Die Regierung inszeniert für Mitte September einen „Jobgipfel“, wie sie es nennt. Die Ankündigung: 100.000 Arbeitslose sollen Jobs annehmen. Was sie nicht sagt: ÖVP und FPÖ haben mit ihren bisherigen Beschlüssen in Sachen Arbeitsmarkt die Lage für Arbeitssuchende verschlechtert. Projekte und Budgets, die Menschen bei der Qualifizierung und Jobsuche helfen, hat die Regierung zusammengekürzt. Der 12-Stunden-Tag verschärft zudem die ungleiche Verteilung von Arbeit.
Wie sieht die schwarz-blaue Arbeitsmarkt-Politik bisher aus?
30 Prozent weniger Geld für das AMS im Jahr 2018
Ursprünglich hat das AMS für 2018 mit 1,94 Milliarden Euro staatlicher Förderung gerechnet. Doch seit Anfang des Jahres kursierten Gerüchte über Kürzungen durch die Regierung. Im März 2018 war dann fix: Das AMS hat nur noch 1,4 Milliarden Euro zur Verfügung. Das ist eine Kürzung von fast 30 Prozent.
Dass Kürzungen bei der Arbeitsmarktpolitik keine Einsparungen sind, zeigen Studien: Nach fünf Jahren finanzieren sich Ausgaben für Arbeitsmarkt-Förderung komplett selbst. Denn der Staat gibt weniger für Mindestsicherung, Notstandshilfe und im Gesundheitssystem aus, nimmt dafür aber Steuern und Sozialversicherungsbeiträge ein. Rein ökonomisch gesehen, richten Einschnitte beim AMS also mehr Schaden an als sie nutzen.
Weitere Kürzungen beim AMS-Budget für 2019 geplant, bis zu 25.000 Menschen betroffen
Auch im nächsten Jahr streicht die Regierung laut Berichten dem AMS Geld. Das Arbeitsmarktservice könnte um ein Viertel weniger erhalten als geplant. So droht neben den Kürzungen für 2019 von 150 Millionen ein weiterer Rückgang von über 200 Millionen, wenn nicht – wie bisher üblich – Gelder aus der sogenannten Arbeitsmarktrücklage herangezogen werden. Dabei handelt es sich um ein Reservebudget für arbeitsmarktpolitische Maßnahmen.
Weniger Geld für das AMS bedeutet: Weniger Kurse, weniger Beratung und weniger Vermittlung in Jobs. Die Kürzungen würden bedeuten, bis zu 25.000 Personen weniger in Schulungen und Beschäftigungsmaßnahmen. Darüber hinaus stehen 700 Planstellen beim AMS auf wackeligen Beinen. Sie wurden bisher durch Mittel der Arbeitsmarktrücklage finanziert, die nun nicht vom AMS angetastet werden darf. Bedroht sind weiters 1.000 Arbeitsplätze in Sozialen Unternehmen, also in Betrieben, die bei der Integration in den Arbeitsmarkt beteiligt sind.
Beschäftigungsbonus und somit Chance auf 150.000 Jobs gestrichen
Zudem hat die Regierung den Beschäftigungsbonus gestrichen. Er hätte zusätzliche Arbeitsplätze in Unternehmen gefördert: Wer eine Stelle mit einem beim AMS vorgemerkten Jobsuchenden besetzt, hätte 50 Prozent der Lohnnebenkosten vom Bund bekommen. Diese Investitionen in der Höhe von etwa zwei Milliarden Euro bis 2023 hätten 150.000 Jobs geschaffen.
Die Aktion 20.000 wurde eingestampft
Und dann hat die Regierung auch noch die Aktion 20.000 gestrichen. Die Aktion hatte das Ziel, die Langzeitarbeitslosigkeit unter älteren Arbeitssuchenden (50+) zu halbieren. In absoluten Zahlen hätte das für 2018 und 2019 etwa 20.000 Jobs bedeutet. Erste Ergebnisse aus den Modellregionen haben gezeigt, dass dies gelungen wäre. Die geschaffenen Jobs haben monatlich gerade mal 100 Euro mehr gekostet als die Arbeitslosenunterstützung – also netto 1.200 Euro pro Arbeitsplatz im Jahr. ÖVP und FPÖ befanden das für zu teuer – und haben die Ausgaben gestrichen.
“Absurd ist dabei, dass die Einsparungen in Wirklichkeit kaum Einsparungen sind“, erklärt die Arbeitsmarktexpertin Judith Pühringer.
Die Regierung hat zwar die Ausgaben für die Aktion 20.000 gestrichen, im Gegenzug fallen jetzt aber höhere Ausgaben für Arbeitslosengeld und Notstandshilfe an.
Dabei war die Aktion in den Pilot-Bezirken erfolgreich. Die Langzeitarbeitslosigkeit der Altersgruppe 50+ ist in den Modellregionen weit stärker zurückgegangen als im jeweiligen Bundesland insgesamt (jeweils im Vorjahresvergleich):
12-Stunden-Tag bedeutet falsche Verteilung von Arbeit
Im Juni 2018 haben ÖVP und FPÖ mit einem Initiativantrag zur “Arbeitszeitflexibilisierung” Österreich überrascht. Ohne Begutachtungsphase wurde der 12-Stunden-Tag von den Regierungsparteien und den NEOS abgenickt. Das Gesetz gilt seit 1. September. Über arbeitsrechtliche Fragen, Folgen für Sicherheit, Produktivität und Gesundheit wurde gewarnt.
Doch der 12-Stunden-Tag könnte sich auch auf den Stellenmarkt auswirken. Denn wenn jene, die einen Job haben, mehr und länger arbeiten müssen, ist es für Betriebe nicht attraktiv, neue Stellen zu schaffen, wenn es mehr zu tun gibt. Es ist ein Problem, dass schon bei Analysen zu Überstunden in Österreich offensichtlich geworden ist: Die österreichischen Beschäftigten arbeiten am zweit längsten in der EU. Aktuell leisten Beschäftigte in Österreich 250 Millionen Überstunden. Fast jede 5. davon bleibt unbezahlt. Ohne diese Mehrarbeit würden umgerechnet über 143.000 zusätzliche Jobs entstehen.
Der 12-Stunden-Tag wird dieses Problem verschärfen – mit dem Unterschied, dass “Überstunden” nicht mehr als solche gelten, also die Mehrarbeit z.T. nicht mehr mit entsprechenden Zuschlägen abgegolten werden wird. Es ist eine Schieflage bei der Verteilung von Arbeit:
Während jene mit Jobs länger arbeiten müssen als sie können und wollen, werden für jene, die Jobs suchen, keine Stellen geschaffen.
Angesichts der Tatsache, dass ÖVP und FPÖ die letzten Monate damit verbracht haben, Programme für Jobsuchende zu streichen und Beschäftigte mehr zu belasten, ist der angekündigte “Jobgipfel” eine Farce. Die Lage sei „dramatisch“, meinen die beiden Parteien. Dass sie selbst dafür verantwortlich sind, sagen sie freilich nicht dazu.
Zum Weiterlesen:
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Eine Horrorzahl: https://www.youtube.com/watch?v=kEt2hy4V-3w
Das ist vermutlich wieder eine Ablenkung…