2020 war durchwachsen. Die Corona-Pandemie gesellte sich zu Problemen, mit denen die Welt schon länger zu kämpfen hat. Doch es wurde nicht alles schlechter – dafür sorgten auch diese 20 inspirierenden Frauen. Sie haben Länder regiert, gegen Ungerechtigkeiten gekämpft, Karl-Heinz Grasser verurteilt, Bestseller und Hits geschrieben, autoritäre Regime ins Wanken gebracht und Impfstoffe entwickelt.
Özlem Türeci
Die Onkologin führt zusammen mit ihrem Mann Ugur Sahin die Pharma-Firma BioNtech. Zusammen mit der US-Firma Pfizer brachten das Paar mit türkischen Wurzeln die erste zugelassen Corona-Impfung auf den Markt.
Gemeinsam mit ihrem Ehemann, dessen Vater bei einem Autohersteller in Köln arbeitete, gründete sie die Pharma-Firma BioNtech. Nach eigenen Aussagen wollten sie flexibler forschen können, als es die universitäre Wissenschaft zulässt. Bis 2020 arbeiteten sie an der Krebs-Forschung, als sie im Jänner ein Paper über eine neuartige Lungenwegs-Erkrankung in China lasen. Sie stellten in Windeseile von Krebs- auf COVID-Forschung um. Sahin sagt, dass es sich dabei um eine humanitäre Entscheidung handelte: Sie wollen eine Impfung herstellen, die für die ganze Welt verfügbar ist. Die Verträge mit den Industrie-Staaten der Welt, die sich große Mengen des Impfstoffs vorreservierten, lassen auf ein anderes Ergebnis schließen.
Jacinda Ardern
Neuseeland hat weltweit eine der geringsten Corona-Todesraten. Es war das erste Land, das – zumindest zwischenzeitlich – virusfrei war. Die Bevölkerung ist zufrieden mit dem Management von der Premierministerin. Die Premierministerin Jacinda Ardern wurde 2020 in ihre zweite Amtsperiode gewählt – und zwar mit absoluter Mehrheit.
Die Sozialdemokratin setzte neue Schritte in der Führung des Landes. Sie löste eines ihrer wichtigsten Wahlversprechen ein und führte ein Lebensqualität-Budget ein. Damit stellt sie soziale Gerechtigkeit und Umweltschutz auf dieselbe Stufe wie den wirtschaftlichen Erfolg und das BIP-Wachstum Neuseelands.
Außerdem verbot sie ausländischen Spekulanten den Kauf von Bestandsimmobilien. So dämmt sie die Wohnpreise ein – mit Erfolg. Obwohl ihre Anstrengungen schon erste Früchte tragen, gibt sich Jacinda Ardern nicht mit ihren Erfolgen zufrieden. Sie sieht die Probleme ihres Landes und nennt sie beim Namen: Obdachlosigkeit und eine hohe Selbstmordrate bei Jugendlichen sind ihr ein Dorn im Auge.
Jedes Regierungsvorhaben muss deswegen in Zukunft dem gesellschaftlichen Wohlbefinden und nicht (nur) dem wirtschaftlichen Wachstum nutzen. Erst dann wird das Budget für ein Projekt freigegeben.
Kamala Harris
Im Jahr 2017 wurde Kamala Harris sowohl die erste südasiatisch-amerikanische als auch die zweite afroamerikanische Senatorin der USA. Nun ist Harris die erste Person of Color und die erste Frau, die das Amt der Vizepräsidentin bekleidet.
Harris ist die Tochter einer Krebsforscherin aus Indien und eines Wirtschaftsprofessors aus Jamaika, die sich während des Studiums in Berkeley kennenlernten. Über ihre Eltern sagt sie: “Der Grund, warum ich mich ganz bewusst dafür entschieden habe, Staatsanwältin zu werden, ist, dass ich das Kind von Menschen bin, die, wie heute wieder, auf den Straßen für Gerechtigkeit marschierten und sie laut einforderten.”
Kamala Harris ist zwar eine solide linksliberale Politikerin, aber sie ist keine sozialistische Kämpferin, urteilen politische Beobachter. Sie setzt sich für die landesweite Legalisierung von Marihuana und die Entkriminalisierung von Prostitution ein. Gemeinsam mit Alexandria Ocasio-Cortez stellte sie den Green New Deal zur Bekämpfung der Klimakrise vor.
Als Leiterin der Strafverfolgungsbehörden in ihrem Heimatstaat Kalifornien engagierte sie sich für eine verstärkte Waffenkontrolle, die Gleichstellung gleichgeschlechtlicher Ehen und gegen die Todesstrafe. In ihrer damaligen Position griff sie für die Bekämpfung von Schulverweigerern und Bandenkriminalität zu harten Mitteln. Sie verhängte Strafen gegen die Eltern der Schulschwänzer, mehrere Haftstrafen wurden verhängt. Obwohl die Bandenkriminalität zurückging, distanzierte sie sich später von dem Gesetz.
Sanna Marin
Sanna Marin steht seit 2019 als Premierministerin an der an der Spitze der finnischen Regierung, die aus fünf Parteien besteht. Alle fünf Regierungsparteien werden übrigens von Frauen geführt. Vier der fünf Spitzenpolitikerinnen waren bei der Angelobung unter 35. Die Sozialdemokratin ist nicht nur die erste Akademikerin, sondern auch die erste Maturantin in ihrer Familie. Das hat sie dem finnischen Sozialstaat zu verdanken, wie sie stets selbst betont. Als Tochter einer alleinerziehenden Mutter kennt sie die finanziellen Sorgen einer Arbeiter-Familie und spricht offen darüber. Sie forderte bereits 2018 die 4-Tage-Woche und den 6-Stunden-Tag.
Im Kampf gegen Corona ist Finnland besonders erfolgreich: Nicht nur in der ersten Welle konnte das Land unter Marins Leitung niedrige Zahlen verzeichnen. Auch im Herbst entgingen die Finnen einem Lockdown. Der Grund: Durch schnelle Reaktionen konnte das Virus im Sommer fast ausgerottet werden, so die Johns-Hopkins-Universität. Ein akuter Ausbau der Testkapazitäten und der Kontakt-Nachverfolgung, die in Österreich im Herbst zusammenbrach, sicherte den Wellenbrecher. Der Schlüssel zum Erfolg sind laut den Wissenschaftern klare Richtlinien und die Bereitschaft der Bevölkerung, diesen zu folgen. Marin baute auf aktive Kommunikation und setzte dafür auch Social Media-Influencer ein.
Tsai Ing-wen
Einen völlig anderen Weg als Marin ging in der Corona-Krise Tsai Ing-wen. Das erste weibliche, unverheiratete Staatsoberhaupt von Taiwan wurde 2016 ins Amt und 2020 wiedergewählt. Ihr Wahlsieg wird als Zurückweisung Chinas gesehen, das den Inselstaat fester an sich binden will. Denn Tsai pflegt verstärkt Beziehungen zu den USA und das sorgt so für Spannungen mit China. Gleichzeitig stärkt sie die wirtschaftliche Selbstständigkeit durch Investitionen in Biotechnologie und grüne Energie.
Durch die Pandemie kam Taiwan trotz der geografischen Nähe zu China und den 404.000 Pendlern gut. Obwohl die amerikanische Johns-Hopkins-Universität noch im Jänner die meisten Corona-Importe aus China prognostizierte, konnte die Insel das Virus besiegen – mit umstrittenen Mitteln. Seit Monaten gibt es offiziell keine Corona-Fälle mehr in dem dicht besiedelten 24 Millionen Einwohner-Land. Anstatt zum Lockdown griff Tsai zu einem rigorosen Tracking- und Überwachungssystem und rigiden Einreise-Bestimmungen.
Vandana Shiva
Die indische Wissenschaftlerin und Aktivistin Vandana Shiva steht für soziale Gerechtigkeit und kompromisslose Nachhaltigkeit. Weltweite Aufmerksamkeit bekam die Preisträgerin des Alternativen Nobelpreises für ihren Kampf gegen Konzerne wie Monsanto und Nestlé. Vandana Shiva kämpft nicht nur für freies Saatgut. Sie kritisiert die Macht der Konzerne, die Konzentration von Reichtum und kämpft für ein besseres Zusammenleben.
Im Jänner 2020 hielt sie die Eröffnungsrede der Lessing-Tage am Thaliatheater und erinnerte daran, dass „alle Menschen es in der Hand haben, den Lauf der Welt zu ändern.“
Nicola Sturgeon
“Dass die britische Regierung entschlossen scheint, einen EU-Ausstieg ohne Abkommen voranzutreiben, wäre schon in normalen Zeiten töricht; inmitten einer globalen Pandemie ist es vollkommen verantwortungslos”, kritisiert Schottlands Premier Nicola Sturgeon ihren Amtskollegen Boris Johnson offen. Und weiter: Da die Regierung in London entschlossen sei, “Konsens und Solidarität den Rücken zu kehren”, brauche Schottland “einen alternativen Weg nach vorn”.
Die Tochter eines Ingenieurs und einer Politikerin studierte Recht in Glasgow, was nicht möglich gewesen wäre, hätte es damals Studiengebühren gegeben, wie sie später sagte. In die Politik ging sie, nachdem die Sozialdemokratie in Schottland keine Chance gegen Margaret Thatcher hatte. Einerseits zeigte Sturgeon ihr Beispiel, dass Frauen erfolgreich Politik machen können, andererseits lehnte sie ihre Inhalte ab. So schloss sie sich der separatistische, linksliberalen Scottish National Party an.
Die schottische Premierministerin kämpft schon lange für ein unabhängiges Schottland. Bei dem EU-Mitgliedschaftsreferendum 2016 sprachen sich Schottland und Nordirland im Gegensatz zu England und Wales mit klarer Mehrheit für die EU aus. In Schottland stimmten alle Wahlkreise geschlossen für Remain. Zwei Jahre zuvor stimmten die Schotten auch für einen Verbleib im Vereinten Königreich. Seit der Brexit-Abstimmung kämpft Sturgeon für ein erneutes Unabhängigkeitsreferendum: Doch London muss dem Referendum zustimmen – und hat das bisher nicht getan.
Doch Nicola Sturgeon will sich von Boris Johnson nicht aufhalten lassen. Sie ist sicher, dass ihre Landleute bei einer erneuten Abstimmung gegen Großbritannien und für die EU stimmen würden. Man könne die Schotten nicht gegen ihren Willen aus der EU zwingen. Wenn nötig, will sie auch vor Gericht ziehen. Einen Beitritt Schottlands zur EU sieht sie problemlos: „Schottland kommt nach Hause, das ist kein neuer Anfang.“
Ruth Bader Ginsburg
Geboren als Joan Ruth Bader am 15. März 1933 in Brooklyn, New York war Bader Ginsburg im Jahr 1956 eine von neun Frauen an der Eliteuniversität Harvard und zählte zu den Besten ihres Jahrgangs.
1993 setzte der damalige demokratische US-Präsident Bill Clinton die Juristin als beisitzende Richterin am Supreme Court der Vereinigten Staaten ein. Sie galt dort als links-liberale Vertreterin und war später eines der Symbole des Trump-Widerstands und lange zuvor bereits eine Ikone der Frauenbewegung. Bekannt wurde sie dabei auch für ihre dekorativen Krägen, die Ginsburg über der Robe trug. Damit bezeugte sie ihre Anschauungen zu gewissen Entscheidungen ihres Gerichts oder politischen Auseinandersetzungen. Wenn sie mit einem Spruch des Gerichts nicht einverstanden war, trug sie etwa den „Dissent Collar“, eine schwarz-gold glitzernde Kette aus langen, spitzen Perlen von “Banana Republic”. Diesen trugt sie auch am Tag des Wahlsieges von Donald Trump 2016.
“Kämpfe für die Dinge, die dir wichtig sind. Aber kämpfe so, dass sich dir andere anschließen wollen!”
Mit der bekannten Aussage wird Ruth Bader Ginsburg gern zitiert und sie selbst hat sie gelebt. Die am 18. September 2020 in Washington verstorbene Bader Ginsburg war und blieb Inspiration für viele junge Frauen in den USA.
Ou Hongyi
Sie gilt als die “chinesische Greta”: Bevor sie der Schule verwiesen wurde, machte sie in den Klassen die Klimaanlagen und das Licht aus und verteilte Zettel im Schulgebäude, auf denen sie von der bedrohten Arktis, dem schmelzendem Eis und aussterbenden Eisbären schrieb. Sie organisierte Klimastreiks und malte Schilder, auf denen “Systemwandel statt Klimawandel” steht – im autoritären China grenzt das an eine Straftat.
Als sie 2019 von der Fridays for Future-Bewegung hörte, war sie enttäuscht, dass es keine Aktionen in China gab. Also organisierte sie einen eigenen Schulstreik in ihrer Heimatstadt Guilin. Nach sechs Tagen wurde sie von der Polizei mitgenommen und verhört, ihre Eltern wurden aufgefordert, sie zum Aufhören zu bewegen. Die 18-Jährige Tochter von Wissenschaftern will sich nicht einschüchtern lassen. Vor dem Gefängnis hat sie keine Angst, sagt sie internationalen Medien in Telefon-Interviews. Seit ihrem Engagement hat die digitale Fridays for Future-Weltkarte einen Punkt bei Guilin. Seit ihrem ersten Protest sind noch einige andere Punkte aufgetaucht, etwa in Nanjing und Shanghai.
Marion Hohenecker
Sie hat Ex-Finanzminister Karl-Heinz Grasser (FPÖ/ÖVP) wegen Untreue und Geschenkannahme durch Beamte sowie Beweismittel-Fälschung zu acht Jahren Freiheitsstrafe verurteilt. Richterin Marion Hohenecker hat als Vorsitzende des Schöffensenats den Buwog-Prozess gegen Ex-Finanzminister Karl-Heinz Grasser und 14 weitere Angeklagte geleitet. Fast drei Jahre lang wurden die Korruptionsvorwürfe aufgeklärt. Die 39-Jährige gilt als akribisch – sie besserte im Prozess sogar Karl-Heinz-Grasser aus, als der sein Hochzeitsdatum falsch angab. Attackierten die Verteidiger die Richterin während des Prozesses sie noch für angebliche Befangenheit, musste sich sogar Grasser zwischenzeitlich einsichtig zeigen, als er sich (wohl nicht ganz ohne Kalkül) für ihre Sorgfalt bedankte.
Auch wenn er nach seiner Verurteilung die Strategie wieder änderte und das ganz Justiz-System samt Richterin der Befangenheit bezichtigte, sind sich Beobachter einig: In 168 Verhandlungstagen verlor Hohenecker nicht die Kontrolle über den Jahrhundertprozess.
Anika Chebrolu
Die 14-jährige Schülerin gewann einen 3M-Wissenschaftspreis für junge Forscher – mit nichts weniger als einer Entdeckung, die ein Heilmittel gegen Corona ermöglichen könnte. Anika Chebrolu aus Frisco, Texas gewann den mit 25.000 Dollar dotierten Preis, nachdem sie eine computerbasierte Methode entwickelte, um ein Molekül zu entdecken, das an das Bindungsprotein des SARS-CoV-2-Virus bindet. Im Gespräch mit der Süddeutschen Zeitung erklärt sie es selbst:
“Ich habe ein Molekül entdeckt, das als potenziell antivirales Mittel gegen SARS-CoV-2 eingesetzt werden kann. Das Molekül habe ich aus etwa 698 Millionen Komponenten identifiziert. Es bindet sich an das Spike-Protein des SARS-CoV-2-Virus. Durch die Bindung verändert es die Form des Proteins, und damit kann das Protein nicht mehr richtig funktionieren. Das Spike-Protein würde normalerweise in Gastzellen eindringen, und durch das Bindemolekül wäre das Virus nicht mehr in der Lage, in Zellen einzudringen und sie zu infizieren”, so die junge Forscherin.
Billie Eilish
2020 gewann die US-amerikanische Singer-Songwriterin fünf Grammys bei sechs Nominierungen, davon die vier Hauptkategorien des renommierten Musikpreises. Im selben Jahr ist die 19-Jährige zum zweiten Mal in Folge die meistgehörte Künstlerin beim Musikstreaming-Marktführer Spotify. 2020 steuerte sie den Song “No Time To Die” als jüngste Interpretin aller Zeiten zu einem James Bond-Soundtrack bei.
Eilish begann bereits mit elf, selbst zu komponieren. Mit 15 Jahren quasi aus Versehen berühmt, nachdem sie zu Übungszwecken das Lied “Ocean Eyes” für ihren Tanzlehrer online gestellt hatte. Die Tochter aus einer irischen Künstler-Familie sprengt mit ihrer Musik die Grenzen der herkömmlichen Genres. Zu ihren Markenzeichen gehören neben unangepassten Haarfarben weite Kleider. In einem Promo-Video für Calvin Klein sagte sie dazu:
„Ich möchte, dass die Welt niemals alles über mich weiß. Niemand kann sich eine Meinung bilden. Niemand kann sagen: ‚Sie hat einen flachen Hintern, sie hat einen fetten Arsch!’”
Mit ihrem unangepassten Stil und ihrem offenen Umgang mit ihrer psychischen Gesundheit – Eilish leidet sowohl unter Tourette als auch zeitweise unter Depressionen – bricht sie konventionelle Business-Grenzen.
Nasrin Sotoudeh
Die iranische Anwältin Nasrin Sotoudeh vertrat mehrere Frauen vor Gericht, die gegen den Kopftuch-Zwang im Iran protestierten. In dem autokratisch regierten Staat müssen Mädchen ab neun Jahren in der Öffentlichkeit neben einem Kopftuch einen weißen Mantel tragen, der die Körperkonturen verhüllen soll.
2010 wurde sie das erste Mal inhaftiert, nach internationalen Protesten drei Jahre später wieder aus der Haft entlassen. 2019 wurde Sotoudeh erneut mit einer Gefängnisstrafe belangt. Der offizielle Grund des Regimes: Verschwörung zur Gefährdung der nationalen Sicherheit, Anstiftung zu Korruption und Prostitution, Auftreten in der Öffentlichkeit ohne Kopftuch, Störung der öffentlichen Ordnung und Aufwiegeln der öffentlichen Meinung.
Dieses Jahr war sie unter den Preisträgerinnen für den alternativen Nobelpreis. Sotoudeh wurde für ihr “furchtloses Engagement, unter hohem persönlichem Risiko, zur Förderung politischer Freiheiten und der Menschenrechte im Iran” geehrt. Den Preis konnte sie allerdings nicht persönlich entgegennehmen. Nachdem sich im November der Gesundheitszustand der 57-Jährigen nach 50 Tagen im Hungerstreik akut verschlechterte, bekam sie Hafturlaub gewährt. Am 3. Dezember, dem Tag der Preisverleihung, musste sie ins Gefängnis zurückkehren.
Lotti Cunningham Wren
Neben Nasrin Sotoudeh ist Cunningham die zweite Preisträgerin des alternativen Nobelpreises 2020. Die nicaraguanische Rechtsanwältin aus der Volksgruppe der Miskito verteidigt das Land der indigenen Bevölkerung. Durch die Vergabe von Eigentumsurkunden für indigenes Land in Nicaragua hat sie so maßgeblich zum Schutz der Menschen vor bewaffneten Siedlern beigetragen. Neben ihrem Einsatz für Landrechte hält sie Menschenrechts-Schulungen für Jugendliche und engagiert sich für Rechte indigener Frauen und gegen häusliche Gewalt.
Der alternative Nobelpreis wird ihr “für ihren unermüdlichen Einsatz für den Schutz des indigenen Landes und der indigenen Gemeinschaften vor Ausbeutung und Plünderung” verliehen.
Chimamanda Ngozi Adichie
2007 gewann die nigerianische Schriftstellerin den renommierten britischen Literaturpreis “Women’s prize for Fiction” für ihren Roman “Die Hälfte der Sonne”. 2020 gewann sie den “Winner of Winners”-Publikumspreis, der den Sieger-Roman als den besten der letzten 25 Jahre kürt. Bereits 2015 wurde der gleiche Roman gemeinsam mit dem 2015 erschienen “Americanah” von der BBC-Auswahl zu den 20 bedeutendsten literarischen Werken dieses Jahrhunderts gewählt.
Berühmt wurde sie nicht nur durch ihr literarisches Oeuvre, sondern auch durch ihren TEDxtalk “We should All be Feminists” (“Wir sollten alle FeministInnen sein”). In der viral gewordenen Rede aus dem Jahr 2012 sagt sie: “Wir lehren den Mädchen, dass sie ehrgeizig sein sollen, aber nicht zu sehr, dass sie erfolgreich sein sollen, aber nicht zu erfolgreich, sonst bedrohen sie die Männer.” Die Autorin fordert darin alle auf, anzufangen zu träumen und eine andere, fairere Welt zu planen – mit glücklicheren Männern und Frauen, die sich selbst treu sind.
Der Titel ging in die Popkultur ein. So trug ihn Rihanna als Slogan auf einem T-Shirt. Beyoncé zitierte die Rede in ihrem Lied ***Flawless: „FeministIn: Eine Person, die an die politische, soziale und wirtschaftliche Gleichheit der Geschlechter glaubt.
Sarah McBride
Die 30-Jährige Sarah McBride wurde mit einer Mehrheit von 73 Prozent der Stimmen ins Parlament des Bundesstaates Delaware gewählt und ist somit die erste transidente Bundesstaats-Senatorin der USA. Die Politikerin setzt sich für eine sozial gerechte Gesundheitspolitik, bezahlten Krankenstand und die Rechte queerer Menschen ein.
Nach ihrem großen Wahlerfolg veröffentlichte McBride auf Twitter eine Danksagung an alle Menschen, die sie gewählt haben: „Ich hoffe, die heutige Nacht zeigt Trans-Kindern, dass unsere Demokratie auch für sie groß genug ist.“
Cardi B
Belcalis Marlenis Almanzar ist als Tochter einer trinidadischen Mutter und eines dominikanischen Vaters. Sie wuchs im armen Stadtviertel Bronx in New York auf. Heute gehört die Rapperin zu den einflussreichsten Musikerinnen der Welt. Als Teenager arbeitete sie im Supermarkt, bevor sie Stripperin wurde.
“Ich schäme mich nicht dafür. Ich hab viel gelernt, über Menschen und Männer, über Leidenschaft und Ehrgeiz”, sagt Cardi B später über ihren Job.
Seit ihrem Durchbruch 2018 setzt sich Cardi B für die Gleichstellung und die Selbstermächtigung von Frauen und Sexarbeiterinnen ein. 2020 traf sie mit ihrem Track “Wet Ass Pussy” nicht nur einen Superhit – W.A.P ist der meistgestreamte Song binnen der ersten Woche nach Erscheinen – sondern auch einen Nerv. Konservative wie Gangsterrapper echauffierten sich gleichermaßen über die expliziten Texte (spätestens bei der Aufforderung “Park deinen großen Truck genau in diese kleine Garage” dürfte allen klar sein, was Sache ist). Doch Cardi B setzt mit ihren offenen Nummern voll auf sexuelle Selbstbestimmung. Während ihre männlichen Kollegen seit Jahren auf explizite Texte und übersexualisierte (schwarze) Frauen setzen, hält Cardi B als Kopf einer Bewegung weiblicher Rapperinnen dagegen, die das Feld der besungenen sexuellen Lust nicht länger den Männern überlassen will.
Doch Cardi B nutzt nicht nur ihre Reichweite, um auf Zielgruppen-adäquate Weise politische Themen wie Polizeigewalt und Black Lives Matter anzusprechen. Sie unterstützte 2016 Bernie Sanders und schaffte sogar das Thema soziale Absicherung von alten Menschen – nicht gerade ein Quotenschlager – aufs politische Tapet zu bringen. 2020 kündigte die Rapperin an, in die Politik gehen zu wollen. Wir dürfen gespannt sein.
Cardi B is right. If we are really going to make America great we need to strengthen Social Security so that seniors are able to retire with the dignity they deserve. https://t.co/B8cOkoOdLc
— Bernie Sanders (@SenSanders) April 18, 2018
Svyatlana Tsikhanouskaya
Die belarussische Oppositionsführerin floh nach der Wahl in ihrem Heimatland ins Exil in Polen. Sie kandidierte anstelle ihres Ehemannes, dem Video-Blogger Syarhey Tsikhanouski, der nicht als Präsidentschaftskandidat zugelassen – und stattdessen inhaftiert wurde.
Nach den Wahlen, zu deren Sieger sich Machthaber Lukashenko erklärte, floh Tsikhanouskaya zuerst nach Litauen und dann nach Polen, von dort aus gründete sie einen Koordinierungsrat zu Verhandlungen mit Lukashenko. Nach eigenen Angaben gewann sie die Präsidentschaftswahl mit 60 bis 70 Prozent der Stimmen. Die EU erkennt ihren Koordinierungsrat und sie als offizielle Vertretung des Landes an.
Belarus wird seit 1994 von Machthaber Alexander Lukashenko mit eiserner Hand regiert und gilt als die letzte Diktatur Europas. Die Gesundheitsversorgung ist mangelhaft, die Menschen können sich die Lebensmittelpreise auf europäischen Niveau nicht leisten, Korruption blüht. Das Ziel der Opposition: Ein Ende der Polizeigewalt, die Freilassung politischer Gefangener und freie Wahlen.
Fallon Sherrock
Unter dem Spitznamen “Queen of the Palace” gelangte Fallon Sherrock Berühmtheit. Die Britin ist die erste Frau, die bei der Profi-Dart-Weltmeisterschaft gegen einen Mann gewann. Im männerdominierten Bar-Sport haben es Frauen oft schwerer, berichtete die frischgebackene Weltmeisterin 2019/20: “Es gibt Spielerinnen, die so spielen können wie ich – oder sogar besser”, sagte die gelernte Friseurin. Und weiter:
“Wir müssen nur die Chancen haben, uns zu beweisen. Dieser Sieg wird uns helfen. Sie können jetzt nichts mehr sagen, weil wir die Männer besiegt haben.”
Die heute 26-Jährige nahm an jeder Meisterschaft der British Darts Organisation seit 2014 teil und stand bereits 2015 einmal im Frauen-Finale. Die gemischte Darts-Weltmeisterschaft 2021 findet allerdings ohne Sherrock statt: Sie konnte sich 2020 nicht wieder qualifizieren.
“Ich habe bewiesen, dass wir nicht nur mit den Männern mitspielen, sondern sie sogar schlagen können!”, freut sich Sherrock, die einen der zwei für Frauen reservierten Qualifikationsplätze in der WM ergatterte.
Im Turnier selbst half diese Wild-Card allerdings nicht, betonte Darts-Chef Barry Hearn. Aber es ginge nicht nur um Prestige, sondern auch um viel Geld: “Wenn die Frauen das Level der Männer erreichen, können sie eine Menge Geld verdienen“, sagte Hearn der Deutschen Presse-Agentur in London.
Confederação Brasileira de Futebol
Brasilien folgt damit einigen wenigen Ländern, die ihre Damen- und Herren-Teams gleich bezahlen. Ähnliche Regeln gelten in Norwegen, Neuseeland und Australien. Weltweit verdienen Fußballerinnen – trotz Gleichbehandlungsgesetzen – nach wie vor weitaus weniger. 2018 schüttete die FIFA bei der WM-Endrunde der Männer 353,6 Millionen Euro an Prämien aus, bei der Frauen-WM 2019 war es nicht einmal ein Zehntel. 2017 verdienten 1700 Spielerinnen aus den besten sieben Ligen der Welt zusammen so viel wie Neymar bei Paris Saint-Germain in einem Jahr alleine: 36,8 Millionen Euro, berichtet der Standard.
Bitte, wo bleibt die ROSA LUXEMBURG? Sie ist auch eine KÄMPFERIN!!Die Radikalität mit der sie auf der Verbindung von politischer Freiheit und sozialer Gleichheit bestand, haben bis heute an Strahlkraft nichts verloren. „Wie wenige ihrer Zeitgenossinnen hat Luxemburg mit großer Deutlichkeit
formuliert, dass Gewalt das Lebenselement des Kapitalismus ist und nicht bloß eine seiner Geburtswehen, wie Karl Marx noch annahm. Vielmehr handelt es sich dabei insofern um eine Überlebensfrage, als die Existenz der kapitalistischen Produktionsweise davon abhängig ist
ständig neue nicht-kapitalistische Produktionsbereiche unter seine Herrschaft zu bringen und Naturschätze und Arbeitskräfte im globalen Maßstab ausbeuten zu können.“ So Hilde Grammel in ihrere Einordnung des Lebens und Wirkens Rosa Luxemburgs aus feministischer Perspektive unter dem Titel … denn der
»Ich war, ich bin, ich werde sein« – dies attestierte Rosa Luxemburg der sozialistischen Revolution in ihrem letzten Aufruf an das deutsche Proletariat vor ihrer Ermordung 1919.
Dasselbe könnte man auch von ihr selbst behaupten, angesichts der breiten Rezeption, die sie und ihr Leben auch über 100 Jahre später noch erfahren.“