In Österreich steigen die Preise deutlich stärker als in anderen Euro-Ländern. Von einer Ankündigung des Sozialministers Rauch, dass die Regierung nun doch in die Lebensmittel- und Energiepreise eingreifen wolle, blieb wenig übrig: Bei den Lebensmitteln wolle man die Transparenz und die Kontrollen verschärfen – Eingriffe in den Preis sowie die Senkung der Mehrwertsteuer sind nicht geplant. Die Energie-Konzerne sollen ab Juni ihre Preise senken – andernfalls werden die Gewinne abgeschöpft. Die Maßnahmen seien in den Ansätzen gut, doch viel zu schwach, um die Inflation real zudrücken, sind sich beinahe alle Ökonom:innen einig. Auch an sozialpolitischen Maßnahmen für die Finanzschwächsten fehle total. Die SPÖ beruft eine Sondersitzung des Parlaments ein, und verlangt den Rücktritt der gesamten Regierung.
Seit Anfang 2022 wütet die Inflation. Lange ist wenig passiert, nun überschlagen sich die Ereignisse: Am Montag scheiterte der groß angekündigte „Lebensmittel-Gipfel“ ohne Ergebnisse. Die SPÖ verlangt eine Sondersitzung des Parlaments und kündigt einen Misstrauensantrag gegen die gesamte Regierung an. Am Dienstag verscuht der Sozialminster im ORF Report seine Glaubwürdigkeit zu retten und trotzdem in die Preise von Lebensmittel und Energie einzugreifen. Davon bleibt im Ministerrat am Mittwoch dann aber wenig über. Herzstück der Maßnahmen der Regierung gegen die Inflation ist eine Übergewinnsteuer, allerdings nur dann, wenn die Energie-Konzerne bis Juli ihre Preise nicht freiwillig senken. Laut Regierung sollen sich die niedrigeren Energiepreise, dann auch in niedrigen Lebensmittelpreisen niederschlagen. Ob und wie, die Supermärkte diese Preise weitergeben, ist ungeklärt und nicht geregelt. Die Erfahrung der vergangen Monate zeigt, dass Preissenkung – im Gegensatz zu Steigerungen – nur träge an die Konsument:innen weitergegeben werden.
SPÖ fordert Rücktritt der Regierung
Die Maßnahmen reichten der SPÖ nicht: Die Sondersitzung des Nationalrates wird für Freitag einberufen. Die SPÖ stellt einen Misstrauensantrag gegen die gesamte Regierung an. Inhaltlich fordert die SPÖ als Sofortmaßnahme im Bereich des Wohnens, die Rücknahme der April-Erhöhung der Richtwertmieten und das Einfrieren aller Mieten bis Ende 2025. “Danach Begrenzung des Mietanstiegs mit dem EZB-Leitzinssatz, maximal aber 2 % pro Jahr.” heißt es im Antrag. Zudem fordert sie ein Aussetzen der Mehrwertsteuer auf Lebensmittel des täglichen Bedarfs und eine “schlagkräftige” Anti-Teuerungskommission, die unter anderem sicherstellt, dass milliardenschwere Hilfszahlungen an Unternehmen an die Menschen weitergegeben werden und “harte Sanktionen bis hin zur Rückzahlung der Energiehilfen” verhängen kann.
Das sei nötig, weil die Inflation in Österreich stärker steigt als in den meisten anderen EU-Ländern. Bei Kaufkraftverlust liegt Österreich im 4. Quartal 2022 überhaupt abgeschlagen am tragischen letzten Platz.
Die Lebensmittel kosten in Österreich über 10 Prozent mehr als in Deutschland und sind im Jahresvergleich um bis zu 70 Prozent gestiegen. Selbst der marktliberale Wifo-Chef Gabriel Felbermayr warnte zuletzt davor, die Folgen der hohen Inflation zu unterschätzen und fordert Maßnahme von der Regierung.
@kontrast.at Warum entwickelt sich die Inflation der verschiedenen Länder der Eurozone so unterschiedlich? #mietpreisbremse #gasdeckel #fyp #österreich #ländervergleich ♬ Money (Live) [2018 Remaster] – Pink Floyd
Große Ankündigung: Regierung wolle Preissenkungen gesetzlich erzwingen
„Mir reicht‘s da einfach – und das sag ich mit aller Emotion! Weil die Menschen, die die Rechnungen zahlen müssen oder an der Supermarktkasse stehen, die können das nicht mehr stemmen“, sagte Sozialminister Johannes Rauch (Grüne) dann am Dienstag nach dem gescheiterten „Lebensmittel-Gipfel“. Die Regierung habe schnell für Maßnahmen zu sorgen, um die Inflation bekämpfen – vor allem im Energie- und Lebensmittelbereich, so der Sozialminister.
Sinkende Kosten müssen in Form von sinkenden Preisen an die Konsument:innen weitergegeben werden – wenn nötig mit Zwang, erklärt er weiter. „Wenn der Markt nicht funktioniert, hat die Politik einzugreifen“, sagt Rauch.
Es müsse bei der Preisbildung mehr Transparenz und mehr Kontrollen geben und: „Es muss die Möglichkeit geben, Einfluss zu nehmen, weil wir im Lebensmitteleinzelhandel eine Konzentration haben, die europaweit einzigartig ist.“
„Unklar“, wie die Maßnahmen die Lebensmittelpreise senken sollen
Doch beim Paket gegen die Teuerung ist kaum mehr etwas davon übrig, dass die Regierung in die Preise eingreifen wird. Das zeigt die Pressekonferenz mit Kanzler Nehammer und Vizekanzler Kogler im Anschluss des Ministerrates. Im Lebensmittelbereich sollen lediglich Transparenz und Kontrollen sowie das Kartellrecht verschärft werden. Unter anderem soll die Bundeswettbewerbsbehörde dafür 10 zusätzliche Planstellen erhalten. Diese Behörde ist dafür zuständig, den freien Wettbewerb in Österreich zu kontrollieren. Für Wifo-Chef Felbermayr ist „unklar, wie die Maßnahme die Preise senken soll.“ Eingriffe in den Preis sowie die Senkung der Mehrwertsteuer sind nicht geplant.
“Die Dämpfung der Inflation wird so marginal sein, dass man es nicht wirklich merkt”, sagt auch der Chefökonom der Arbeiterkammer Markus Marterbauer.
Übergewinnsteuer war offenbar wirkungslos
Im Energiebereich soll es ab eine Gewinnabschöpfung bei den Konzernen geben – aber nur, wenn Energieanbieter die Preise nicht senken. Die enormen Gewinne von OMV und Verbund vom Vorjahr in Höhe von unglaublichen 5,3 Milliarden Euro werden damit nicht angetastet. Damit gesteht sich die Regierung auch ein, dass ihre im Vorjahr beschlossene Übergewinnsteuer wirkungslos war. Zur Erinnerung: Für die Energiekonzerne OMV und Verbund machte sie gerade einmal 1,8 Prozent ihrer Gewinne aus.
Bleiben die Energiepreise für Konsument:innen hoch, soll ein Teil der Konzerngewinne dazu verwendet werden, die öffentlichen Gebühren und Abgaben zu senken bzw. einzufrieren. Denn diese Maßnahme soll jedenfalls kommen, sagen ÖVP-Minister Nehammer und Grünen-Vizekanzler Kogler. Außerdem sollen Kund:innen mit Smartmeter-Vertrag ein Recht auf monatliche Abrechnung bekommen. So sollen sie leichter Preise vergleichen und Anbieter wechseln können.
Keine Maßnahmen, um Wohnkosten zu senken
Eine Mietpreisbremse sowie eine Erhöhung des Arbeitslosengeldes gibt es weiterhin nicht. Kritik am Paket der Regierung gibt es auch von Wifo-Chef Gabriel Felbermayr. Er hält die Größe des Pakets „angesichts fast zweistelliger Inflationsraten doch deutlich zu klein.“ Dennoch ist sich Karl Nehammer sicher: „Wir tun alles, was nationalstaatlich möglich ist.“
(4/7) Aber die Größe des Pakets erscheint angesichts fast zweistelliger Inflationsraten doch deutlich zu klein. Das wird nicht das letzte Paket gewesen sein, die Regierung muss weiter dranbleiben und weiter nachbessern.
— Gabriel Felbermayr (@GFelbermayr) May 10, 2023
ja donn gemma eben 60 stunden die Woche Arbeiten dann können wir uns alles wieder leisten