Die EU-Wahl ist die zweitgrößte demokratische Wahl der Welt. 350 Millionen Menschen aus 27 Ländern nehmen daran teil. Dabei sollten wir alle bedenken: Jedes dritte Gesetz in Österreich ist ein EU-Gesetz. Herausforderungen wie Steuerflucht, die Klimakrise oder eine sichere Energieversorgung lassen sich nur international lösen. Und außerdem hilft Nichtwählen den Rechtsextremen.
Jedes dritte Gesetz in Österreich ist ein EU-Gesetz
30-40 % der österreichischen Gesetze hängen mit EU-Gesetzen zusammen. Das bedeutet aber nicht, dass Brüssel für Österreich entscheidet, denn Österreichs Bundeskanzler und die Minister:innen entscheiden bei jedem EU-Gesetz mit. Sie sind in den gesamten Gesetzgebungsprozess eingebunden. Und im EU-Parlament sitzen 19 österreichische Abgeordnete und stimmen bei Gesetzen ab. Zusätzlich müssen manche EU-Gesetze auch noch vom österreichischen Nationalrat bestätigt werden. Trotzdem gilt: Ändert sich die EU, ändert sich auch Österreich.
Ein Beispiel ist das Daten-Roaming: Bevor eine entsprechende Richtlinie auf EU-Ebene beschlossen wurde, musste man bei Reisen in anderen EU-Ländern extra teure Datenpakete kaufen oder mühsam ein freies WLAN suchen. Jetzt kann man überall in der EU telefonieren und im Internet surfen, als wäre man in Österreich. Die EU verpflichtete außerdem Hersteller von Smartphones – vor allem Apple – einheitliche Ladegeräte und austauschbare Akkus einzuführen. Das ist bequemer und erzeugt weniger Elektromüll.
Komplexe Herausforderungen lassen sich nur international lösen
Große Herausforderungen wie dei Bekämpfung der Steuerflucht, Energieversorgung oder die Klimakrise können nur auf EU-Ebene gelöst werden. Auch außenpolitisch spielen die EU-Länder nur dann eine Rolle, wenn sie auf der Bühne der Weltpolitik mit einer Stimme sprechen. Das gilt besonders für kleine Länder wie Österreich.
Steuerflucht von Konzernen kostet uns jährlich Milliarden
In Österreich zahlen Beschäftigte 80 Prozent des gesamten Steueraufkommens, während es große Konzerne mit fragwürdigen Tricks immer wieder schaffen, dass sie kaum Steuern zahlen müssen. So hat etwa Amazon-Europa 2021 einen Rekordumsatz von rund 52 Milliarden Euro gemacht und dafür nicht einmal Einkommenssteuer gezahlt. Das ist möglich, weil Luxemburg für internationale Konzerne seit Jahren begünstigende Steuervereinbarungen bietet. Der EU entgehen dadurch mehrere Milliarden Euro jährlich. International reagierte man mittlerweile auf solche Steuervermeidungs-Tricks. Ein erster Schritt war die Einführung einer globalen Mindeststeuer von 15 % für multinationale Unternehmen. Dennoch liegt dieser Wert deutlich unter den Steuersätzen, die wir beim Einkaufen und auf unseren Lohn zahlen – und bietet bis heute Schlupflöcher für Konzerne. Es geht bei der EU-Wahl also auch darum, wer künftig für unsere gemeinsamen Ausgaben im Sozial- und Wirtschaftsbereich aufkommen soll und wer nicht.
Sichere Energieversorgung und leistbare Preise
Ein weiteres Beispiel ist die Energieversorgung: Seit dem russischen Einmarsch in die Ukraine sind die Gaspreise in vielen Ländern Europas explodiert – und damit die gesamten Energiepreise. Ein Grund dafür ist das sogenannte Merit-Order-Prinzip. Dieser Mechanismus zur Strompreisbestimmung hatte mit Beginn der Energiekrise zur Folge, dass günstig produzierter Strom aus Wind, Wasser oder Sonne zum selben Preis wie der mit Gas hergestellte, teure Strom verkauft wird. Auf EU-Ebene könnte dieses Prinzip geändert und der Strompreis von Gas entkoppelt werden. Dann würden sich die Energiepreise an den Kosten der Erzeugung orientieren und nicht an den Börsenkursen. Gerade in Österreich sind die Gaspreise dreimal stärker gestiegen als im EU-Durchschnitt – was die allgemeine Inflation weiter angetrieben hat. Mit Preiseingriffen auf EU-Ebene könnte auch die Inflation in Österreich bekämpft werden.
Es könnte so viele Klimaleugner im EU-Parlament geben wie nie zuvor
Von Jahr zu Jahr gibt es immer mehr Abgeordnete, die aus Prinzip gegen Klimaschutzmaßnahmen stimmen. Lag der Anteil der Nein-Sager im EU-Parlament vor 15 Jahren noch bei rund 10 % aller Abgeordneten, stieg dieser bei der letzten Wahl bereits an. Diesmal könnte er sich nochmal drastisch erhöhen. Vor allem die konservativen und rechtsnationalen Fraktionen im EU-Parlament stimmen systematisch gegen Klimaschutzgesetze. Und ausgerechnet diese Fraktionen könnten laut Umfragen bei der kommenden Wahl zulegen. Sie blockieren auch regelmäßig Gesetze zur Förderung von erneuerbarer Energie. So stimmte die ÖVP-Fraktion mit der FPÖ-Fraktion in den letzten fünf Jahren ständig gegen den Umweltschutz. Dass die EU bis 2050 klimaneutral werden soll, dazu gibt es von ihnen kein Bekenntnis. Sie stellen damit die zentrale Klimastrategie der EU – den Green Deal – infrage. Es geht bei dieser Wahl also auch darum, ob das EU-Parlament mehrheitlich für Klimaschutz ist – und wer die Kosten dafür zahlen wird: Die Allgemeinheit oder jene, die mit Privatjets und Yachten einen besonders hohen CO2-Ausstoß haben.
Nichtwählen hilft Rechtsextremen
Wenn du nicht zur EU-Wahl gehst, entscheiden andere, wer für dich im EU-Parlament die Entscheidungen trifft. Gerade rechtsextreme Parteien nutzen die EU immer wieder als Feindbild, um „Protestwähler“ zu mobilisieren. Aktuell gehen viele Umfragen von einem Rechtsruck bei der nächsten EU-Wahl aus. Derzeit hat die rechtskonservative, bis rechtsextreme Fraktion Identität und Demokratie (ID) 59 Abgeordnete im EU-Parlament.
Ab 9. Juni könnten es 80 bis 90 Abgeordnete werden. Gemeinsam mit den zwei anderen rechtskonservativen Parteien – der Europäischen Volkspartei (EVP) und den Europäischen Konservativen und Reformern (EKR) – könnten sie nach der Wahl eine Mehrheit im Parlament haben. Politiker:innen dieser Fraktionen stellen immer wieder hart erkämpfte Frauenrechte infrage. Damit sind Grund- und Freiheitsrechte, wie das Recht auf Abtreibung, gefährdet – so wie wir es aktuell in der USA beobachten können.
Auch die FPÖ gehört zur ID-Fraktion und schickt neben ihrem umstrittenen Spitzenkandidaten Harald Vilimsky auch Gerald Hauser ins Rennen für ein EU-Mandat. Er fällt immer wieder mit verschwörungstheoretischen Aussagen auf. Bei einer Rede sagte er zum Beispiel:
“Sie wissen ja, seit Jahrzehnten wird eine Weltregierung unter dem Dach der UNO vorbereitet. Die EU war so ein Zwischenschritt etc. In letzter Konsequenz könnte die WHO das Exekutiv-Organ einer neuen Weltregierung sein.“
Hauser könnte mit dem Listenplatz 5 ins EU-Parlament einziehen.
Die EU-Wahl hat auch Einfluss auf die Nationalratswahl
Das Ergebnis der EU-Wahl könnte sich auch auf die Nationalratswahl auswirken, die heuer im Herbst stattfindet. Je nachdem, welche Partei bei der EU-Wahl ein besonders gutes Ergebnis einfährt, könnte sie von diesem Aufwind profitieren. Eine Stimme für bei der EU-Wahl stärkt somit auch die Partei bei der Nationalratswahl. Sollte zum Beispiel die FPÖ bei der EU-Wahl ein starkes Ergebnis einfahren, könnte sie auf dieser Erfolgswelle bis zur Nationalratswahl weiter schwimmen, was einen Kanzler Kickl wahrscheinlicher macht. Umgekehrt macht ein starkes Ergebnis für progressive Kräfte in der EU auch eine progressive Mehrheit bei der Nationalratswahl wahrscheinlicher.
Du kannst auch wählen, wenn du keine österreichische Staatsbürgerschaft hast
Bei der EU-Wahl dürfen auch Menschen ohne österreichische Staatsbürgerschaft wählen – zumindest so lange sie EU-Bürger:innen sind. Du musst also nicht extra in deinem Herkunftsland wählen, sondern kannst einfach in Österreich in dein jeweiliges Wahllokal gehen oder eine Wahlkarte beantragen.
Wichtig ist, dass du bis 26. März 2024 einen Antrag auf Aufnahme in die Europa-Wählerevidenz in deiner Hauptwohnsitzgemeinde gestellt hast. Dann kannst du am 9. Juni 2024 wählen gehen.
Die EU-Fraktionen: Diese Parteien kannst du bei der EU-Wahl wählen