In der neuen Regierung setzt Kurz auf eine Mischung aus alten Vertrauten und neuen Gesichtern. Neu sind in jedem Fall die “grünen” Minister und Staatssekretäre. Doch was bedeutet diese Aufteilung der Ressorts? Und wer hat wieviel Macht?
Sebastian Kurz, Bundeskanzler
Sebastian Kurz, der 33-jährige Altkanzler und Parteiobmann der ÖVP, wird wie erwartet wieder Kanzler. Zwar sind die Ministerinnen und Minister seiner Regierung formal nicht weisungsgebunden; doch sein strenger Führungsstil ist mittlerweile bekannt – Stichwort Message Control. Seine eiserne Hand in Sachen Kommunikation schlug bereits bei den Regierungsverhandlungen durch: Kaum eine ungeplante Nachricht drang aus dem Winterpalais, wo die Chef-Verhandler seit Wochen tagten.
Passend dazu sicherte sich Sebastian Kurz in den Verhandlungen die Kompetenzen in Sachen ORF-Gesetz und Kommunikationsbehörde Austria. Die KommAustria ist formal nicht an Weisungen gebunden, aber eine zentrale Stelle für die österreichische Medienlandschaft: sie vergibt Rundfunklizenzen, beaufsichtigt private Medienunternehmen und vergibt die Presseförderung. Zusätzlich hat das Bundeskanzleramt gleich vier großzügig angelegte Kommunikations-Dienststellen: Die Abteilungen Medienanalyse, Medienbetreuung, Digitale Kommunikation und Informationsinitiativen sollen die kommenden fünf Jahre das Image von Regierung und vor allem Kanzler auf Hochglanz polieren. Dafür hat Sebastian Kurz seinen eigenen Pressesprecher Gerald Fleischmann zum Kanzlerbeauftragter für Medienfragen gemacht.
Er soll noch mehr Medienkontrolle in die Regierung bringen. Fleischmann ist der Mann fürs Grobe von Sebastian Kurz. Der ehemalige Kurier-Chefredakteur Helmut Brandstätter beschrieb ihn in seinen Buch wie folgt:
“Besonders brutal war dabei das Vorgehen von Gerald Fleischmann, einem Mann, der kurz Journalist war, die meiste Zeit seines Lebens aber Pressesprecher. Dabei muss er eine eigene Art entwickelt haben, Redakteure unter Druck zu setzen und zu verunsichern.”
Besonders problematisch ist, dass Fleischmann weiterhin für die Kommunikation des ÖVP-Regierungsteam zuständig sein wird. Ein Pressesprecher wird also künftig in medienpolitischen Fragen Entscheidungen treffen können.
Karoline Edtstadler, Kanzleramtsministerin
Kurz vertritt Kraft seines Amtes Österreich im Europäischen Rat. Im zentralen EU-Gremium werden richtungsweisende Entscheidungen getroffen, internationale Verträge ausverhandelt und über die Außen- und Sicherheitspolitik entschieden. In Sachen EU wird die Hardlinerin Karoline Edtstadler den Kanzler unterstützen. Bereits im Wahlkampf setzte Kurz auf Edtstadler und ließ sich von ihr bei Fernseh-Duellen vertreten – obwohl die enge Vertraute EU-Abgeordnete und nicht Kandidatin zum Nationalrat war. Nun kehrt sie nach einem knappen halben Jahr als Kanzleramtsministerin aus Brüssel zurück.
Susanne Raab, Integrationsministerin
Ebenfalls im Kanzleramt angesiedelt ist die Integrationsministerin Susanne Raab. Ihr Ressort ist allerdings in erster Linie ein symbolisches: mit 50 Millionen Euro macht ihr Budget einen Bruchteil der anderen Budgets aus. Außerdem ist die klare Zuständigkeit zahnlos, denn die Integrationsbemühungen in den Bereichen Arbeitsmarkt und Bildung liegen bei den jeweiligen Ministerien, das Fremdenwesens samt gesetzlicher Regulative beim Innenministerium.
Als Spitzenbeamtin im Außenministerium sprach sich Raab für Ein-Euro Jobs aus. Für die ÖVP ist Migration und Integration (neben der Stimmungsmache) vor allem unter dem Aspekt des Lohndrucks interessant.
Werner Kogler, Vizekanzler und Minister für Öffentlichen Dienst und Sport
Der Grünen-Chef übernimmt nicht nur den Titel des Vizekanzlers, sondern auch die Agenden für Sport und Beamte. Als Beamtenminister bekleidet er mit dem Finanzminister regierungsintern eine Schlüsselposition; denn die beiden entscheiden zusammen, wie viele MitarbeiterInnen die Ministerien jeweils bekommen – und wie diese Posten bezahlt sind.
Politisch gesehen liegt im Beamtenminister einiges an Potential – und an Herausforderung. Denn die Gehaltsverhandlungen mit den Bundesbediensteten sind eine (Mammut-)Aufgabe. Die Ergebnisse sind richtungsweisend für die Länder-Angestellten und betreffen somit insgesamt rund 200.000 ArbeitnehmerInnen in ganz Österreich.
Die Sport-Agenden lassen mit frei verfügbaren 50 Millionen Euro wenig finanziellen Gestaltungsspielraum. Dafür eignen sich Sport-Events hervorragend als Image-Aufwertung, gratis Berichterstattung und Foto-Option für Sport- wie Polit-Fans inklusive.
Ulrike Lunacek, Staatssekretärin für Kunst und Kultur
Unterstützung bekommt Werner Kogler von Staatssekretärin Ulrike Lunacek. Lunacek übernimmt mit den Kunst- und Kulturangelegenheiten einen kaum breitenwirksamen Bereich. Zwei Drittel von dem knappen Budget sind für die Bundesbühnen und freie Kultureinrichtungen gebunden. Lunacek kommt aus Brüssel zurück. Lunacek übernimmt mit dem Kulturbereich nicht nur eine Mangelverwaltung, mit der man es per se niemandem recht manchen kann. Kleine und große Kulturhäuser und -Initiativen, die sich sonst um den kleinen Pot streiten müssen, zeigen sich einig: Lunacek, die 2017 als Spitzenkandidatin das grüne Wahldebakel zu verantworten hatte, sei – im Gegensatz zu Blimlinger – ungeeignet. Es wird sich herausstellen, ob Ulrike Lunacek nur zu Koglers persönlicher Unterstützung herbeigerufen wurde, oder ob sie dem kränkelnden Kulturbereich wieder auf die Beine helfen kann.
Gernot Blümel, Finanzminister
Gernot Blümel, bekannt als Tausendsassa der ÖVP Wien und enger Kurz-Vertrauter, bekommt das wohl mächtigste aller Ressorts. Das Finanzministerium verfügt mit 17,19 Mrd. Euro nicht nur über das größte Budget, sondern sorgt auch für enorme mediale Aufmerksamkeit und hohe Beliebtheitswerte.
Der Finanzminister erstellt das Bundesbudget – inklusive aller Ausgaben und Einsparungen. Sein Ministerium nimmt Steuern und Abgaben durch die Finanzämter ein, führt Betriebsprüfungen durch und bereitet Änderungen im Steuerrecht vor. Gemeinsam mit Beamtenminister Kogler ist er für die personelle Ausstattung der Ministerien zuständig und somit innerhalb der Regierung die Stelle, an der keiner vorbeikommt.
In Blümels Zuständigkeit fällt außerdem die Österreichische Beteiligungs AG (ÖBAG), die wiederum Anteile an Verbund, Post, Telekom, Casinos, OMV und Bundesimmobiliengesellschaft hält.
Eine Herausforderung für die Koalition stellen die 2021 anstehenden Ankäufe von CO2-Emissionszertifikaten dar. Die Strafzahlungen sind in dreistelliger Millionenhöhe zu erwarten und wohl kaum mit der Sparpolitik der ÖVP-Regierung zu vereinbaren.
Karl Nehammer, Innenminister
Karl Nehammer ist der Mann fürs Grobe in der ÖVP. Nun verlässt er seinen Posten als ÖVP-Generalsekretär, um im Innenministerium die ÖVP-Law and Order-Politik durchzusetzen. Denn seine Zuständigkeiten umfassen die medienwirksamen Bereiche Asyl und Migration; außerdem Innere Sicherheit samt Polizei und Spezial-Einsatzgruppen. Daraus ergibt sich auch der zweitgrößte Personalstab aller Ministerien. Auf der anderen Seite bedeutet das allerdings wenig Flexibilität in der Budgetgestaltung: Über 70% der 3,2 Mrd. Euro gehen direkt an die Landespolizeidirektionen. 80 Mio. Euro gehen an die Spezialeinheit Cobra, weitere 8 Mio. Euro sind für Katastrophenschutz veranschlagt.
Konflikte dürfte es auf jeden Fall mit Justizministerin Zadić geben. Einigkeit hingegen dürfte mit Parteikollegin und Integrationsministerin Susanne Raab herrschen. Falls es bei einer Gesetzesänderung in diesem Bereich zu unlösbaren Differenzen zwischen den Koalitionspartnern kommt, können beide Parteien aber im “koalitionsfreien Raum” mit einer anderen Partei im Nationalrat stimmen. Die ÖVP hat sich de facto die Möglichkeit geschaffen, weiterhin mit der FPÖ, die durch diverse Korruptionsvorwürfe und Kontakte zu Rechtsextremen nicht mehr koalitionsfähig war, einen harten Anti-Migrationskurs zu fahren, ohne den Koalitionspartner mit ein beziehen zu müssen.
Alma Zadić, Justizministerin
Mit Zadić bekommt Österreich seine erste Ministerin mit Migrationshintergrund. Alma Zadić kam als Zehnjährige mit ihren Eltern während des Bosnienkriegs nach Österreich. Seither machte sie als Juristin international Karriere. Parteipolitisch ist sie eine Grenzgängerin: Von Peter Pilz für die Liste JETZT in den Nationalrat geholt, wechselte sie für den Wahlkampf 2019 zu den Grünen.
Ihr Spiegelkabinett hat mit dem ehemaligen ÖVP-Generalsekretär Nehammer ein mächtiges Oberhaupt. Zadić wird die wenig beliebte Aufgabe zuteil werden, “das Schlimmste zu verhindern”. Denn inhaltlich werden Innenminister und Justizminister sich nicht oft einig sein: Sicherungshaft und die Asyl- und Migrationspolitik stehen in Sachen Sprengkraft wohl ganz oben.
Als Justizministerin wird Zadić auch für die juristische Aufarbeitung der vergangenen schwarz-blauen Regierung(en) zuständig sein. Denn nicht nur der BVT-Skandal und die Postenschachereien bei den Casinos Austria sind juristisch noch nicht aufgearbeitet, sondern auch die Eurofighter. Gerade bei Ersteren könnten auch ÖVP-Granden unter Druck geraten. Kein Wunder also, dass Kanzler Kurz bereits vor der Angelobung bei der Hetzkampagne gegen Zadić mitmacht.
Alma Zadić führt ein staatstragendes Ressort mit eingeschränktem Handlungsspielraum. Sie kann als Ministerin entscheidende Anstöße zu Gestzesänderungen machen, ohne öffentlich per se in der Kritik zu stehen. Hinzu kommt ihre personelle Macht: Österreichs Richterinnen und Richter sind nicht an Weisungen gebunden, werden aber von der Ministerin eingesetzt; ebenso wie die Direktoren der Gefängnisse.
Leonore Gewessler, Ministerin für Umwelt, Infrastruktur und Verkehr
Leonore Gewessler ist die erste Nicht-ÖVP -Umweltministerin seit 1986. Die ehemalige Global 2000-Geschäftsführerin übernimmt nach Einschätzung von Experten das mächtigste grüne Ministerium. Denn zu den Agenden Verkehr, Innovation und Technologie kommen noch die Zuständigkeit für Klima, Umwelt und Energie. Es handelt sich hierbei nicht nur um grüne Kernthemen, sondern – vor allem in Verbindung mit den Bereichen Infrastruktur und Verkehr – um potentielle politische Schwergewichter. Waren Umwelt und Klima bisher Stiefkinder des traditionellen ÖVP-Ministeriums für Landwirtschaft, sollen sie nun aufgewertet werden.
Die echte politische Macht steckt aber in Sachen Infrastruktur und Verkehr. Hier werden die großen Gelder der Republik auf Jahre und Jahrzehnte vergeben. Das lässt potentiell wenig akuten Handlungsspielraum. Mit ASFINAG und ÖBB sind ihr zwei der größten Arbeitgeber der Republik unterstellt.
Sowohl in den Bereichen Innovation, wo die meisten freien Gelder vergeben werden, als auch beim Klimaplan wird Gewessler allerdings nicht allein entscheiden, sondern mit dem Finanzminister Blümel als Gegenspieler ringen müssen. Denn ohne seine Zustimmung kommt auch Gewessler nicht weit. Auch in Elisabeth Köstinger hat Gewessler eine mächtige Gegenspielerin im Landwirtschaftsministerium.
Heinz Faßmann, Minister für Bildung und Wissenschaft
Heinz Faßmann kehrt in sein Ressort zurück. Dass er in der Übergangsregierung nicht als unabhängiger Experte übernommen wurde, als die Kurz-Image-Maschinerie ihn so gerne darstellt, hat seine Gründe.
Faßmann ist als ehemaliger Vizerektor für Forschung der Universität Wien zwar vom Fach; allerdings nimmt er es mit der Wissenschaft nicht so genau, geht es um seine politischen Entscheidungen. Der ehemalige Universitätsprofessor musste sich auf die Fahne schreiben, Schulnoten wieder einzuführen und Kinder mit Migrationshintergrund in sogenannte „Deutsch-Förderklassen“ zu segregieren. Dabei wirkte er selbst über die Umsetzung dieser Maßnahmen alles andere als überzeugt.
„Es ist eine politische Entscheidung….nicht hinter jeder politischen Entscheidung gibt es auch eine wissenschaftliche Fundierung“ kommentierte der Wissenschaftler.
Auch in der kommenden Regierung dürfte Faßmann bis auf wenige emotional besetzte Mini-Neuerungen nicht viel Spielraum haben. Er bleibt der mediale Nebelgranaten-Werfer der Regierung: Studiengebühren werden de facto erhöht, Deutschklassen und Ziffernnoten in der Volksschule beibehalten. An ihnen werden sich die Proteste von Gewerkschaft, HochschülerInnenschaft, Eltern und SchülerInnen wohl abarbeiten.
In Sachen Gestaltungsfreiheit ist der nicht nur durch Regierungsvorhaben, sondern auch durch die Länder eingeschränkt. Denn die Kompetenzen sind hier zersplittert. Das Budget für Universitäten und Schulen ist weitestgehend durch Personal, Gebäudesanierung und Mieten verbucht. Die Macht, die er (theoretisch) durch Personalentscheidungen hätte, wird sich in der kommenden Periode in Grenzen halten: An den Universitäten stehen kaum Ablösen an; die meisten Bestellungen sind bereits unter Schwarz-Blau passiert.
Margarete Schramböck, Wirtschaftsministerin
Die Wirtschaftsministerin gehört ebenfalls zu den Wiederkehrerinnen aus Kurz I. Sie gilt als neoliberale Hardlinerin. Obwohl Arbeitsagenden nicht in ihr Ressort fallen, äußerte Schramböck sich zur Maßnahme, dass Arbeitssuchende zukünftig einen Arbeitsweg von zweieinhalb Stunden in Kauf nehmen müssen:
„Wir haben die digitalen Medien, es gibt keinen Grund mehr, heute zu erklären, ich kann nicht mit meinen Freunden in Kontakt bleiben, weil das findet digital statt.“
Schramböck ist für die medial wenig aufsehenerregenden Bereiche Wettbewerbs-, Beihilfen, und Gewerberecht, die technische Normensetzung, die Digitalisierung inkl. E-Gouvernment, und Unternehmensansiedlung zuständig. Im Gegensatz zu Bereichen wie Bildung oder hat die Wirtschaftsministerin insofern also freien Handlungsspielraum: ihre Pläne werden öffentlich kaum besprochen; zeitgleich kann sie 60 Prozent der 1,34 Mrd. Euro frei an Projekte vergeben. 800 Mio. Euro kann sie über “Transferzahlungen an die Wirtschaft“ vergeben.
Parteiintern ist Schramböck offenkundig für die Tiroler anliegen zuständig. Nach ihrer Angelobung als parteilose Expertin holte Landeshauptmann Platter sie in den Tiroler Parteivorstand – und er zeigt sich zufrieden mit dem Ergebnis: Alle wesentlichen Tiroler Forderungen halten Einzug im Regierungsprogramm. Von Korridormaut, Blockabfertigungen und das Sektorale Fahrverbot bis zu den Zulaufstrecken zum Brenner Basistunnel.
Rudi Anschober, Minister für Soziales und Gesundheit
Mit Rudi Anschober übernimmt ein grünes Urgestein das Sozialministerium. Seit den 1990er Jahren macht er bereits in (ober)österreichischer Politik. Mangelnde Fach-Kompetenz kann Anschober nicht nachgeredet werden – wohl aber mangelnde Ressort-Kompetenzen. Denn die Grünen gaben in den Verhandlungen den Arbeitsbereich aus dem Sozialministerium ab. Damit fallen der gesamte Arbeitsmarkt inklusive AMS, Arbeitsinspektorat und Arbeitsrecht der Wirtschaftspartei ÖVP zu. Damit bleibt dem Sozialminister zwar ein großes Budget, aber kaum Wirkmacht.
Das drittgrößte Budget des Bundes besteht vor allem aus Durchlaufposten: Pensionen, Pflege, Gesundheit fressen mehr Löcher, als man mit dem ausgerufenen 0-Defizit-Budget stopfen kann. Denn zu tun gäbe es einiges: die immer älter werdende Gesellschaft braucht Pflege, die zwei-Klassen-Medizin scheint mit dem Regierungspartner ÖVP unaufhaltbar. Sebastian Kurz verspricht bei der Pressekonferenz zur neuen Regierung eine Pflegekassa – im Programm findet sie sich aber nicht wieder.
Als Gesundheits- und Sozialminister wird Anschober seine Beliebtheitswerte weiter ausbauen können. Real wird ihm allerdings das mangelnde Budget und die mächtigen Gegenspieler Ärztekammer, Sozialversicherungen und Länder Schwierigkeiten bereiten.
Elisabeth Köstinger, Tourismus- und Landwirtschaftsministerin
Die eingeschworene Kurz-Vertraute Köstinger kehrt in ihr Ressort zurück. Die ÖVP hat zwar das Umweltministerium verloren, dafür mit dem Landwirtschaftsministerin (und dem Finanzminister) eine entscheidende Rolle in Sachen Klimapolitik. In ihrer Schwerpunkt-Arbeit dürfte sich für Köstinger ohnehin wenig ändern: Ihre Politik richtete sich bereits unter Kurz I in erster Linie nach den Wünschen der mächtigen Bauern. 80 Prozent den Ministeriumsbudgets sind Durchlaufposten. Doch wo möglich, schaufelt Köstinger die Mittel den Großgrund-Bauern zu. So werden von von den EU- Fördergeldern aus dem Fonds für Regionale Entwicklung (EFRE) 95 Prozent direkt an die Bauern ausgezahlt – obwohl bis zu 20 Prozent der Fördergelder für soziale und ländliche Entwicklung ausgegeben werden dürften.
Bemerkenswert ist in Sachen Ressort-Aufteilung allerdings, dass sich die Landwirtschaftsministerin einige Ressort-fremde Agenden einverleibt hat: Telekommunikation und Postdienste wandern vom grünen Infrastrukturministerium zu Landwirtschaft. Damit kontrolliert sie die Ausschreibung der neuen Frequenzen für das 5G-Netz. Mit der “Bedeutung für den ländlichen Raum” wird gerechtfertigt, dass der Zivildienst das Innenministerium verlässt und in Köstingers Kontrollbereich kommt.
Leonore Gewessler könnte sich an Köstinger auf jeden Fall die Zähne ausbeißen. Denn die Ex-Umweltministerin hatte bisher kein Problem mit klimafeindlichen Gesetzen:
Standortentwicklungsgesetz? Super Sache! Einschränkungen für Umweltschützer in Folge der Novelle zur Umweltverträglichkeitsprüfung? Klar doch! Tempo 140 auf den Autobahnen? Gebt Gas, Leute! Verlängerung von Subventionen für Kohle-, Gas- und Atomkraft bis zum Jahr 2035? Gönn dir! EU-Beiträge zu Klimarettung? Einhalten des Pariser Vertrags? Lieber nicht.
Völlig verdient wurde ihre Arbeit mit dem Negativ-Preis „Fossil des Tages“ für besondere Blockade in der Klimapolitik ausgezeichnet.
Klaudia Tanner, Verteidigungsministerin
Mit Tanner ziehen gleich zwei mächtige Player der ÖVP in die Regierung ein: der Bauernbund und Niederösterreich. Die Juristin wechselt seit 1996 zwischen Bauernbund, Privatwirtschaft (Kapsch) und Regierung: Bereits 2001 diente sie unter Ernst Strasser, der wegen Bestechlichkeit zu drei Jahren unbedingter Haft verurteilt wurde.
Als erste Frau im Amt bringt Klaudia Tanner der ÖVP wohl medial einen fortschrittlichen Glanz. Und auch im Gestaltungsspielraum ist in Sachen Heer mehr zu erwarten als die letzten 13 Jahre. Denn seit 2007 musste die ÖVP die Landesverteidigung an den Koalitionspartner abgeben. Seither ist allerdings das Finanzministerium fest in schwarzer Hand. So wurde das Heer kaputtgespart, wie Heeresexperten meinen. Ob sich der Sparkurs unter Ministerin Tanner ändert, bleibt abzuwarten. Besonders hohen Spielraum hat sie keinen: 96 Prozent der budgetierten Zahlungen gehen direkt an das Personal bei den Streitkräften und den dazugehörigen Anlagen.
Auch wenn Katastrophenhilfe immer willkommene Publicity- und Beliebtheitspunkte bringen, wird sich Klaudia Tanner spätestens bei der Frage nach der (Neu-)anschaffung von Flugzeugen, Eurofightern und schwerem Kampfgerät nicht nur Freunde machen.
Christine Aschbacher, Ministerin für Arbeit, Familie und Jugend
Die steirische Consulting-Unternehmerin Christine Aschbacher wird Familienministerin. Eine Überraschung ist, dass sie auch die Arbeitsagenden aus dem Sozialministerium bekommt und damit oberste Chefin des AMS werden soll. Die weitgehend unbekannte Steirerin verfügt sie nicht über sonderlich viel Rückhalt aus den mächtigen Bünden. Sie wird wohl vor allem als Bewacherin der bereits unter Kurz I beschlossenen Kürzungen und Verschlechterungen (Notstandshilfe, 12-Stunden-Tag) herhalten.
Im Arbeitsressort konnte Kurz wegen Ibiza nicht alles umsetzen, was mit der FPÖ geplant war. Doch auch mit den Grünen wird sich der Sparkurs laut Regierungsprogramm nicht ändern: Das Arbeitslosengeld wird wohl gestaffelt zunehmend weniger werden, die Zumutbarkeit bei der Jobsuche wird belastender.
Finanziellen Spielraum hat Aschbacher nur bei Familienangelegenheiten. Auch hier ist über den Familienausgleichsfonds (FLAF), der die Familienbeihilfe ausbezahlt, vor allem konservative Politik zu erwarten.
Alexander Schallenberg, Minister für Europa und Internationales
Ein aus der Regierung Bierlein bekanntes Gesicht mit unbekanntem Namen bleibt im Außenministerium. Alexander Schallenberg ist offiziell parteilos, arbeitete allerdings bereits 2013 für den damaligen Außenminister Kurz und verhandelte sogar für die ÖVP bei der schwarz-blauen Regierungsbildung mit. Hätte nicht die FPÖ damals das Ministerium besetzt, wäre wohl er statt Karin Kneissl Minister geworden.
Das Außenministerium ist an sich ein wirkmächtiges, allerdings nicht für die neue Regierung. Während die Integrationsfragen direkt ins BKA wandern, darf man damit rechnen, dass Sebastian Kurz die medienwirksamen Auslandsreisen samt Fotostrecken zur Chefsache erklären und selbst erledigen wird.
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Komisch, dass die asozialsten Reformen gerade immer wieder von Frauen ausgehen!