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‚Durchtriebener Strippenzieher, der mit seiner ‚Familie‘ Österreich lenkt‘ – Internationale Medien zum „System Kurz“

Die Verantwortung im Corona-Management haben die politischen Entscheidungsträger, sagt Manfred Matzka.

Foto: BKA

Alina Bachmayr-Heyda Alina Bachmayr-Heyda
in Sebastian Kurz
Lesezeit:5 Minuten
9. April 2021
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Das Politik-Magazin Politico beschreibt die Laufbahn des ÖVP-Kanzlers Kurz vom „wohlerzogenen Lieblings-Schwiegersohn der Nation“ zum „durchtriebenen Strippenzieher, der bereit ist, alles Notwendige zu tun, um seine Agenda durchzusetzen“. Andere internationale Medien sprechen von einem „Staat im Staate“, „aufgebaut, gelenkt, kontrolliert“ von der „‚Familie‘ rund um Sebastian Kurz.“

Tägliche Infektionszahlen, Horrormeldungen von Wirtschaft und Arbeitsmarkt, Wetterkapriolen, Feiertagsruhe und Öffnungsgerüchte. Es ist derzeit nicht leicht, mit den Nachrichten Schritt zu halten. Die Berichterstattung zu den Umtrieben der Korruption und Korrumpierung rund um die Kanzlerpartei wird regelmäßig unter einem Schwall an Ablenkungsmanövern begraben. Kommt ein Skandal auf, sorgt man künstlich für Schlagzeilen.

Flood the Zone with Shit

„Flooding the Zone with Shit“ nannte diese Technik Steve Bannon, ehemaliger Chefstratege des geschiedenen US-Präsidenten Donald Trump. Fake News-Experte Bannon erkannte bereits 2018, wie man von einem Skandal ablenkt: Die wahre Opposition im Land seien nicht die Demokraten, sondern die Medien. Und mit ihnen komme man am besten klar, indem man sie mit ihren eigenen Waffen schlägt: So viel scheinbar „Relevantes“ zu berichten schaffen, dass Tageszeitungen und politische BeobachterInnen nicht anders können, als über alles schreiben. Für das Medien-Publikum bleibt ein großer Haufen Exkremente, durch den man waten muss, bis man zu den relevanten Medieninhalten gelangt. Das ist aufwändig und anstrengend.

Wohl nicht zufällig hat Verteidigungsministerin Klaudia Tanner just an dem Tag, an dem Sebastian Kurz vor dem Ibiza-Untersuchungsausschuss Rede und Antwort stehen musste, angekündigt, die Landesverteidigung einzustampfen. Opposition und Medien waren entsetzt. Kurz darauf nahm sie die Pläne zurück, man hat seither nichts mehr davon (oder von der Ministerin) gehört. Ähnlich das Vorgehen bei Korruptionsvorwürfen gegen ÖVP-Politiker: Als Ermittlungen ergaben, dass Wolfgang Sobotkas Verein „Alois Mock Institut“ Sponsorings in der Höhe von 100.000 Euro des Glücksspielkonzerns Novomatic annahm, wurden jahrealte Spenden an die SPÖ auf die Titelseiten katapultiert.

Übrig bleibt der Eindruck, dass ‚die eh alle korrupt‘ sind und man niemandem trauen könne. Damit verschleiert die PR-Maschinerie um den Kanzler, wie er mit seinem türkisen Netzwerk Posten und Macht verteilt und nebenher kritische Stimmen zum Verstummen bringt. Der Preis dafür: Das Vertrauen in die Politik schwindet, die Umfragewerte blieben bis vor Kurzem stabil. Doch langsam kommt das Image des Kanzlers ins Wanken: In der Umfrage der österreichischen Presseagentur verlor Kurz zwischen Jänner und April elf Prozentpunkte und landet auf mageren neun. Zu Beginn der Krise 2020 konnte er noch über 30 Prozent für sich gewinnen.

Internationale Medien über Österreich und Kurz
Sebastian Kurz kommt immer mehr in Erklärungsnot. Internationale Medien gehen dabei oft härter mit ihm ins Gericht als österreichische.

Das schreibt die internationale Presse

Im Angesicht von Problemen schweigt der Kanzler eisern, gegen die staatlichen Ermittlungsbehörden fährt er eine brennende Vernichtungskampagne. „Der türkise Kanzler scheut nichts mehr, als einen Fehler oder gar eine Niederlage eingestehen zu müssen“, urteilt die deutsche Zeit. Während österreichische Medien damit beschäftigt sind, sich durch den Dreck zu schaufeln – und dabei nicht selten vom Stab des Kanzlers oder Kurz selbst auf den rechten Weg zurückgepfiffen werden, wenn sie einmal zu kritisch berichten – haben internationale Medien oft einen klareren Blick auf das Geschehen im Alpenland. Das Urteil: vernichtend.

Die Süddeutsche Zeitung spricht von Chatprotokollen „aus den höchsten politischen Kreisen, die den Zynismus der Macht mit Bussibussi verkleistern“. In einem weiteren Artikel schreibt Alexandra Föderl-Schmid, bis 2017 Mitherausgeberin des Standard, über das „Streben nach totalitärer Kontrolle sichtbar, das gefährliche Ausmaße angenommen hat“. Von einem „Staat im Staate“, „aufgebaut, gelenkt, kontrolliert“ von der „‚Familie‘ rund um Sebastian Kurz“, spricht gar die Luzerner Zeitung. Die östlichen Nachbarn seien einiges gewohnt, so das schweizerische Urteil, aber die neuesten Erkenntnisse aus dem Kanzleramt seien „selbst für einen mit Vetternwirtschaft vertrauten Ost-Alpenländer starker Tobak“.

„Sebastian Kurz hatte einen ’neuen Stil‘ angekündigt, er wollte dem Postenschacher ein Ende setzen. Die jüngste Affäre um Thomas Schmid zeigt aber: Das war ein leeres Versprechen“, anaylsiert die Zeit im Artikel mit dem klingenden Namen „Die Ballhausplatz-Boys“.

Die renommierte deutsche Wochenzeitung zitiert den österreichischen Politologen Hubert Sickinger: „Neu im System Kurz ist nur, dass sie besonders auf den Kreis um ihn zugeschnitten ist.“ Und setzt hinzu: „Allen voran auf die engsten Vertrauten um den Kanzler, die ‚Familie‘, zu der auch Thomas Schmid gehörte, wie ihm Gernot Blümel in einer Textnachricht versicherte.“

Die SMS zwischen ÖBAG-Alleinvorstand Thomas Schmid und Kanzler Kurz „zeichnen ein verheerendes Bild der politischen Sitten im Land“, schreiben die Zeit-AutorInnen Christina Pausackl und Josef Votzi. Sie fassen die Causa Schmid zusammen: „Schmid, der heute im sogenannten Casinos-Komplex als Beschuldigter geführt wird, mit dem Segen des Bundeskanzlers zum Alleinvorstand der wichtigen Staatsholding der Republik ernannt wurde – auf Grundlage einer Ausschreibung, die er sich selbst auf den Leib schrieb, bestellt von einem Aufsichtsrat, den er sich selbst aussuchen durfte.“

Der Fall des Schwiegersohns der Nation

Das internationale Politik-Magazin Politico beschreibt Kurz‘ Laufbahn vom „wohlerzogenen Lieblings-Schwiegersohn der Nation“ zum „durchtriebenen Strippenzieher, der bereit ist, alles Notwendige zu tun, um seine Agenda durchzusetzen“.

Die Schmid-SMS bieten laut Politico-Journalistin Nette Nöstlinger einen „seltenen, ungefilterten Einblick“ und enthüllen dabei nicht nur „Kurz‘ Faible für Herz-Emojis und Ausrufezeichen“. Sie enthüllten auch die „unglaubliche Banalität der Menschen, die unsere Republik leiten“, zitiert sie den „Politikkommentator-Veteran“ Peter Filzmaier.

Auch Politico geht mit Kurz‘ Versprechens eines „neuen Stils“ hart ins Gericht: Er habe zwar alles von der Farbe über den Namen der Partei geändert, er habe nicht nur versprochen, die Politik des Landes zu revolutionieren: „Er überzeugte die ÖsterreicherInnen davon, dass er es ernst meinte. Und sie haben es geschluckt.“

https://www.politico.eu/article/house-of-sebastian-kurz/amp/

„House of Kurz“: Internationale Medien sehen den Kanzler als angezählt an.

Stattdessen erkennen wir nun: Das Kartenhaus Kurz besteht aus einem „eng gestrickten Netzwerk aus Loyalistinnen und Loyalisten des Kanzlers in Regierung, Privatwirtschaft und Medien, die stillschweigend an ihrem wechselseitigen Erfolg arbeiten.“ Anstatt des „neuen Stils“, den Kurz versprach, lernen die ÖsterreicherInnen jetzt, was alles möglich sei.

Das Polit-Magazin sieht den echten Kurz-Stil nicht nur als Enttäuschung für Österreich, sondern als Bedrohung für ganz Westeuropa, Österreich als Einfallstor für den mitteleuropäischen Autoritarismus à la Orbán, der demokratische Normen erodieren lässt. Beispielhaft dafür war Kurz‘ gescheiterter Anlauf, die EU mithilfe osteuropäischer Staaten zur Neuverteilung der Impfdosen zu zwingen. Sein anti-europäischer Reflex, wenn etwas schiefgeht – wie etwa auch bei der Verteilung der Corona-Wiederaufbau-Gelder – führte dazu, dass Kurz in Brüssel und Berlin, wo er vor nicht allzu langer Zeit noch die Bild-Zeitung um den Finger wickelte, von der konservativen Zukunftshoffnung zur Persona non grata degradierte.

In Österreich herrscht Schweigen

Ein Posten für einen Parteifreund da, eine geschobene Ausschreibung dort – alles ganz normal in Österreich. Kein Wunder, dass Österreich im vergangenen Jahr im Korruptionsindex um drei Ränge auf den 15. Platz abgerutscht ist.

Zu all dem rechtfertigen sich in Österreich weder Sebastian Kurz noch Gernot Blümel. Als saloppe Formulierungen unter Freunden und übliches Vorgehen will Blümel es verzeichnen, dass man sich die höchstdotierten und verantwortungsvollsten Stellen der Republik per SMS zuschanzt. Kurz verteidigte im Bundesrat die Postenbesetzung als quasi normal. Er werde es „niemals akzeptieren“, wenn ihm Korruption unterstellt werde. Das ist gut zu wissen, erinnert die geübte Österreicherin aber auch schmerzhaft an einen gestürzten Vizekanzler, der in einer Finca im Mittelmeer versicherte, er habe mit Korruption nichts am Hut, während er die Republik an eine russische Millionärin verscherbeln wollte.

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Sonja
Sonja
13. April 2021 19:33

Ich liebe Österreich, aber ich schäme mich für unsere Regierung

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ferdl
ferdl
9. April 2021 22:01

Problemo, man schneidert sich halt die Stellenausschreibung zu recht. Und damit die Sache nicht in die Hose geht sucht man sich doch gleich noch die Aufsichtsräte aus ah ja die mussten ja „steuerbar“ sein. Und das ist kein Postenschacher was ist es dann ???

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ferdl
ferdl
9. April 2021 21:59

Das ist also die neue Volkspartei. Super ! Für den Postenschacher wie man in den Medien liest war ja H.C und seine FPÖ zuständig. Der Fall Sidlo !! Ah ja und was ist bei der Schmid AG anders ? Die wird ein Freund des Hauses in eine Position gehievt die im von der Qualifikation nicht zusteht. Null P

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Privatstiftungen sollten ursprünglich einem gemeinnützigen Zweck dienen, etwa in den Bereichen Soziales, Bildung oder Kultur. Doch heute sind sie vor allem ein beliebtes Werkzeug, um Vermögen zu sichern und Steuern zu vermeiden. Sie sind besonders beliebt bei den Reichsten der Reichen – auch weil sie kaum von den Steuerbehörden kontrolliert werden. Zitat: Privatstiftungen sind eine Rechtsform, die beinahe ausschließlich von den Reichsten der Reichen genutzt wird. 40 Prozent aller Privatstiftungen befinden sich im unmittelbaren Umfeld der 60 reichsten Familien. Sie werden von Superreichen benutzt, um ihr Vermögen vor Steuerbehörden zu verschleiern. Auch deshalb weil drei Viertel aller Privatstiftungen überhaupt noch nie von den Steuerbehörden kontrolliert worden sind. Stephan Pühringer

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Privatstiftungen sollten ursprünglich einem gemeinnützigen Zweck dienen, etwa in den Bereichen Soziales, Bildung oder Kultur. Doch heute sind sie vor allem ein beliebtes Werkzeug, um Vermögen zu sichern und Steuern zu vermeiden. Sie sind besonders beliebt bei den Reichsten der Reichen – auch weil sie kaum von den Steuerbehörden kontrolliert werden. Zitat: Privatstiftungen sind eine Rechtsform, die beinahe ausschließlich von den Reichsten der Reichen genutzt wird. 40 Prozent aller Privatstiftungen befinden sich im unmittelbaren Umfeld der 60 reichsten Familien. Sie werden von Superreichen benutzt, um ihr Vermögen vor Steuerbehörden zu verschleiern. Auch deshalb weil drei Viertel aller Privatstiftungen überhaupt noch nie von den Steuerbehörden kontrolliert worden sind. Stephan Pühringer
Privatstiftungen sollten ursprünglich einem gemeinnützigen Zweck dienen, etwa in den Bereichen Soziales, Bildung oder Kultur. Doch heute sind sie vor allem ein beliebtes Werkzeug, um Vermögen zu sichern und Steuern zu vermeiden. Sie sind besonders beliebt bei den Reichsten der Reichen – auch weil sie kaum von den Steuerbehörden kontrolliert werden. Zitat: Privatstiftungen sind eine Rechtsform, die beinahe ausschließlich von den Reichsten der Reichen genutzt wird. 40 Prozent aller Privatstiftungen befinden sich im unmittelbaren Umfeld der 60 reichsten Familien. Sie werden von Superreichen benutzt, um ihr Vermögen vor Steuerbehörden zu verschleiern. Auch deshalb weil drei Viertel aller Privatstiftungen überhaupt noch nie von den Steuerbehörden kontrolliert worden sind. Stephan Pühringer

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