300 AUVA-Stellen werden schrittweise gestrichen, Kosten auf Krankenkassen und Beschäftigte abgewälzt – Unternehmen sparen sich Millionen an Beitragszahlungen. Das steckt hinter der „AUVA-Reform“ der Regierung.
„AUVA-Reform“ bringt Umverteilung, aber in die falsche Richtung
Die AUVA ist die größte Sozialversicherungsanstalt in Österreich. Versichert sind rund fünf Millionen Menschen, darunter Arbeitnehmer und Selbstständige, Kindergartenkinder, Schüler und Studierende. Die Regierung hat von der AUVA verlangt, 500 Millionen einzusparen. Nun werden es 430 Millionen. Es ist ein Aderlass für die Versicherungsanstalt, deren Gesamtbudget 1,4 Milliarden ausmacht. Davon sind 600 Millionen fix gebunden und werden für Renten-Leistungen verwendet.
Finanziert wird die AUVA fast ausschließlich aus Beiträgen der Dienstgeber in Österreich: Sie zahlen 1,3 Prozent der Lohnsumme als Beitrag an die AUVA.
Etwa 100 Millionen der gefordeten Summe kann die AUVA stemmen. Beim Rest wird es schwierig. Deshalb werden Kosten auf andere Stellen übergewälzt, unter anderem die Krankenkassen. Wenn die Krankenkassen mehr zahlen, heißt das schlussendlich, dass die Kosten von den Unternehmen auf die Beschäftigten in Österreich abgewälzt werden. Bei der „AUVA-Reform“ geht es also um eine Umverteilung von unten nach oben.
Hinter dem Millionen-Aderlass steckt eine alte WKÖ- und IV-Forderung
Seit 2013 fordern Wirtschaftskammer und Industriellenvereinigung, den Unfallversicherungs-Beitrag von Arbeitgebern von 1,3 Prozent auf 0,8 Prozent zu senken. Das entspricht in etwa 500 Millionen Euro weniger Einnahmen für die AUVA. Das ist über ein Drittel ihres Budgets. Profitieren würden vor allem große Unternehmen. Ein Beispiel: KTM hat in Österreich rund 4.000 Beschäftigte. Bei einem durchschnittlichen Beitragssatz von 26 Euro pro Arbeitnehmer würde ihm die Senkung von 1,3 auf 0,8 Prozent eine Ersparnis von 480.000 im Jahr bringen.
Um den Aderlass zu überstehen, wird die AUVA zu Ausgaben-Kürzungen gezwungen. Sozialminsterin Hartinger-Klein (FPÖ) hatte sogar mit einer Auflösung der AUVA gedroht, sollte die AUVA diese Kürzungen nicht erreichen.
Regierung schränkt Fürsorgepflicht der Unternehmen ein
Dass die AUVA fast ausschließlich aus den Beiträgen der Dienstgeber finanziert wird, hat gute Gründe: Unternehmer haben die Verantwortung, Arbeitsplätze sicher zu gestalten und eine Behandlung im Fall von Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten sicherzustellen. Sie haben eine sogenannte „Fürsorgepflicht“.
Bevor es die Unfallversicherungen gab, mussten Unternehmen die Kosten direkt tragen. Der Unfallversicherungs-Beitrag ist also mit einer Haftpflichtversicherung vergleichbar. Nun wird der Unfallversicherungs-Beitrags schrittweise gesenkt.
Länger arbeiten, höheres Unfall-Risiko – aber weniger Beiträge der Dienstgeber
ÖVP und FPÖ haben – gemeinsam mit den Neos – im Juli den 12-Stunden-Tag für Beschäftigte beschlossen. Er bedeutet längere Arbeitstage für Beschäftigte und damit auch ein höheres Unfall-Risiko.
Bei sehr langen Arbeitstagen wird man dreimal müder als an normalen Tagen. Und da kommt es dann auch vermehrt zu Unfällen.“ (Andrea Birbaumer, Arbeitspsychologin)
Studien zeigen: In der 12. Arbeitsstunde ist das Unfall-Risiko doppelt so hoch wie in der 8. Arbeitsstunde – es liegt bei etwa 26 Prozent.
Wenn Beschäftigte länger arbeiten müssen, profitieren die Arbeitgeber. Für die Beschäftigten bedeutet es Erschöpfung und höhere Unfall-Gefahr. Passieren Unfälle, werden die Betroffenen zwar weiterhin versorgt. An den Versorgungskosten wiederum beteiligen sich ihre Dienstgeber immer weniger.
Kürzungen bei der Verwaltung, mehr Druck auf Mitarbeiter
Ein Teil der Kürzungen soll durch Ausgaben-Kürzungen in der Verwaltung geschehen. Dabei ist der Handlungsspielraum bei der Verwaltung sehr eingeschränkt. Der jährliche Aufwand dafür beträgt 90 Millionen Euro.
In der Praxis heißt das, dass in den nächsten Jahren Stellen nicht nachbesetzt werden. Anton Ofner, Obmann der AUVA, hat angekündigt, dass von 1.550 Stellen in der AUVA-Verwaltung 300 Stellen abgebaut werden. Das betrifft also jede 5. Stelle. Für die verbleibenden AUVA-Beschäftigten bedeutet das mehr Druck: Sie müssen dann laut Erik Lenz mehr arbeiten. Lenz ist Vorsitzender des Zentralbetriebsrates der AUVA. Er und Gewerkschafts-Kollegen werden jetzt unter Druck gesetzt.
Druck auf kritische AUVA-Gewerkschafter
AUVA-Obmann Ofner hat bei einer Anwaltskanzlei um 20.000 Euro ein Gutachten in Auftrag gegeben. Darin wollte er ausloten, wie man „gegen aufmüpfige Arbeitnehmervertreter vorgehen könnte“. Gegen einen Kollegen von Lenz wird eine Anzeige vorbereitet, auch Lenz soll das Gutachten einschüchtern. Lenz will sich aber nicht mundtot machen lassen. Er bezeichnet das Gutachten als „Frechheit“.
„Die Belegschaftsvertretung lässt sich nicht einschüchtern.“ (Erik Lenz, Vorsitzender des AUVA-Zentralbetriebsrats)
Pressekonferenz, ohne Betroffene der AUVA zu informieren
Die Sozialministerin hat auf einer Pressekonferenz am 13. August 2018 die Öffentlichkeit vor vollendete Tatsachen gestellt. Weder die Arbeitgeber- noch die Arbeitnehmer-Seite wurde im Vorfeld über die Ankündigungen der Sozialministerin informiert. Das Datum ist nicht zufällig gewählt: Es ist der Tag, an dem Beschäftigte der AUVA gegen die massiven Kürzungen protestieren.
Einrichtung einer GmbH der AUVA birgt Gefahren
Laut Presseunterlage wird eine GmbH eingerichtet. Sie soll eine 100-prozentige Tochter der AUVA sein. Wer dort künftig sitzt und Entscheidungen trifft, ist noch offen. Außerdem ist nicht gesichert, dass eine Privatisierung vom Tisch ist: Denn selbst wenn Unfall-Krankenhäuser und Rehabilitationszentren im Eigentum der AUVA bleiben, könnten mit der Betriebsführung auch private Einrichtungen betraut werden.
Eine GmbH bedeutet auch, dass Entscheidungen nicht mehr durch die Selbstverwaltung, sondern durch eine Geschäftsführung getroffen werden. Diese handelt und entscheidet danach, was sich finanziell rentiert. Beispielsweise könnte sich die Geschäftsführung anschauen, was die teuersten Operationen sind und beschließen, diese nicht mehr durchzuführen. Oder die Zahl der Betten in Krankenhäusern reduzieren. Für Beschäftigte besteht die Gefahr, dass sich ihre Verträge zu ihrem Nachteil ändern.
Mehr Unsicherheit für 250.000 kleine Unternehmen
In Österreich gibt es etwa 250.000 kleine und mittlere Unternehmen. Sie haben von den niedrigeren AUVA-Beiträgen so gut wie nichts. Bei einer Senkung auf 0,8 Prozent – wie im Regierungsprogramm vorgesehen – erspart sich ein Tischler-Betrieb mit 2 Angestellten und 7 Arbeitern im Jahr gerade einmal 1.400 Euro. Tatsächlich könnten KMUs bei dieser “Reform” sogar draufzahlen: Derzeit übernimmt die AUVA die Entgeltfortzahlung, wenn Beschäftigte dieser Unternehmen im Krankenstand sind. Konkret übernimmt die AUVA ab dem 11. bis zum 42. Tag des Krankenstandes bei Unternehmen mit bis zu 50 Beschäftigten die Hälfte und bei Unternehmen mit bis zu 10 Beschäftigten sogar 75 Prozent der Kosten. Das sind in Summe 97 Prozent der Betriebe in Österreich. Die jährlichen Kosten dafür belaufen sich auf 120 Millionen. Wer sie künftig übernimmt, ist ungeklärt.
Unklarheit bei Kosten für Freizeit-Unfälle
Interviews mit Journalisten gab es nach der Pressekonferenz keine. Dabei gibt es einige Fragen, die einer Antwort bedürfen. Beispielsweise, wie künftig die Kosten für Unfälle in der Freizeit bezahlt werden. Laut Ofner zahlen die Bundesländer der AUVA um 150 Millionen Euro zu wenig für diese Versorgung. Ob es hier ein Lösung geben wird, ist weiterhin nicht geklärt.
Zum Weiterlesen
AUVA-Kürzungen: „Ohne Leistungen zu kürzen sind die Einsparung nicht schaffbar.“ (Kontrast)
Hartinger-Klein wollte AUVA-Generaldirektorin werden, jetzt kürzt sie genau dort (Kontrast)
Hartinger-Klein ist frustriert, weil sie damals in der AUVA nicht das Rennen gemacht hat.
Und Kurz brauchte noch Geschenke für seine Großsponsoren KTM, ANDRITZ & Co.
Wie hieß es doch gleich: es wird keine Leistungskürzungen geben …
….zynische Übersetzung unserer blaunen Regierung: aber ihr müsst Euch die Leistungen jetzt selbst zahlen.
Ich erwarte mir MASSIVE Streikmaßnahmen von Seiten der AUVA!!!
Nicht bloßes Zetterlverteilen!!!
Hartinger-Klein kennt den Wert unseres Geldes nicht und die oben genannten Geldsäcke werden ihren Kragen nie voll bekommen!
Bitte liebe WählerInnen, das und vieles andere nicht vergessen bis zur nächsten Wahl!
Diese Leute diktieren ganz in faschistischer Manier von oben herab ohne je mit Arbeitnehmer oder Beitragszahler zu verhandeln, dann das sind ja keine “Leistungsträger”, sondern nur Menschen zweiter oder dritter Klasse. Nein, es sind sogar Schweine = Schweinespeck, nein, ups – “Verwaltungsspeck” nennt man das. Das sind keine Menschen mehr für diese Leute. Und der gesamte Staat gehört nunmehr IHNEN. Wie blöd muss man als Wähler eigentlich sein, diese unchristlichen arroganten Egoisten zu wählen?????
Die Industriellenvereinigung und die großen Betriebe in Österreich können jetzt jubeln, aber als einzige. Die Klein- und Mittelbetriebe haben von dieser Kostenersparnis fast nichts, außer längere Rehazeiten ihrer Arbeiter, denn die Grundversorgung und Reha wird auch nicht mehr die gleiche sein. Jeder einzelne sonst wird es spüren, z. B. müssen jetzt die Gebietskrankenkassen mehr an die AUVA für die Freizeitunfälle zahlen. Es wird ja gar nichts eingespart, sondern einfach Arbeitgeberkosten auf die Arbeitnehmer abgeschoben. Das heißt, es wird umverteilt von unten nach oben, damit sich der eine oder andere Seegrund auch noch ausgeht, sh. z. B. den Wörthersee, wo seit Jahren die schönsten Gründe von den Kärntner Industriellen aufgekauft werden.