In Portugal gewinnen die regierenden Sozialisten von António Costa die Parlamentswahl mit klarem Vorsprung. Nach Jahren von Kürzungen und Arbeitslosigkeit hat Costas Linksbündnis dem Land neue Hoffnung gegeben. Die Sozialisten wollen das Bündnis mit den linken Parteien fortsetzen.
“Die Sozialistische Partei hat ihre Position in Portugal gestärkt”, rief Antonió Costa in der Wahlnacht in seiner Siegesrede in einem Hotel in Lissabon vor Hunderten von Anhängern. Mit 37 Prozent gewannen seine Sozialisten (PS) am Sonntag die Parlamentswahlen in Portugal – klar vor den konservativen Sozialdemokraten (PSD). Die landeten mit 28 Prozent der Stimmen auf dem zweiten Platz, Costa gewann über 4 Prozent und wurde erster. Die Zahl der sozialistischen Abgeordneten wird sich von bisher 86 auf mindestens 106 erhöhen. Die Sozialisten gewannen 15 von 20 Wahl-Bezirken – um 8 mehr als noch bei den Parlamentswahlen 2015.
Keine Rechtspopulisten in Portugal
Das Wahlergebnis zeigt aber auch, dass “den Portugiesen die ‘Geringonça’ anscheinend gut gefallen hat”, gab Costa offen zu. Gemeint ist Costas Zusammenarbeit mit dem Linksblock (BE) und den Kommunisten und Grünen (CDU), das große Zustimmung bei den Portugiesen findet. Der BE kam auf 9,67 Prozent, das kommunistisch-grüne Parteienbündnis CDU auf 6,46 Prozent. Costa will sein politisches Projekt erneut mit dem Linksblock und dem grün-kommunistischen Bündnis CDU fortsetzen. Denn auf die absolute Mehrheit fehlen ihm 10 Sitze im Parlament.
Auch die Umwelt- und Tierschutz-Partei PAN erhöhte ihre Abgeordnetenzahl von einem auf vier und signalisierte Kooperationsbereitschaft. Sie könnte ebenfalls ein künftiger Unterstützer von Costa sein. Rechtspopulistische Parteien spielen in Portugal anders als in weiten Teilen Europas keine Rolle – die neue rechtsnationalistische Gruppierung Chega (Es reicht) schaffte gerademal einen Parlamentssitz.
“In keinem anderen Land Westeuropas geben die Linken so sehr den Ton an wie in Portugal”, schreibt die Frankfurter Rundschau.
Konservative Vorgängerregierung hat Land kaputtgespart
Die Erfolgsgeschichte Costas begann im Herbst 2015 als die Sozialisten eine Minderheitsregierung mit Unterstützung des Linksblocks bildete: Seither erlebte Portugal eine starke wirtschaftliche Erholung. Die Wirtschaft wächst, die Arbeitslosigkeit sinkt und junge Portugiesen wollen wieder zurück ins Land – Portugal ist in Aufbruchstimmung. Fragt man junge Menschen, was die Sozialisten ihnen geben, ist die häufigste Antwort: Hoffnung.
Denn Portugal stand kurz vor dem Abgrund: Die konservative Vorgängerregierung der PSD hat dem Land zwischen 2011 bis 2015 den härtsten Sparkurs in der Geschichte Portugals aufgewungen. Die Arbeitsrechte wurden abgebaut und der Sozialstaat radikal gekürzt. Armut und Arbeitslosigkeit haben stark zugenommen.
In Zeiten der konservativen Sparpolitik verließen zehntausende – teils sehr gut ausgebildete – Junge das Land, weil es keine Perspektiven und Arbeitsplätze gab.
„Meine Vorgänger haben so die größte Auswanderungswelle seit den Sechzigerjahren ausgelöst“, so Costa.
Höhere Löhne, Pensionen und Stopp von Privatisierungen
Costas Regierung hat erhöhte die von den konservativen Vorgängern gekürzten Löhne und Pensionen, führten 4 Feiertage wieder ein und nahmen Steuererhöhungen für arbeitende Menschen zurück. Sie führten auch gratis Schulbücher ein und schufen die 35-Stunden-Woche für Staatsbedienstete. Gleichzeitig erhöhte Costa Reichensteuern wie die Erbschafts- und Vermögenssteuer.
Mit der Zusatzgrundsteuer führte die Regierung eine Vermögenssteuer auf Immobilien ein, von der die Wohnungen und Häuser einfacher Leute ausgenommen sind. Außerdem ist Schluss mit ruinösen Privatisierungen, wie sie noch vor Jahren der Fall waren, als die Konservativen unter EU-Anleitung das Staatsvermögen weit unter Marktpreis verkauften.
„Es war ein Irrtum zu glauben, man könne die Wirtschaft mit drastischer Kürzung der Löhne und exzessiven Einschnitten in den Sozialstaat sanieren“, kritisiert Premierminister Costa seine Vorgänger.
Defizit und Arbeitslosigkeit auf Tiefstand, Wirtschaft wächst
Und das stimmte: Das Defizit ist auf einem historischen Tiefstand und die Arbeitslosigkeit ist mit 6,4 Prozent so niedrig wie seit 17 Jahren nicht mehr. Die portugiesische Wirtschaft wuchs im vergangenen Jahr um 2,4 Prozent.
Als nächstes will die Linksregierung in den öffentlichen Verkehr und das Gesundheitssystem investieren. Außerdem muss der Wohnungsmangel in den Großstädten gelöst werden und die Situation am Arbeitsmarkt besser werden: Diskutiert wird die Anhebung des Mindestlohns von 600 auf 800 Euro. Außerdem will man Portugiesen wieder zurück ins Land holen, die in Krisenzeiten ausgewandert sind.
>António Costa |
António Luís Santos da Costa ist seit 26. November 2015 Premierminister von Portugal. Davor war er acht Jahr lang Bürgermeister von Lissabon. Schon damals schaffte er das Kunststück, jeden einzelnen Wahlbezirk der Stadt zu gewinnen. 2014 gewann Costa das einmalige breite Mitgliedervotum der Sozialisten. Er wurde zum Spitzenkandidaten seiner Partei gewählt. Seine Partei lag in der Krise doch Costa gewann neue Stimmen, führte seine Partei auf 32 Prozent und bildete eine Minderheitsregierung mit Duldung der Linksparteien. Anfangs wurde Costa von allen Seiten für sein Vorgehen kritisiert – heute spricht ganz Europa vom portugiesischen Wunder.) |
Eine lesenswerte, nüchterne Analyse aus der Le Monde diplomatique vom 12.09.2019 (Deutsche Ausgabe)
Portugals prekäres Wunder
https://monde-diplomatique.de/!5622718