39.000 Haushalte in der Steiermark haben ihren Gasvertrag verloren. Ihr Energieanbieter hat den Vertrag aufgelöst und legt einen neuen vor – samt einer Preiserhöhung von 58 Prozent. Das dürfte aber erst ein Vorgeschmack darauf sein, was ganz Österreich droht, wenn die Regierung nicht aktiv wird. Der österreichische Gaspreisindex hat sich gegenüber dem Vorjahr versechsfacht, ein Ende dieser Entwicklung ist nicht in Sicht. Mittlerweile denkt sogar die EU-Kommission über Preisdeckel auf Strom und Gas nach, um die Situation in den Griff zu bekommen.
Rund 29.000 Kundinnen und Kunden der Energie Steiermark und etwa 10.000 der Energie Graz erhalten dieser Tage Kündigungsschreiben ihrer Gasverträge. Um auch nach dem 1. September versorgt zu werden, müssen sie einen neuen Vertrag abschließen. Mit dem Neuabschluss des Gasvertrags kommt eine Preiserhöhung von 58 Prozent. Das sind für einen durchschnittlichen Haushalt knapp 350 Euro im Jahr. Die Änderungen betreffen aber auch die allgemeinen Geschäftsbedingungen, die eine Preisanpassung zwei Mal im Jahr möglich machen.
„Erhöhungen im Gaspreisindex können, Senkungen müssen an den Kunden weitergegeben werden“, erklärt Urs Harnik, Sprecher der Energie Steiermark die neuen AGBs. Preissenkungen sind freilich aber keine in Sicht. Im Vergleich zum letzten Jahr ist der österreichische Gaspreisindex um 474 Prozent gestiegen, die schleppenden Gaslieferungen Russlands lassen keine Entspannung erwarten.
Es droht eine Preisexplosion, wenn die Regierung nicht handelt
Noch bilden die Preiserhöhungen der Energieversorger diese enorme Steigerung nur zu geringen Teilen ab. Das funktioniert, weil in der Branche Gas auf zwei bis drei Jahre im Voraus eingekauft wurde. „Das gibt uns Spielraum, den wir noch nützen können“, sagt Harnik. Doch dieser Spielraum dürfte bald aufgebraucht sein. Verrechnen die Energieanbieter die Gaspreise zur Gänze ihren Kund:innen weiter, sind die aktuellen Preiserhöhung, nur ein kleiner Vorgeschmack auf die künftige Preisexplosion. Es droht eine Katastrophe: Schon jetzt haben 800.000 Menschen in Österreich Probleme, ihre laufenden Ausgaben zu decken. 1,5 Millionen Personen sind sind hierzulande arm oder armutsgefährdet – das sind 17 Prozent der Bevölkerung. Sechs Mal höhere Energiekosten sind für sie kaum zu bewältigen und wären auch für Haushalte mit mittleren Einkommen ein enormes Problem.
Obergrenze beim Gaspreis würde Abhilfe schaffen
Die Energie Steiermark sei sich ihrer Verantwortung bewusst, heißt es von dort. Das Unternehmen hat eine Kooperation mit der Caritas – sie finanziert der Sozialorganisation zwei Mitarbeiter:innen für die Beratung bei Problemen mit Energiekosten. Außerdem hat das Unternehmen 700.000 Euro in einen von der Caritas verwalteten Fonds gesteckt, mit dem Härtefälle unterstützt werden, erklärt Harnik im Gespräch mit Kontrast.
Das kann in Einzelfällen helfen, doch um die Katastrophe zu verhindern, müsste die Regierung tätig werden. Eine viel diskutierte Lösung ist ein Preisdeckel für Strom und Gas. Spanien und Portugal haben das für jenes Gas, das zur Stromerzeugung verwendet wird, bereits getan. Auch die EU-Kommission zieht das in Betracht.
“Eine Möglichkeit wäre, die Preisbildung während dieses Störungsszenarios durch eine Preisobergrenze an den europäischen Gasbörsen zu begrenzen”, heißt es in einem Papier der Kommission. Österreichs Regierung sprach sich bis dato nicht dafür aus.
Merit-Order-Prinzip beschert Energiekonzernen Extraprofite
In Österreich setzen sich nur die Oppositionsparteien SPÖ und FPÖ für Preisdeckel bei Öl und Gas ein. Um zu verhindern, dass die steigenden Gaspreise auch weiter die Strompreise in die höhe treiben, wollen die Sozialdemokrat:innen das Merit-Order-Prinzip am Strommarkt abschaffen. Zusammengefasst besagt das Prinzip, dass Strom, egal aus welcher Ressource gewonnen, sich immer am teuersten Preis orientieren muss. Da Gas aktuell knapp und somit teuer ist, orientieren sich alle anderen Stromerzeugungsformen – von der Windkraft über die Wasserkraft bis hin zur Photovoltaik – am Preis für Strom aus Gas. Der niederösterreichische Landesparteiobmann Franz Schnabl plädiert daher für das „Schweizer Modell“, wonach sich der Preis aus einem Mix aller Stromgewinnungsmöglichkeiten ergeben würde. „Damit würde der Strompreis in Österreich deutlich reduziert werden. Man muss es nur tun“, so Schnabl.