusiedeln, dass man über den Iran alles offen weiß, aber in good old Austria alles unübersehbar ist und versteckt abläuft.

Daraufhin hat die österr. Reg. sofort interveniert und den Prof. gezwungen, alles zurückzunehmen. Dass er das getan hat, wundert mich noch heute.

Auch ich:
Auch ich:
Reply to  Ich
18. Juli 2024 01:11

»Dass er das getan hat« ist wahrscheinlich sogar als Beweis für die Anschuldigung(en) anzusehen.

Peter
Peter
Reply to  Ich
18. Juli 2024 09:48

Die Kirche im Dorf lassen, laut Korruptionswahrnehmungsindex 2023 liegt Österreich mit 71 Punkten weltweit an 20. Stelle gleichauf mit Frankreich, Großbritannien und den Seychellen. Der Iran ist mit 24 Punkten an 149. Stelle gleichauf mit Bangladesch, Libanon, Simbabwe und der Zentralafrikanische Republik.

Das heilige gelobte Russland steht etwas besser da an 141. Stelle mit 26 Punkten gleichauf mit Guinea, Kirgisistan und Uganda.

Das korrupteste Land innerhalb der EU ist Ungarn weltweit an 76. Stelle mit 42 Punkten und gleichauf mit Bahrain, Kuba, Moldau, Nordmazedonien, Trinidad und Tobago und der Volksrepublik China.

Der Grund warum Konservative und der rechte Sumpf in Österreich Viktor Orban und Putin nachlaufen wie der Hund seinem Herrl…

Franc
Franc
Reply to  Peter
18. Juli 2024 12:59

Schön, was solche Indizes so alles als Veröffentlichung inne haben. Wahrscheinlich glaubst du alles was geschrieben steht. Besonders wenn’s der eigenen Meinung entspricht.

Haha,
Haha,
Reply to  Franc
18. Juli 2024 13:10

und Großbritannien ist achtzehnter. Tsss! Jersey allein verhindert das schon: steckt euch diesen Index in den Allerwertesten! Der ist ja selbst korrumpiert.

Peter
Peter
Reply to  Franc
18. Juli 2024 15:27

Für Glaubensfragen sind Kirchen, Religionen und Populisten zuständig, ich halte mich an Fakten.

Der Korruptionswahrnehmungsindex passt sehr gut zu viele anderen Internationalen Indizes, auch von daher gibt es wenig Grund ernsthaft daran zu zweifeln.

Und
Und
Reply to  Peter
19. Juli 2024 15:23

woher nehmen Ottonormalverbraucher diese sogenannten Fakten? Ooooops! Ottonormalverbraucherfakten. Ups!

Und
Und
Reply to  Peter
19. Juli 2024 15:31

Und noch was zu deinen Fakten: Diese Frau, die hier spricht, war bis zum Lügenkanzler Kurz Staatssekretärin für Medien im Bundeskanzleramt und Pressesprecherin des Amtes. Weil sie statistische wie publizistische Lügen hat verbreiten müssen und Übersetzungen manipulieren, hat sie einen Job gekündigt, für den fast jeder Ösireicher seine Familie verbrennen würde, bevor er das hinschmeißt. Alles klar, was ich damit meine!

Ich rate Ihnen, dieses Video komplett anzusehen und gut zuzuhören; dann bekommen S’ einen KLEINEN Einblick in Ihre Fuckten. Ups, jetzt is’ es raus, was ich von euren Fakten halte.

Peter
Peter
Reply to  Peter
19. Juli 2024 17:16

Was will man damit bezwecken öffentlich zugängliche Fakten die wissenschaftlich fundiert sind, als Fake darzustellen?

Die Situation in Österreich bezüglich Korruption könnte besser sein, zu behaupten sie sei etwa so wie im Iran ist und bleibt Fake!

Daran ändert sich auch nicht, wenn man den Fake noch Millionenfach Propagiert.

Sterbender
Sterbender
Reply to  Peter
24. Juli 2024 03:41

Was will man damit bezwecken öffentlich zugängliche Fakten die wissenschaftlich fundiert sind …

Wissenschaft ≠ Wissenschaft

Viele sogenannte wissenschaftliche Arbeiten beruhen auf einer Vorgabe wie zum Beispiel: „Beweisen Sie, dass Steuererhöhungen einer Volkswirtschaft schaden!“

Das gewünschte Ergebnis ist also zu beweisen. Und dass das oft so gehandhabt wird, ist besonders tragisch.

Peter
Peter
Reply to  Sterbender
24. Juli 2024 19:52

Es ist sinnlos darüber zu diskutieren ob Daten glaubwürdig sind, die mehrfach redundant in ihrem Gesamtbild abgesichert sind.

Alles andere ist Religion und Glauben. Bitte an die entsprechenden Intuitionen wenden.

Heimo
Heimo
Reply to  Peter
18. Juli 2024 13:03

Na, der, der alles glaubt, ist schon seelig.

Heimo
Heimo
Reply to  Peter
18. Juli 2024 13:05

Eine Frau, die richtig Eier hat, kündigt sogar den sichersten Job der Welt: weil Sie nicht für die österr. Reg. lügen wollte und will.

Peter
Peter
16. Juli 2024 20:17

Wenn man Österreich als Messlatte für die EU Aufnahme-Kriterien hernimmt, dann hätte allerdings auch Germany Portugal, Slovenia, France, Belgium, Malta, Slovakia, Estonia, Lithuania, Czechia, Italy, Latvia, Spain, Poland, Croatia, Hungary, Bulgaria, Romania, Greece und Cyprus keine Chance mehr auf Aufnahme.

Es wäre eine sehr, sehr kleine EU mit Finland, Denmark, Ireland, Luxembourg, Sweden und den Netherlands .Da würde sich dann noch Norwegen und die Schweiz dazu gesinnen, was allerdings eine derartige EU auch kaum besser macht.

Jeder Staat hat seine stärken und schwächen, das anzuerkennen und zu akzeptieren macht dann auch die stärke der EU aus, International respektiert zu werden.

Die Diskrepanz ist in den US-Bundesstaaten ähnlich groß und zum Teil größer als in den EU, dennoch würde niemand auf die Idee kommen so etwas zu schreiben, wie Österreich hätte heute keinen Platz mehr in der EU.

Die Thematik ist sehr komplex und darüber sollte auch die Bevölkerung aufgeklärt werden, billige populistischen Forderungen tragen da kaum dazu bei, das die Bevölkerung die Problematik erkennt. Die reale Gefahr darin besteht, das sich eine Staat im Staat bildet, das die Justiz im schlimmsten Fall über dem Staat steht, was dann eine Justiz-Republik wird.

Dahingehend hat gerade die SPÖ ein bitteres Lehrgeld gezahlt mit der Franz Olah Affäre. Da verwundert es wenn jetzt derart unkritisch derartige Forderungen gestellt werden, mit einem Thema das sehr komplex ist.

Ansonsten hätten wir auch bis in alle Ewigkeit die Bierlein Expertenregierung fortsetzten können, bei denen es keine Wahlen mehr bedarf. Manchmal braucht es politische idiogische Entscheidungen, auch wenn das vielleicht nicht sehr schön ist.

Tschinehane
Tschinehane
Reply to  Peter
18. Juli 2024 01:05

Und die EU könnte selbst schon gar nicht bestehen.

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