Die Regierung behauptet, Kürzungen bei der Mindestsicherung treffen „nur“ Migranten. Sie stützt sich dabei auf ungeeignete Datensätze und verzerrt diese nochmal. Gar nicht diskutieren wollen ÖVP und FPÖ hingegen, dass sie bei Kindern kürzen und sich ÖVP und FPÖ auf den Vemögenszugriff bei Arbeitslosen geeinigt haben. Kontrast.at hat Daten zusammengetragen.
Ende November 2018 kündigen ÖVP und FPÖ eine Einigung bei der Mindestsicherung an. Teil dieser Einigung werden Kürzungen sein, die die Regierung im Mai desselben Jahres bereits angedeutet hat. Interessant ist, wie die beiden Parteien die Kürzungen kommunizieren – und was sie vor allem nicht sagen.
Hieß es im Mai noch, die Kürzungen würden vor allem Flüchtlinge treffen, heißt es jetzt, sie ziele auf Migranten ab.
„Mehr als 60 Prozent der Mindestsicherungsbezieher seien Personen mit Migrationshintergrund“, heißt es von Seiten der Regierung gegenüber der APA. Die Behauptung wird ungeprüft von einigen Medien übernommen, hält aber keiner Prüfung stand.
Das Ziel: Stimmung gegen Migranten und Migrantinnen zu machen. Und die restliche Bevölkerung glauben lassen, dass sie selbst nicht von den Kürzungen bei der Mindestsicherung betroffen sind. So hofft man Widerstands gegen die Pläne zu vermeiden.
Doch ein Blick auf die Daten zeigt: Die Zahl stimmt einfach nicht. Wen die Kürzungen besonders hart treffen, sind Familien und Kinder.
„60 Prozent Migranten“ – eine Zahl, die nicht stimmt
Daten der Statistik Austria zeigen, dass es diese „60 Prozent“-Behauptung falsch ist. Und zwar in doppelter Hinsicht:
- Die Regierung bezieht sich auf einen nicht geeigneten Datensatz, nämlich auf jene Daten über Bezieher ohne Job. Die machen aber nur ein Drittel aller Bezieher aus. Die restlichen 2 von 3 Beziehern sind sogenannte „Aufstocker“. Sie haben Jobs, verdienen aber so wenig, dass sie zusätzlich Geld aus der Mindestsicherung bekommen, um damit auf 860 Euro pro Monat zu kommen und ihre Lebenskosten zu decken. Und für diese zwei Drittel der Bezieher gibt es die Aufschlüsselung nach Staatsbürgerschaft nicht.
- Selbst wenn man sich wie die Regierung nur die Bezieher ohne Job ansieht, stimmt die Zahl von ÖVP und FPÖ nicht. Denn mehr als die Hälfte dieser Bezieher hat die österreichische Staatsbürgerschaft.
Nun wollen ÖVP und FPÖ zudem eine „bundesweite Gesamtstatistik“ zu Empfängerinnen und Empfängern von Sozialleistungen einführen. Erheben wollen sie darin auch den „Migrationshintergrund“ der Unterstützten. Dabei geht es jedoch nicht um sie selbst, sondern um die Staatsangehörigkeit der Eltern.
Die Statistik soll jene Zahlen hervorbringen, die die Regierungsparteien künftig für Stimmungsmache bei Leistungskürzungen braucht: Wer Mindestsicherung bezieht und eine Mutter aus Schweden oder einen Vater aus Jugoslawien hat, würde in dieser Statistik als „mit Migrationshintergrund“ aufscheinen. Unabhängig davon, ob der Bezieher in Österreich geboren und hier aufgewachsen ist oder nicht. Die Unterscheidung zwischen „richtigen und nichtrichtigen Österreichern“, wie es Florian Klenk vom Falter formuliert, würde so festgeschrieben.
“Der einzige Zweck der Bekanntgabe dieser Zahlen ist ein Framing, das wir nur zu gut kennen: ‘Zu viele Ausländer beziehen zu viele Sozialleistungen.’ Im gleichen Atemzug versichert uns die Regierung, ‘Sozialmissbrauch’ künftig besser eindämmen zu wollen. Auch dieses Framing ist bekannt: “Die Ausländer bekommen die Sozialleistungen zu Unrecht. Sie bestehlen uns.”(Olivera Stajić, der Standard)
Was ÖVP & FPÖ über Mindestsicherung nicht sagen: Kürzungen treffen Familien
Das Bild, das die Regierung zeichnen will: Die typischen Mindestsicherungsbezieher sind männliche Migranten – und die sollen weniger Leistung bekommen.
Tatsächlich sind zwei Drittel der Beziehenden Frauen und Kinder. Wer bei der Mindestsicherung kürzt, kürzt also mehrheitlich bei ihnen.
Kürzungen treffen zudem viele junge Menschen in Österreich. Immerhin sind 35 Prozent der Bezieher 18 Jahre oder jünger.
Kürzungen bei Familien: 85 Prozent der Kinder betroffen
Worüber ÖVP und FPÖ gar nicht sprechen, sind die Einschnitte bei Kindern. Familien, deren Existenz an der Mindestsicherung hängt, müssen sich auf Kürzungen einstellen: Die Regierung erhöht zwar den Mindestsicherungs-Betrag für das 1. Kind auf 216 Euro (statt bisher mind. 155 Euro). Allerdings bekommen Paare – also wenn beide Elternteile Mindestsicherung beziehen – 86 Euro weniger als zuvor. Hinzu kommt, dass der Betrag ab dem 2. Kind im Haushalt stark abflacht.
Diese Kürzung ist für Familien folgenschwer. Rund 85 Prozent der Kinder, die in Österreich Mindestsicherung beziehen (also etwa 70.000), werden diese Kürzungen zu spüren bekommen.
Je mehr Kinder im Haushalt leben, desto mehr Ausgaben hat eine Familie. Das Armutsrisiko ist bei Mehrkind-Familien höher. Besonders gefährdet sind Kinder und Jugendliche in Haushalten mit mehr als drei Kindern: Liegt das Armutsrisiko bei Familien mit einem Kind noch bei 13 Prozent, sind Familien mit drei oder mehr Kindern schon bei 21,8 Prozent.
Doch genau diese Haushalte werden die Kürzungen der Mindestsicherung treffen. Denn ab dem 2. Kind gibt es deutlich weniger. Künftig soll das erste Kind 216 Euro erhalten, das zweite 130 und jedes weitere nur noch 43 Euro monatlich.
Über 54.400 Familien mit drei oder mehr Kindern sind von diesen Kürzungen betroffen.
Leben Vater, Mutter und ein Kind zusammen, dann beträgt das Minus pro Monat laut Regierungszahlen bis zu 70 Euro. In Haushalten mit zwei Kindern und beiden Eltern mit Mindestsicherung steigt das Minus auf bis zu 130 Euro im Monat, bei drei Kindern auf mindestens 160 Euro. All das gilt aber nur für Familien mit österreichischem Pflichtschulabschluss oder ausreichenden Deutschkenntnissen.
Sind diese nicht vorhanden, summieren sich die monatlichen Einschnitte und liegen bei mindestens 445 Euro bei einem Kind und über 580 Euro pro Monat bei drei Kindern.
Zum Weiterlesen:
Agitiert wird gegen Flüchtlinge – gekürzt bei bedürftigen Familien (Kontrast.at)
Strache-FPÖ hat Versprechen gebrochen: Zugriff auf Erspartes von Arbeitslosen ist fix! (Kontrast.at)
Alle Infos zu Debatten zur Notstandshilfe (Kontrast.at)
https://wienistschoen.art.blog/
Besonders schwer trifft es auch behinderte. Das und liest man nirgends.
Behinderte können auch Mal arbeitslos werden oder sind grundsätzlich nur in der Lage weniger als 8 Stunden täglich zu arbeiten. Ausserdem finden sie schwerer einen neuen Job. Wenn es die notstandshilfe nicht mehr gibt und behinderte nach einem Jahr Arbeitslosigkeit in die Mindestsicherung Falken, weiss ich nicht mehr, wie ich mir eine Wohnung leisten soll.
Apropos “Daten und Fakten” :
Könnte jemand mal klären und bekanntgeben, ob Mindestsicherungsbezieher mit Kindern auch die Familienbeihilfe erhalten .
Ich vermisse Objektivität und Sachlichkeit, jeder sieht und liest nur das was ihm in den Kram passt,Voreingenommenheit statt Objektivität beherrscht die Menschen, schade
ich bin erschüttert! was geht hier vor?sollen menschen hier in die armut getrieben werden? was ist mit den”alten” die bald in pension gehen können und notstandhilfeempfangen? werden die auch auf mindestsicherung umgestellt. was ist mit dem papier wo einem die notstandshilfe bis zu einem gewissen datum zugesichert wird? kann man das papier anzünden? weils nichts wert ist? welch eine schande für österreich! aber vorallem dieser regierung! shame on them!