Die SPÖ bringt eine Dringliche Anfrage an Bundeskanzler Sebastian Kurz im Nationalrat ein. “Es braucht echte Hilfe statt leerer Versprechen – Das Versagen der Kurz-Regierung bei der Bekämpfung der wirtschaftlichen und sozialen Krisen-Folgen”, begründet Jörg Leichtfried den Schritt.
„Inszenierung schlägt Inhalt“ sei das, was die Regierung in den letzten Monaten gezeigt hat, erklärt der stv. Klubobmann Jörg Leichtfried bei der Pressekonferenz zur Dringlichen Anfrage der SPÖ am Montag. In den 28 Detailfragen hinterfragt die größte Oppositionsfraktion die Entscheidungen der Regierungen in der Corona-Krise: Von der Weigerung, das Arbeitslosengeld zu erhöhen, bis zur Sperrstunde in der Gastronomie um 23 Uhr.
Bürokratie statt rascher Hilfe
„Die Menschen brauchen ihr Geld – und das Geld fließt nicht“, kritisiert Leichtfried die bürokratischen Hürden auf dem Weg zu Corona-Wirtschaftshilfen. „In Deutschland bekommen Sie, wenn Sie beantragen, in 48 Stunden das Geld, das Ihnen zusteht. In Österreich brauchen Sie 48 Stunden, um das Antragsformular auszufüllen. Das ist ein Skandal, das geht so nicht – und dafür hat sich der Bundeskanzler zu rechtfertigen.“
“Es braucht echte Hilfe statt leerer Versprechen – Das Versagen der Kurz-Regierung bei der Bekämpfung der wirtschaftlichen und sozialen Krisen-Folgen.”
Von den versprochenen zwei Mrd. Euro sind bisher erst 191 Millionen ausbezahlt. Das sind nicht einmal zehn Prozent von dem, “was die Menschen zum Überleben brauchen”, hält Leichtfried fest. Die Wirtschaftskammer nennt er “völlig überfordert” mit der Abwicklung des Härtefallfonds.
„Was ist der medizinische Grund dafür?“
Weiters bemängelt Leichtfried die Seuchenschutzmaßnahmen der Regierung: Diese seien verwirrend, außerdem entbehren sie der medizinischen Begründung: “Es kennt sich niemand mehr aus.“
“Warum muss man im Freien einen Meter Abstand halten, aber im Gasthaus am Tisch nicht? Was ist der medizinische Grund für die Sperrstunde um 23 Uhr?” Ebenso hinterfragt er, warum die Grenzen zu Slowenien nicht geöffnet werden, zur Schweiz aber schon – obwohl es in Slowenien weniger Infizierte gibt als in der Schweiz.
„Da geht es nicht um die Gesundheitsinteressen, sondern um Geschäfts- und Lobbying-Interessen“, so Leichtfried.
“Sind vor dem Gesetz alle gleich?”
Eine der Fragen widmen sich dem Besuch des Kanzlers im Kleinwalsertal und der Frage, „ob in diesem Land alle Menschen vor dem Gesetz gleich sind.“ Über jene Menschen, die während der kurzzeitigen Grenzöffnung in Slowenien Zigaretten gekauft haben, wurde eine 14-tägige Quarantäne verhängt. Über Sebastian Kurz allerdings nicht – obwohl er die Deutsche Grenze doppelt passiert hat.
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Beantwortung: 4 falsche Behauptungen
Sebastian Kurz weist im Parlament alle Vorwürfe von sich. Er sei dankbar, in Österreich zu wohnen, man arbeite so schnell wie möglich. Es folgt der obligatorische Dank an die Bevölkerung, ohne die der Erfolg nicht möglich gewesen sei.
In seiner 25-minütigen Rede, die wenig neue Erkenntnisse liefert, stellt Kurz vier falsche Behauptungen auf. Er wird im Anschluss von den Abgeordneten des Hohen Hauses berichtigt:
Zuerst erklärte FPÖ-Abgeordneter Peter Wurm, der Kanzler behauptete, dass Österreich das einzige europäische Land mit einer Nettoersatzquote von 90 Prozent bei der Kurzarbeit sei. „Das ist falsch“: Eine Reihe von Ländern, darunter die Schweiz, Irland, Dänemark, Schweden, Norwegen haben Ersatzraten von bis zu 100 Prozent.
Alois Stöger (SPÖ) berichtigte den Kanzler in gleich zwei Punkten: Kurz behauptete, Leichtfried hätte eine “Anklage“ gegen ihn gerichtet. Allerdings ist eine „dringliche Anfrage“ keine Anklage, sondern ein übliches demokratischen Instrument. Außerdem hat die Sozialdemokratie nicht wie von Kurz behauptet “seinen Weg mitgetragen”. Tatsächlich hat „die SPÖ mit der Opposition die Bestimmungen des Covid-Gesetzes, mit dem das Epidemie-Gesetz umgangen worden ist, nicht mitgetragen und dagegen gestimmt.“ In Hinblick auf die vielen falschen Behauptungen des Kanzlers meint Stöger abschließend:
„Es wäre schön, wenn wir einen Bundeskanzler hätten, der bei der Wahrheit bleibt“.
Bei der vierten Tatsächlichen Berichtigung reagierte Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka (ÖVP) “sichtlich genervt”. Gerald Loacker (Neos) stellte zum Schluss noch klar, dass die Regierung nicht – wie von Kurz behauptet – rechtzeitig Schutzmaterialien für medizinisches Personal eingekauft habe. Loacker schildert, dass „Pflegekräfte am Anfang in Spar und Billa gegangen sind, um sich dort Mund- und Nasen-Schutz gekauft haben, weil sie keine vom Arbeitgeber erhalten haben.“
Auch sonst hagelt es Kritik von der Opposition: Wenn Kurz nur “einen Funken Anstand” besitze, dann müsse er eine “ehrliche Selbstanzeige zu den Vorfällen im Kleinwalsertal” einbringen, meint die FPÖ, die Neos orten ein “Chaos beim Hochfahren” des Landes. Der SPÖ-Abgeordente Christoph Matznetter rügt das Selbstlob des Kanzlers: “Sie reden wir ein junger Kaplan, aber es reicht nicht, die Selbstbeweihräucherung.”