Zwei Studien haben belegt: Die 62 reichsten Haushalte sind in einem Netzwerk miteinander verbandelt – und österreichische Tageszeitungen haben eine klare Verzerrung, wenn es um Artikel zu Vermögenssteuern geht. Beides zeigt: Konzentrierter Reichtum ist demokratiegefährdend. Ein Beitrag von Autor Michael Mazohl in seiner Kolumne „Klassenkampf von oben“.
Eisberg voraus: Wir kennen nur die Spitze der österreichischen Vermögen – bekannte Namen, bunte Schlagzeilen, große Firmen. Doch was sich unter der Oberfläche verbirgt, ist weit umfangreicher und für viele unsichtbar. Das zeigt eine neue Studie eines Teams um den Ökonomen Stephan Pühringer (JKU Linz).
Wenige Familien kontrollieren Vermögen in Milliardenhöhe
Das Forschungsteam kombinierte Daten aus dem Register wirtschaftlicher Eigentümer, Firmenbüchern und weiteren Quellen zu einer Social Network Analysis. Dabei legte es ein besonderes Augenmerk auf die High Net Worth Individuals in Österreich – jene Reichsten, die in der Vermögenshierarchie ganz oben stehen. Und hier offenbart sich eine beeindruckende Konzentration: Die 62 vermögendsten Haushalte besitzen gemeinsam ein Kapital, das um die 40 Prozent des österreichischen Bruttoinlandsprodukts ausmacht. Anders gesagt:
Eine handvoll Familien und Einzelpersonen kontrolliert so viel Vermögen, wie alle Menschen des Landes in fast einem halben Jahr erarbeiten.
Besonders an diesem Eisberg ist: Er schmilzt nicht, er wächst. Die Vermögen der High Net Worth Familien werden von Jahr zu Jahr größer.
Namen wie Porsche & Piëch, Benko, Haselsteiner, Stronach, Swarovski oder Mayr-Melnhof stehen an der Spitze von Firmenbeteiligungen, Privatstiftungen und Immobiliengesellschaften, die sich teils so ineinander schachteln, dass Außenstehende kaum noch durchblicken. Ein Kernbefund der Studie: „Nested networks“ – komplexe Verflechtungen aus Holdings, Stiftungen und GmbHs – erschweren die Nachvollziehbarkeit wirtschaftlicher Eigentümer und verwandeln schiere Datenbestände in ein Labyrinth von Strukturen. Ein überraschendes Ergebnis der Studie: Die 62 reichsten Haushalte bilden nicht etwa mehrere Netzwerke, sondern sind auf ein einziges zurückzuführen.
Dass früher hochrangige Regierungsmitglieder oder Abgeordnete später in den Vorständen und Aufsichtsräten solcher Konzerne Platz nehmen, erhöht die demokratiepolitische Brisanz: Eine Studie, die diese personellen Verflechtungen beleuchtet, verweist auf Interessenskollisionen, wenn Postenwechsel zwischen Politik und Wirtschaft üblich sind. Netzwerke verschmelzen, Türen öffnen sich, man kennt einander.
Insbesondere die Familie Dichand, deren Mediennetzwerk 234 Unternehmen umfasst, illustriert die machtvolle Position einiger weniger Akteure. Wo hohe Vermögen auf Medienbesitz treffen, eröffnen sich Hebel, nicht nur wirtschaftlich, sondern auch meinungsbildend. Werden politische Entscheidungen verhandelt, kann dies erheblichen Einfluss bedeuten – ob in Wahlkämpfen, in der Gesetzgebung oder schlicht durch Deutungshoheit in der Öffentlichkeit.
Zeitungsanalyse zeigt: 69 Prozent der Artikel lehnen Vermögenssteuer ab
Neben Pühringers Forschungsprojekt gibt es eine weitere aktuelle Studie, die demokratiepolitisch bedenkliche Entwicklungen zeigt. Hendrik Theine und Quirin Dammerer (WU Wien) sowie Georg Hubmann (Universität Duisburg-Essen) analysierten, wie fünf österreichische Tageszeitungen über die Frage einer möglichen Vermögens- oder Erbschaftssteuer berichten. Dazu wurden Kommentare und Leitartikel von 2005 bis 2020 ausgewertet – insgesamt mehrere Hundert Beiträge aus den Tageszeitungen Der Standard, Die Presse, Kleine Zeitung, Oberösterreichische Nachrichten und Tiroler Tageszeitung.
Die Ergebnisse sind eindeutig: Rund 69 Prozent der Artikel lehnen Vermögenssteuern klar ab. 22 Prozent argumentieren dafür oder zumindest überwiegend positiv. 9 Prozent bleiben neutral.
Auffällig ist, dass hausinterne Journalist:innen mit 77 Prozent eine besonders hohe Ablehnungsquote verzeichnen, während externe Gastautor:innen in mehr als jedem zweiten Fall sachlicher oder positiver an das Thema herangehen. Der stärkste Widerstand kam laut Studie von Die Presse (82 Prozent negative Beiträge, bei eigenen Redakteur:innen sogar 94 Prozent), dicht gefolgt von Oberösterreichischen Nachrichten und Kleine Zeitung (73–77 Prozent). Demokratiepolitisch ist das insofern bedenklich, als dass es seit Jahrzehnten in Umfragen stabile Mehrheiten für Vermögenssteuern in der österreichischen Bevölkerung gibt. Sie sind nur eben kein entscheidendes Wahlmotiv – aber das ist eine andere Geschichte.
Die ablehnenden Artikel malen Vermögenssteuern gerne als „Neid-Debatte“, „Schnüffelsteuer“ oder „Klassenkampf“, oft ohne nachvollziehbare Statistiken. Dabei blenden sie aus, wie gängige Vorschläge längst Freibeträge für kleinere Vermögen oder Eigenheime vorsehen. Umgekehrt begründen die befürwortenden Artikel ihre Standpunkte meist mit Armutsbekämpfung, einer Stabilisierung der öffentlichen Haushalte oder einer Eindämmung wachsender Ungleichheit.
Wie Meinung gemacht wird – und Debatten verhindert werden
Dass die Mehrheit der Kommentare gegen Vermögenssteuern argumentiert, kann – laut Forscher:innen – die öffentliche Wahrnehmung mitprägen: Wer stets hört, Vermögensbesteuerung würde den Mittelstand ruinieren oder die Wirtschaft abwürgen, unterschätzt rasch das Ausmaß undurchsichtiger Kapitalkonglomerate. Die einseitige Medienlandschaft erschwert es, über Alternativen offen zu diskutieren – erst recht, wenn auch Medienhäuser selbst zum Teil jenen High Net Worth Familien gehören.
Damit schließt sich der Kreis zu den Ergebnissen aus Pühringers Netzwerk-Studie: Mächtige Kapitalgruppen können still und leise wachsen, solange es weder breite Debatten noch politische Mehrheiten für Transparenz und faire Besteuerung gibt. Und das passiert offenbar nicht zufällig, sondern in einer Art Symbiose aus politischer Näherückung, verschlungenen Firmenkonstrukten und dominanten Medien.
Inserate machen Inhalte – warum Medieneigentümer gegen Vermögenssteuern schreiben lassen
Den beiden Studien zufolge liegt das Kernproblem auf der Hand: Vermögenskonzentration. Wenige Familien und Individuen verfügen über gewaltige Vermögen, Anteile an Konzernen und vielfältige Einflusskanäle. Und zu ihrem Glück lehnen die Kommentarseiten großer Tageszeitungen Vermögenssteuern mehrheitlich ab.
Oder ist es gar nicht „Glück“, dass die meisten Medien Vermögenssteuern ablehnen? Medienexperten verweisen auf folgenden Sachverhalt: Große Konzerne und ihre Besitzer:innen – also die Superreichen des Landes – schalten Inserate in Tageszeitungen. Sie sichern so einen erheblichen Teil der Einnahmen der Medien. Die Eigentümer dieser Medien sind häufig selbst reich und lehnen deshalb Vermögenssteuern tendenziell ebenfalls ab.
Also schreiben sie oft einseitig gegen die Einführung von Vermögenssteuern. Die wirtschaftliche Abhängigkeit von Inseraten und die Eigeninteressen der Medienbesitzer beeinflussen somit die journalistische Unabhängigkeit. Das trägt dazu bei, dass wichtige gesellschaftspolitische Debatten verzerrt werden. Und so wächst der Eisberg weiter.
Michael Mazohl ist Autor und Kolumnist bei Kontrast.at. Er entwickelte im ÖGB-Verlag Kampagnen für die Arbeiterkammer, den ÖGB, die Gewerkschaften und andere Institutionen. Zudem arbeitete er als Journalist und Pressefotograf für nationale und internationale Magazine. In seinem Podcast „Hinter der Fassade“ demaskiert er Rechtspopulismus und Neoliberalismus. In der aktuellen Episode geht er der Frage nach, wie Superreiche ihre Netzwerke spinnen und welchen Bias österreichische Tageszeitungen haben. Gleich reinhören und abonnieren!
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