Österreich gibt weit mehr Geld aus, als es einnimmt, nämlich rund 20 Milliarden Euro. Deshalb fordern jetzt einige eine Schulden- bzw. Ausgabenbremse. Doch sind weniger Staatsausgaben in der aktuellen Wirtschaftskrise eine gute Idee? Kontrast hat bei drei der wichtigsten Wirtschaftsforscher des Landes nachgefragt. Ergebnis: Alle Experten in Österreich – von IHS bis Momentum & Fiskalrat – raten von einer Schuldenbremse nach deutschem Vorbild ab und befürworten stattdessen eine Erbschaftssteuer.
Die kommende Regierung hat eine Mammutaufgabe vor sich: Sie muss das Staatsbudget wieder in Ordnung bringen. Aktuell gibt Österreich jährlich rund 20 Milliarden Euro mehr aus, als es einnimmt. Gleichzeitig muss sie Österreichs Wirtschaft ankurbeln. Denn die ist 2024 bereits das zweite Jahr in Folge geschrumpft. Dagegen helfen normalerweise staatliche Investitionen. Doch wegen des hohen Defizits fordern jetzt Manche eine Schulden- bzw. Ausgabenbremse, die eben diese Investitionen verhindern würde. Was also tun? Drei der wichtigsten Wirtschafts-Experten in Österreich kritisieren die Idee einer Ausgaben- beziehungsweise einer Schuldenbremse und befürworten stattdessen eine Erbschaftssteuer.
Oliver Picek vom Momentum Institut: “Eine Ausgabenbremse verhindert notwendige Investitionen”
Oliver Picek, Chefökonom des Momentum Instituts, hält eine Schuldenbremse für keine gute Idee. Er weist darauf hin, dass Österreich großen Investitionsbedarf hat – nicht nur, um die Wirtschaft anzukurbeln, sondern auch, um die Klimaziele zu erreichen und die Infrastruktur auszubauen:
„Der Staat muss viel in Klimaschutz investieren. Etwa in Stromnetze für die Energiewende und mehr öffentliche Verkehrsmittel. Aber auch in leistbaren Wohnraum, mehr Gemeindewohnungen und den Ausbau der Kinderbetreuung. Wie soll das gehen mit einer Ausgabenbremse?“
Deutschland – wo es seit 2009 eine Schuldenbremse gibt – gleicht Picek zufolge mittlerweile einer Investitionswüste. Bahnstrecken, Autobahnen, Schulen und Verwaltungsgebäude verfallen. Wenn der Staat nicht mehr investieren kann, trifft das also in erster Linie die Bevölkerung. Das sehe man auch an Dänemark und Schweden, wo es eine gesetzliche Ausgabenbremse gibt:
“In Dänemark und Schweden funktioniert die Schuldensenkung mit Ausgabenbremse nur, indem diese Länder die Pensionen zusammenkürzen. In Dänemark beträgt das gesetzliche Pensionsantrittsalter 74 Jahre, in Schweden 70. Noch dazu bekommt man in Dänemark 10 Prozent weniger Pension als in Österreich, in Schweden sogar 20 Prozent weniger”, erklärt Picek.
Vorbild Südkorea: Steuereinnahmen bei Millionen-Erbschaften statt Kürzungen im Sozialstaat
Außerdem vergisst eine Ausgabenbremse laut Picek auf die Einnahmenseite. Nur weil der Staat ein Defizit hat, heißt das nicht, dass nur Ausgaben gekürzt werden müssen. Der Staat kann auch seine Einnahmen erhöhen – zum Beispiel mit einer Erbschaftssteuer, einer Vermögenssteuer oder höheren Steuern auf Grund und Boden.
„Südkorea hat 9,3 Milliarden Euro an Erbschaftsteuer eingenommen, als der Patriarch der Samsung Familie von uns gegangen ist, und seine Kinder einen internationalen Großkonzern geerbt haben. Es gibt keinen Grund, warum das bei uns nicht gehen sollte. In Österreich ist im gleichen Jahr der reichste Mann und die reichste Frau verstorben, die riesige Vermögen per Geburtslotterie vererbt haben. Einen Beitrag zur Allgemeinheit gab es aus diesem leistungslosen Erbe nicht.“
Fiskalrats-Chef Badelt: “Ohne einnahmenseitige Maßnahmen wird es nicht gehen”
Auch Fiskalratschef Christoph Badelt findet eine Erbschaftssteuer ökonomisch sinnvoll. Allzu große Beträge erhofft er sich daraus aber nicht. Trotzdem hält er wenig davon, nur an die Ausgaben zu denken:
„In der Realität wird es ohne einnahmenseitige Maßnahmen nicht gehen.“
Auf die Frage nach einer Schuldenbremse weist Badelt darauf hin, dass Österreich genau genommen schon eine Schuldenbremse hat. Allerdings nicht in der Verfassung wie in Deutschland, sondern als einfaches Gesetz. Somit konnte sie die Regierung bei Bedarf immer außer Kraft setzen. Badelt ist daher kein Anhänger der Schuldenbremse.
„Ich denke, es liegt in der Verantwortung der jeweiligen Regierung, ein ökonomisch sinnvolles Budget zu machen. Diese Verantwortung ist das Entscheidende, nicht eine formale Regel.“
IHS-Chef Holger Bonin zur Schuldenbremse: “Deutschland zeigt, wie man es besser nicht macht”
Holger Bonin vom Institut für höhere Studien (IHS) meint – ähnlich wie Badelt – dass es darauf ankommt, wie die Regeln in der Praxis gehandhabt werden. Ein allgemeines Urteil über Schulden- und Ausgabenbremse hält er daher für schwierig. Eine Schuldenbremse wie in Deutschland hält er jedenfalls nicht für sinnvoll:
„Probleme – Deutschland zeigt, wie man es besser nicht macht – macht eine Schuldenbremse, wenn sie zu starr angelegt wird. Erstens: Über den Konjunkturverlauf sollte es möglich sein, größere Defizite in der Rezession zu tolerieren, wenn sie durch niedrigere Defizite (oder besser noch Überschüsse) im Boom aufgefangen werden. Zweitens: Schulden, das weiß jeder private Investor, sind dann auch für die öffentliche Hand sinnvoll, wenn damit investive Ausgaben [Investitionsausgaben, Anm.] finanziert werden, die langfristig einen über der entstehenden Zinslast liegenden volkswirtschaftlichen Ertrag abwerfen. Demnach sollten investive Ausgaben ausgenommen werden.“
Ausgabenbremse würde Kürzungen bei notwendigen Gesundheits- und Pensionsausgaben bedeuten
Im Gegensatz zu einer Schuldenbremse – die dem Staat „nur“ verbietet, sich übermäßig zu verschulden – setzt eine Ausgabenbremse direkt bei den staatlichen Ausgaben an und hindert den Staat daran, mehr Geld auszugeben – zum Beispiel für Gesundheit, Bildung und öffentlichen Verkehr. Genau darin sieht IHS-Chef Bonin die Schwäche der Ausgabenbremse.
„Die Ausgaben in Österreich steigen derzeit mit hoher Dynamik auch wegen der demografischen Alterung, und da wäre es nicht gut, wenn einen eine Ausgabenbremse dazu zwingen würde, an notwendigen Gesundheits- und Pensionsausgaben zu sparen.“
Der Einführung von vermögensbezogenen Steuern wie einer Erbschaftssteuer oder der Erhöhung der Grundsteuer kann Bonin durchaus etwas abgewinnen. Laut ihm sollen vermögensbezogene Steuern aber vor allem Arbeitnehmer:innen entlasten. Denn mit den Einnahmen aus diesen Steuern könnte der Staat im Gegenzug die Lohnsteuer senken:
„Perspektivisch kann man durchaus maßvolle vermögensbezogene Steuern ins Auge fassen. Diese betrachte ich allerdings weniger als Instrument zur Haushaltssanierung, sondern als Teil einer perspektivisch anzugehenden großen Steuerstrukturreform, bei der der Faktor Arbeit im Gegenzug entlastet wird.“
Eine Schuldenbremse schädigt die Wirtschaft und zerstört Wohlstand
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