Sie ist aktuell eine der gefragtesten Ökonom:innen weltweit: Isabella Weber ist Expertin für Preisentwicklung und Inflation – und gilt als “Erfinderin” des Gaspreisdeckels. Für ihre Arbeit wurde sie unter anderem mit dem Kurt-Rothschild-Preis ausgezeichnet. Wir durften Isabella Weber zum Interview treffen und haben mit ihr über die Folgen von Preisschocks, die Handlungsspielräume von Unternehmen und die Versäumnisse der Politik gesprochen. Sowie darüber, wie wir die nächsten Preisschocks, die kommen, besser bewältigen können.
Kontrast.at: Frau Weber, Österreich ist seit Monaten trauriger Spitzenreiter bei der Inflation in Westeuropa. Wir spüren die hohen Preise sehr stark beim Supermarkt-Einkauf. Vergleicht man Preise derselben Produkte mit jenen in Deutschland, fällt einem die Kinnlade herunter. Woher kommt das? Schrauben die Supermärkte bei uns die Preise übertrieben in die Höhe oder was ist die Ursache?
Isabella Weber: Es ist nicht so, dass Unternehmen – wie etwa Supermarktketten – über Nacht gieriger geworden sind oder Ähnliches. Diese Preiserhöhungen sind schlicht Teil einer kapitalistischen Marktwirtschaft, in der Unternehmen nunmal Profite haben wollen. Und das heißt auch, dass diese Unternehmen jede sich bietende Gelegenheit nutzen, um dieses Ziel zu erreichen. Insofern haben wir es nicht mit einem plötzlich veränderten Mindset oder ähnlichem zu tun. Stattdessen haben wir externe Schocks, Preisschocks erlebt, die durch die Pandemie und die Energiekrise entstanden sind.
Es waren die Preis-Schocks in systemrelevanten Bereichen, die die Teuerung allgemein befeuert haben
Jetzt könnte man sagen: Krisen gab es in irgendeiner Form aber auch in den Jahren davor. Warum ist jetzt die Inflation – vor allem bei uns – so in die Höhe geschnellt und hoch geblieben?
Isabella Weber: Wir haben etwa 20 Jahre lang eine hohe Preisstabilität erlebt. Das war fast außergewöhnlich. Es war ja eine Zeit, in die die Finanzkrise 2008/09 hineingefallen ist. Es gab große Konjunkturpakete und eine lockere Geldpolitik. Trotzdem sind die Preise relativ stabil geblieben und jetzt ist auf einmal diese hohe Inflation da. Warum? Meine Erkenntnis ist, dass es große Preisschocks in systemrelevanten Bereichen gab, die auf andere Bereiche gewirkt haben. Also ganz wichtig natürlich der Energiebereich, aber auch Bereiche wie Rohmaterialien, Transport etc. Gleichzeitig müssen wir die Frage stellen, wer nun für diese Kosten bzw. den Kostenschock aufkommt.
Im Allgemeinen ist es dem Unternehmenssektor in den meisten Ländern gelungen, diesen Kostenschock von sich abzuwälzen. Man hat also kurzum die höheren Erzeuger- und Lieferpreise weitergegeben. Man hat die Profitmargen in der Regel konstant gehalten. Das heißt: Wenn die Energiepreise in die Höhe schnellen – und damit die Kosten auf Unternehmerseite – und die Profitmarge konstant bleibt, gehen auch die Profite hoch.
Nehmen wir als Beispiel eine Raffinerie her: Die Raffinerie macht das gleiche, was sie immer macht. Sie verarbeitet Rohöl in einer Form, damit es verwendet werden kann. Wenn jetzt der Rohölpreis hochgeht, ist der Aufwand für eine Tonne Öl immer noch der gleiche. Aber wenn die Marge konstant bleibt, dann schnellen die Profite in die Höhe. Das würde ich sagen, ist das allgemeinste Phänomen.
Aber es gab natürlich auch Lieferketten-Engpässe, die dazu geführt haben, dass es eine Art vorübergehender Monopolstellungen gab. Da wussten sozusagen alle Unternehmen in einem Sektor, dass die Konkurrenz die gleichen Lieferprobleme hat und man hat darauf reagiert, in dem man die Preise erhöht hat – weil man wusste, die Konkurrenz kann einen auch gerade nicht unterbieten.
Unternehmen konnten Kosten abwälzen – die Teuerung schultern am Ende Beschäftigte und Konsument:innen
Wenn die Unternehmen ihre Profite im Großen und Ganzen absichern konnten – wer sind dann die Verlierer:innen?
Isabella Weber: Wenn man sich vor Augen führt, dass der Unternehmenssektor seine Margen geschützt hat und gleichzeitig die Löhne nicht mit der Inflation Schritt gehalten haben, dann hat man die Situation, dass es die Arbeitnehmer:innen sind, die als Ganzes diesen Kostenschock tragen. Letztere erleben eine Krise, in der sie die gestiegenen Lebenskosten immer schwerer decken können. Insbesondere für die unteren Einkommensgruppen ist das dramatisch.
Von Seiten der Bundesregierung hat man sich für Maßnahmen wie Einmalzahlungen entschieden, also die Preisentwicklung selbst unberührt gelassen. Vor ein paar Monaten ist nun die Europäische Zentralbank (EZB) aktiv geworden und hat den Leitzins erhöht. Wie bewerten Sie diese Maßnahme? Welche Folgen hatte das?
Isabella Weber: Also erstmal muss man, denke ich, sehen, dass die Zinserhöhungen ein massiver Eingriff waren. Also es findet ein ganz massiver politischer Eingriff in die Wirtschaft statt – aber eben über die Zinsen, nicht über Preisregulierung. Wenn ich die Zinsen in dieser Rekord-Geschwindigkeit erhöhe, wie es jetzt gemacht wurde, dann entsteht einerseits eine Situation, wo die Banken Gelegenheiten haben, Übergewinne zu machen. Denn die Zinserhöhungen wurden nicht gleich an die Sparer:innen weitergegeben, aber sehr schnell an Kredit-Nehmer:innen. Darüber sind große Gewinngelegenheiten entstanden. Man sagt, man bekämpft damit die Inflation, aber tatsächlich zielt eine solche Zinserhöhung darauf ab, die Arbeitslosigkeit zu erhöhen. Denn höhere Zinsen treffen die Wirtschaft: Investitionen und Anschaffungen werden schwieriger.
Am Ende bedeutet das auch Entlassungen. Höhere Arbeitslosigkeit wiederum schwächt die Position der Arbeitnehmerseite bei den Lohnverhandlungen. Man spricht da, ganz euphemistisch, von einer “Abkühlung” am Arbeitsmarkt. Das soll klingen wie eine Frühjahrsbrise, aber was man wirklich will ist, dass Menschen ihre Arbeit verlieren, damit sie weniger Spielraum haben, höhere Löhne zu fordern. Das ist meiner Ansicht nach eine extrem problematische Art, Politik zu machen. Denn sie heizt Rezessions-Tendenzen an, die in Österreich zum Beispiel schon sichtbar sind.
Die Preisschocks und die Zinspolitik haben die Ungleichheit im Unternehmenssektor verschärft. Denn wenn Konsument:innen ihr ganzes Geld dafür ausgeben müssen, Grundbedürfnisse zu decken, bleibt nicht mehr viel, um für andere Dinge Geld auszugeben. Das merken Unternehmen – vor allem kleinere, die sich nicht am Finanzmarkt finanzieren können, sondern auf Bankkredite angewiesen sind. Denen schadet die fallende Nachfrage massiv.
Preisbremsen und Übergewinnsteuern wären wirksame Mittel (gewesen), den Preisschock zu bekämpfen
Was wäre denn aus Ihrer Sicht eine bessere Alternative gewesen, in die Wirtschaft einzugreifen in dieser Krise?
Isabella Weber: Ich denke das, dass es zunächst wichtig gewesen wäre, diese zentralen Preise oder was ich in meiner Forschung auch systemrelevante Preise genannt habe, zu stabilisieren. Damit diese Preis-Schocks nicht durchs ganze System rasseln und diese ganzen Folgeeffekte nach sich ziehen. Das heißt zum Beispiel: Übergewinne besteuern. Das kann aber auch heißen, eine Preisbremsen einzuführen, die bewirkt, dass der Schock abgefedert wird und erst gar nicht diese ganzen Zweitrundeneffekte auslösen kann.
Natürlich ist es gerade im Energiebereich so, dass wir über Preise sprechen, die sowohl die Unternehmen als auch die Haushalte ganz stark treffen. Wenn es eine Situation ist, wie ich versucht hatte darzulegen, in der die Unternehmen in der Lage sind, auf diese Energiepreis-Schocks so zu reagieren, dass ihre Profitvolumen hochgehen, dann heißt das, dass gleichzeitig dieser Energiepreis-Schock die Teuerung indirekt für die Haushalte verschärft.
Insofern denke ich, ist der Ansatz von Energiepreisbremsen auf jeden Fall ein guter. Weil er die Grundbedürfnisse schützt. Denn ein Teil des Energieverbrauchs bei Haushalten fällt in den Bereich der existenziellen Bedürfnisse. Ich kann zwar versuchen, weniger zu heizen, aber so ein Einspar-Potenzial hat ja Grenzen.
“Wir brauchen eine neue Form der Stabilisierungspolitik – eine, die zum Ziel hat, Grundbedürfnisse zu sichern”
Sehen Sie, dass diese Krisen und Schocks jetzt mal ein Ablaufdaten haben? Oder werden sie uns noch länger beschäftigen?
Isabella Weber: Wir leben in sehr krisengeplagten Zeiten. Wir leben, kann man sagen, in einer Zeit der Vielfachkrisen. Klimawandel ist Realität. Extreme Wetterereignisse sind bereits Realität. Die Situation im Nahen Osten ist extrem brenzlig. Die Gefahr eines einer regionalen Ausweitung des Konflikts besteht. Insofern ist es sehr wahrscheinlich, dass es weitere Schocks geben wird. Daher ist es auch notwendig, finanz- und volkswirtschaftlich umzudenken. Wir müssen hin zu einer anderen Art und Weise, auf diese Schocks zu reagieren. Wir sehen das ja bei den Zinserhöhungen. Die führen mitunter zu Rezession. Dann kommt der nächste Schock – was dann? Wieder Zinserhöhungen, wieder mehr Arbeitslosigkeit?
Man muss aus dieser Logik ausbrechen. Man muss über eine neu Art der Stabilisierungspolitik nachdenken, die zum Ziel hat, Grundbedürfnisse gegen diese Preisschocks abzusichern.
Politik darf beim Markt nicht nur zuschauen und abwarten – sondern muss eingreifen, wenn er nicht funktioniert
Wie funktioniert denn dieses “Ausbrechen”? Wo müsste die große Wende denn stattfinden?
Isabella Weber: Da geht es zum Beispiel um eine andere Struktur der Energieversorgung an sich – dann ist man auch nicht so verletzbar, was Preisschocks bei Öl und Gas anbelangt. Gleichzeitig braucht man meiner Ansicht nach auch Möglichkeiten, kurzfristig auf extreme Preissteigerungen reagieren zu können. Zum Beispiel, indem man Monitoring-Prozesse hat.
Wenn man sich anschaut, was mit den Gaspreisen passiert ist… Es sind ja schon im Winter 2021 die Preise extrem angestiegen. Sebastian Dullien und ich haben schon im Februar 2022 Artikel zum Thema Gaspreisdeckel veröffentlicht. Weil schon damals – vor dem Krieg gegen die Ukraine – klar war, dass diese Gaspreise allein eine 2,5%ige Inflation auslösen können. Aber die Politik hat eben nicht gesagt “Gas ist ein systemrelevanter Preis, den müssen wir beobachten und mit Maßnahmen reagieren”. Man hat einfach abgewartet. Im Fall Deutschlands bis zum Herbst. Da hat man die Grundbedürfnisse der Menschen letztlich nicht geschützt. Da muss wirklich ein Umdenken stattfinden.
Klar, man kann nicht immer im Voraus alles vorhersagen, aber es gibt nunmal Preise, von denen man weiß: Wenn die in die Höhe schnellen, hat das schwere Folgeschäden – und da muss man gleich reagieren. Insofern braucht es da ein Handlungsmandat.
Was man jetzt sieht, ist, dass Menschen weiterhin ihre Jobs machen, arbeiten – und dennoch Angst haben, dass sie sich ihre Grundbedürfnisse nicht mehr leisten können. Da bricht man einen gesellschaftlichen Vertrag. Da gerät die Grundlage, auf der eine Marktwirtschaft aufbaut, ins Wanken.
Diese Teuerung bringt nicht nur die gesamte Wirtschaft, sondern auch die Demokratie ins Wanken
Welche Gefahren bergen diese Existenzängste noch?
Isabella Weber: Nun ja, wenn ich mir nicht mehr sicher sein kann, dass ich meine Grundbedürfnisse befriedigen kann, wenn ich Existenzängste habe, dann werde ich hellhörig für wütendes und mitunter extremes Gedankengut. Wir sehen, dass in vielen europäischen Ländern rechtsradikale oder extrem rechte Parteien einen Aufschwung erfahren, der zum Nachdenken anregen sollte. Da gerät am Ende auch die Demokratie ins Wanken.
Deshalb braucht es eine Alternative. Die Alternative heißt, einzugreifen und Staat und Wirtschaft so zu denken, dass sie für die vielen attraktiv sind und die Grundbedürfnisse sichern.
Isabella Weber ist Professorin für Ökonomie an der University of Massachusetts Amherst. Gemeinsam mit Sebastian Dullien ( Wissenschaftlicher Direktor des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) in der Hans-Böckler-Stiftung) wurde sie heuer mit dem Kurt-Rothschild-Preis ausgezeichnet für ihre Forschungsleistungen über den Gaspreisdeckel zur Inflationsbekämpfung.
Nein und nochmals nein die Demokratie bringen wir Sozis zum wanken ,wir die Steuern zahlen müssen jetzt schon 2 Millionen Wiener Durchfüttern die nichts Arbeiten weil sie nicht wollen
Nach dieser aussage würden alle wiener nicht arbeiten, sehr einfältig und falsch! mit dieser haltung dürften sie nicht ,sozi und wir’ von sich geben, ein sozi weiß wie wichtig solidarität und ein sozialstaat ist, der für die sorgt, die es selbst nicht können. Vorschlag: machen sie sich doch gedanken zb über steuergeschenke an die reichen, die durch die chats bekannt geworden sind oder über den geldsegen, den die övp und die grünen mittels cofag hauptsächlich an solche verteilt hat, die es nicht gebraucht hätten, zb 11 millionen an hr pierer, der hat sich dann 7 millionen bonus ausbezahlt, od. starbucks ein vielfaches ihrer erbrachten steuerleistung.
Starbucks zahlt sogut wie keine Abgaben in Ö.
Alle international tägigen Konzerne, welche auch massiv Steueroptimierung betreiben, haben das meiste Steuergeld eingestreift.
Follow the money…….!