Während die Industriellenvereinigung in Österreich kürzlich die Debatte rund um eine 41-Stunden-Woche entfacht hat, feiert weltweit ein Gegenmodell zahlreiche Erfolge – die 4-Tage-Woche. Im Zentrum dieser Variante steht eine Arbeitszeitverkürzung bei gleichbleibendem Lohn. Kontrast gibt einen Überblick, welche Länder den Pilotversuch der 4-Tage-Woche bereits umgesetzt haben bzw. werden. Die SPÖ fordert ein Pilot-Projekt auch für Österreich.
Island als Vorreiter
Ein wahrer Pionier, wenn es um den Versuch der 4-Tage-Woche geht, ist Island. Als eines der ersten Länder hat es zwischen 2015 und 2019 in über 100 Unternehmen das Projekt durchgeführt. Bis heute handelt es sich hierbei um eine der größten Initiativen. Rund 2.500 Personen – das sind mehr als ein Prozent der arbeitenden Bevölkerung – nahmen daran teil. Bei gleicher Bezahlung wurde die Wochenarbeitszeit von 40 auf 35 Stunden verringert, und das mit Erfolg: Die Arbeiter: innen waren glücklicher, gesünder, produktiver und auch wirtschaftliche Vorteile wurden sichtbar. Die Ergebnisse waren so positiv, dass das Konzept in Island Fuß fasste. Denn nach dem Versuch haben einige Gewerkschaften die Arbeitszeiten neu verhandelt: 86 Prozent aller Beschäftigten haben nun kürzere Arbeitszeiten oder zumindest die Möglichkeit dazu.
Brasilien
Jeden Montag oder Freitag freihaben und das bei gleichem Lohn – auch für einige Beschäftigte in Brasilien wurde das zur Realität. Ende 2023 startete ein sechsmonatiger Testlauf der 4-Tage-Woche, an dem 22 Unternehmen mit insgesamt rund 400 Arbeitnehmer:innen teilnahmen. Einen Unterschied gibt es allerdings im Vergleich zu anderen Ländern – in 70 Prozent der Unternehmen gilt die 4-Tage-Woche für die gesamte Belegschaft. Die restlichen 30 Prozent der Firmen führen den Test nur in bestimmten Abteilungen durch. Als Gründe für die Teilnahme an dem Experiment nannten die Unternehmen unter anderem, dass sie die Lebensqualität der Mitarbeiter:innen sowie das Streben nach Produktivität und Mitarbeiterengagement steigern möchten.
Südafrika als erstes afrikanisches Land
Als erstes Land auf dem afrikanischen Kontinent startete Anfang März 2023 Südafrika den Pilotversuch zur 4-Tage-Woche. Daran beteiligt haben sich 28 südafrikanische Unternehmen sowie eines aus Botswana. Die Ergebnisse unterstreichen den globalen Trend: Rund 92 Prozent der teilnehmenden Unternehmen wollen die Arbeitszeitverkürzung bei gleichem Lohn beibehalten. Eine Besonderheit gab es bei dem Versuch allerdings: Jede:r Arbeitnehmer:in durfte selbst entscheiden, an welchem Tag sie freihaben möchten. Das Fazit: Freitags freihaben wollen nur die wenigsten Südafrikaner:innen.
Als zweites afrikanisches Land nach Südafrika wird auch Namibia 2024 in einem sechsmonatigen Testversuch die 4-Tage-Woche mit Arbeitszeitverkürzung testen.
UK
Der bisher weltweit größte Versuch einer 4-Tage-Woche war in Großbritannien. Über 60 Unternehmen und fast 3.000 Beschäftigte nahmen an dem sechsmonatigen Projekt teil. Die teilnehmenden Unternehmen waren dabei sehr vielfältig: von Bildung, Gesundheitsbranche und Automobilzulieferdienste bis hin zur Hautpflege und dem Gastgewerbe. Die Mitarbeiter:innen arbeiteten 80 Prozent der üblichen Arbeitszeit und bekamen das volle Gehalt. Das Projekt war ein voller Erfolg und die erzielten Ergebnisse können sich auf jeden Fall sehen lassen: Die Beschäftigten waren produktiver und der Firmen-Umsatz stieg sogar an. Das Projekt fiel nicht nur zu Gunsten der Mitarbeiter:innen gut aus, sondern auch für die Unternehmen. Denn die Zahl der Krankenstandstage schrumpfte um rund zwei Drittel. Und auch die Zahl an Angestellten, die kündigten, ging mit 57 Prozent steil nach unten.
Irland
Ein Rückgang des Stressniveaus und von Burnout – dieses Fazit konnten die Beschäftigten nach Ende des Versuches der 4-Tage-Woche in Irland ziehen. Ein halbes Jahr lang haben 17 irische Unternehmen den Versuch durchgeführt und die dort erzielten Ergebnisse konnten die bereits in den anderen Ländern gezeigten Vorteile nur unterstreichen.
Schottland
Der Erfolg der Nachbarländer inspiriert. Denn im September 2023 hat auch die schottische Regierung angekündigt, für bestimmte Beschäftigte im öffentlichen Dienst eine 4-Tage-Woche zu testen. Anfang des Jahres hat das Pilotprojekt begonnen. Rund 140 Beamte arbeiten nun ein Jahr lang nur 32 Stunden in der Woche und das ohne Gehaltseinbußen. Ziel ist es zu testen, ob die 4-Tage-Woche im ganzen Land eingeführt werden könnte.
Portugal
Auch in Portugal testeten 2023 sechs Monate lang 39 Unternehmen kürzere Arbeitszeiten bei gleichem Lohn. 95 Prozent der teilnehmenden Unternehmen beurteilten die Erfahrung als positiv und auch die Arbeitnehmer:innen waren durchwegs zufrieden mit den Entwicklungen. Die teilnehmenden Unternehmen stammen dabei aus den verschiedensten Branchen. So haben neben dem produzierenden Sektor beispielsweise auch eine Kindertagesstätte, ein Pflegeheim und eine Stammzellenbank am Projekt teilgenommen. Während sich zuvor noch fast die Hälfte der Arbeitnehmer:innen beklagt hat, Arbeit und Familie nicht unter einen Hut zu bringen, waren es nach drei Wochen nur noch acht Prozent.
Im Juli 2024 folgte der Abschlussbericht. Die Resultate reihen sich in die positiven Erfahrungen anderer Projekte ein: 93 Prozent der Angestellten würden die 4-Tage-Woche gerne weiterführen. Und 72 Prozent der Unternehmen gaben an, dass die Profite im Vergleich zum Vorjahr gestiegen sind – im Schnitt um 12 Prozent.
Spanien
Im vergangenen Jahr entschied sich ein weiteres europäisches Land für den Versuch zur 4-Tage-Woche: Spanien. Die Regierung rief dabei zu dem Projekt auf und unterstützte es mit fast 10 Millionen Euro. Konkret soll in kleinen und mittleren Betrieben zwei Jahre lang zehn Prozent weniger gearbeitet werden, und das bei vollem Lohnausgleich. Unabhängig von dem landesweiten Versuch wurde zusätzlich ein weiterer in Valencia durchgeführt. Indem regionale Feiertage für zwei Monate auf einen Montag gelegt wurden, hatten 360.000 Menschen eine 4-Tage-Woche. Weniger Stress, weniger Luftverschmutzung und mehr Wohlbefinden waren die Ergebnisse.
Schweden wagt acht Jahre später erneut einen Versuch
Die 4-Tage-Woche sorgte in Schweden bereits 2015 für Schlagzeilen. Das Experiment fand damals in Göteborg statt und dauerte zwei Jahre. Schon damals kamen die auch heute beobachteten positiven Effekte des Modells zum Vorschein. Jetzt bereitet sich Schweden auf ein weiteres Projekt zur 4-Tage-Woche vor. Ab Juni 2024 soll das Experiment über einen Zeitraum von sechs Monaten starten – mit dem Ziel, die Vorteile und praktischen Aspekte einer verkürzten Arbeitswoche zu untersuchen.
Dominikanische Republik
Das Konzept der 4-Tage-Woche hat es bis in die Karibik geschafft. Denn auch die Dominikanische Republik testet das Konzept nun im privaten und öffentlichen Sektor. Der sechsmonatige Testlauf ist im Februar 2024 gestartet. Konkret wird von 44 auf 36 Stunden reduziert und die Beschäftigten arbeiten nur noch von Montag bis Donnerstag. Die Regierung erwartet sich von dem Projekt eine höhere Lebensqualität sowie eine nachhaltigere Wirtschaft.
Die 4-Tage-Woche in Neuseeland & Australien
Ein neuseeländisches Finanz- und Immobilienunternehmen hat sich 2018 zum Ziel gesetzt, die Auswirkungen der 4-Tage-Woche auf die Firma und die Beschäftigten zu untersuchen. Das Projekt zeigte Erfolge und das Unternehmen hat die 4-Tage-Woche seither als Fix-Modell beibehalten. Im Zuge der Corona-Pandemie hat die neuseeländische Regierung Unternehmen das Modell der Arbeitszeitreduktion nahegelegt, um damit einen wirtschaftlichen Aufschwung zu erreichen und die Folgen der Krise abzufedern.
Im August 2022 entschieden sich dann 20 neuseeländische und australische Unternehmen dazu, den Versuch einer 4-Tage-Woche zu starten. Verschiedene Unternehmen waren dabei in die sechsmonatige Testphase eingebunden. Die erzielten Ergebnisse schließen sich dem globalen Trend an und deuten darauf hin, dass sowohl Unternehmen als auch Arbeitnehmer:innen eine klare Präferenz für die 4-Tage-Woche haben.
Projektvorbereitungen in der Schweiz laufen
Seit Jahrzehnten ist die Arbeitszeitverkürzung eine zentrale Forderung der Sozialdemokratie und der Arbeiter:innenbewegung in der Schweiz. Dieser kommt man nun näher als je zuvor. Aktuell läuft die Anmeldefrist für Unternehmen, die die Arbeitszeitverkürzung testen wollen. Es ist eine Kooperation der NGO «4 Day Week Global» mit der Organisationsberatung «Hailperin». Die Berner Fachhochschule ist wissenschaftliche Partnerin zur Studie.
Deutschland
Der Wandel in der Arbeitskultur wurde in diesem Jahr auch in Deutschland eingeleitet. Im Februar startete die für sechs Monate angesetzte Testphase für das Pilotprojekt zur 4-Tage-Woche. Im Fokus der Initiative steht nicht nur die praktische Umsetzbarkeit, sondern auch die Auswirkungen auf Produktivität und Work-Life-Balance der Arbeitnehmer:innen. Die 45 beteiligten Unternehmen kommen unter anderem aus den Bereichen Industrie, Energieversorgung, Handel, IT und Unterhaltung.
Frankreich
Die durchschnittliche Arbeitszeit in Frankreich beträgt bereits 35 Stunden. Trotzdem führen immer mehr Unternehmen eine 4-Tage-Woche ein. Rund 10.000 Menschen profitieren in Frankreich schon jetzt davon. 2024 soll zusätzlich ein Testlauf starten mit dem Ziel, die Work-Life-Balance zu verbessern. Die Initiative will 50 Unternehmen die Einführung einer 32-Stunden-Woche ohne Lohnkürzungen ermöglichen.
USA & Kanada
Von durchschnittlich 38 auf 33 Stunden in der Woche und das bei gleichem Lohn: Diesem Experiment stellten sich 41 Firmen aus den USA und Kanada. Nach einem Jahr wurden die Ergebnisse in diesen Ländern evaluiert und die können sich sehen lassen: ein besserer Ausgleich von Arbeit und Freizeit der Beschäftigten und ein Umsatzanstieg von durchschnittlich 15 Prozent. Außerdem wollen 89 Prozent der Unternehmen die 4-Tage-Woche auf jeden Fall beibehalten. Die restlichen 11 Prozent tendieren dazu.
Südkorea
Südkorea ist bekannt für besonders lange Arbeitszeiten. Im August 2024 wurde bekannt, dass auch in diesem Land die 4-Tage-Woche bzw. die 35-Stunden-Woche getestet werden soll. Der Versuch findet ab Oktober in der bevölkerungsreichsten Provinz Gyeonggi-do statt. Über 50 Unternehmen nehmen teil und werden finanziell von der Provinz mit bis zu 6,7 Millionen Euro unterstützt. Die Angestellten können dabei entscheiden, ob sie lieber eine 4-Tage-Woche oder kürzere Arbeitszeiten pro Tag haben wollen, wie Yonhap News Agency berichtet.
Alternative Modelle
Abseits von dem bereits genannten Modell der Arbeitszeitverkürzung gibt es auch einige Länder, die alternative Konzepte für sich entdeckt haben.
Japan
Obwohl Japan für seine intensive Leistungs- und Arbeitskultur bekannt ist, ist seit kurzem ein kleiner Umschwung zu erkennen. Denn das Land hat kürzlich Richtlinien herausgegeben, die Arbeitgeber dazu ermutigen sollen, auf eine 4-Tage-Woche umzusteigen. Vorgeschlagen und auch bereits umgesetzt wurde die Idee von einigen Unternehmen wie zum Beispiel Microsoft Japan.
Litauen
Im letzten Jahr traten in Litauen neue Bestimmungen des Arbeitsgesetzes in Kraft, die zu einem geringen Teil eine 4-Tage-Woche vorsehen. So hat eine Person, die ein oder mehrere Kinder bis zu einem Alter von drei Jahren erzieht, Anspruch auf ihr durchschnittliches Monatsgehalt bei einer reduzierten Wochenarbeitszeit von 32 Stunden. Derzeit gilt diese Bestimmung aber nur für Personen, die im öffentlichen Sektor arbeiten.
Belgien
Seit Anfang 2022 haben Arbeitnehmer:innen in Belgien das Recht, zu wählen, ob sie 4 oder 5Tage pro Woche arbeiten wollen. Der große Unterschied zu den anderen Ländern: Die Arbeitsstunden werden nicht reduziert. Die übliche Wochenarbeitszeit muss somit nicht mehr an fünf Tagen, sondern kann an nur vier Tagen abgearbeitet werden. Somit kommt es nicht zu einer Arbeitszeitverkürzung, sondern einer Verdichtung der Arbeitszeit.
Vereinigte Arabische Emirate
In den Vereinigten Arabischen Emiraten existiert zwar keine Vier-Tage-Woche, dafür allerdings eine Vier-Einhalb-Tage-Woche. Denn das Wochenende beginnt bereits am Freitagmittag. Diese Regelung wurde Anfang 2021 offiziell eingeführt und gilt verpflichtend für alle Regierungseinrichtungen und Schulen.
Die Lage in Österreich: SPÖ fordert Pilot-Projekt
Während Österreichs Nachbarländer Deutschland und Schweiz in diesem Jahr mit dem Trend rund um die verkürzten Arbeitszeiten mitziehen, herrscht in Österreich Stillstand. Nichtsdestotrotz gibt es in Österreich einige Unternehmen, die sich dafür entschieden haben, eine 4-Tage-Woche einzuführen. Vom Friseursalon, über den Installateur-Betrieb bis hin zum Hotel und der Konditorei – die Bandbreite an Unternehmen ist dabei vielfältig.
Die SPÖ fordert nun auch in Österreich ein Pilot-Projekt zur 4-Tage-Woche. „Die österreichischen Arbeitnehmer:innen haben sich eine Arbeitszeitverkürzung verdient. Seit der letzten Arbeitszeitverkürzung in den 70er-Jahren hat sich die Produktivität verdoppelt. Profitiert haben vor allem die Unternehmen – für die Beschäftigten ist die Arbeit immer stressiger geworden“, so der SPÖ-Chef Andreas Babler.
Großbritannien-Studie: Experte empfiehlt auch Österreich die 4-Tage-Woche
Der Artikel erschien am 31. Mai 2024 und wurde am 2. September 2024 aufgrund des Abschlussberichts aus Portugal sowie Medienberichte über Südkorea aktualisiert.
60 Stunden-Woche in Griechenland. Der Author dieses Artikels gehört ja direkt mit dem Zug nach Birkenau vor 80 jahren.